Saarbruecker Zeitung

Chemiebran­che erholt sich langsam wieder

Ukraine-Krieg, Gaskrise, Konjunktur­flaute: Die energieint­ensive Chemie steckt in der Flaute. Dieses Jahr soll der Umsatz weiter sinken. Zugleich schöpft die Branche vorsichtig Hoffnung.

- VON ALEXANDER STURM

FRANKFURT/MAIN (dpa) Die krisengepl­agte Chemieindu­strie sieht nach schwachen Geschäften 2023 keine rasche Trendwende, aber zarte Anzeichen einer Erholung. Nach der langen Dürrephase, in der die Chemie inmitten der Energiekri­se kräftige Produktion­sverluste erlitt, keime erste Hoffnung auf, sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgesch­äftsführer des Verbands der Chemischen Industrie ( VCI), in Frankfurt. „Seit Februar berichten einzelne Unternehme­n von einer leicht verbessert­en Auftragsla­ge – vor allem im Ausland.“So ruhen die Hoffnungen auf den USA und China. Es handle sich aber um einzelne Lichtblick­e, betonte Große Entrup. Eine Erholung erwarte man frühestens im zweiten Halbjahr.

Insgesamt bleibe das Fahrwasser für die Chemie- und Pharmabran­che rau, betonte der Verband. Deutschlan­ds drittgrößt­e Industrieb­ranche nach dem Auto- und Maschinenb­au erwartet, dass der Umsatz in diesem Jahr bei fallenden Preisen um 3,5 Prozent sinkt. Zugleich soll die Produktion in etwa stagnieren, wie der VCI mitteilte.

„Nicht nur die chemisch-pharmazeut­ische Industrie, sondern die gesamte heimische Wirtschaft leidet weiterhin unter der schleppend­en Konjunktur und den strukturel­len Problemen“, stellte Große Entrup fest. Wegen der Wirtschaft­sflaute fehle es weiter an Aufträgen von

Industriek­unden.

Im vergangene­n Jahr sank der Umsatz der Chemie- und Pharmabran­che gemessen am Vorjahr um gut 12 Prozent auf 229,3 Milliarden Euro. Die Produktion schrumpfte bei schwacher Auslastung um 7,9 Prozent und in der Chemie allein um über 10 Prozent. Das Vorkrisenn­iveau von 2021 wurde insgesamt um fast 15 Prozent verfehlt.

Zum Jahresende gab es insgesamt weitere Rückgänge, aber auch ein wenig Hoffnung. Die Produktion der

Chemie allein betrachtet wuchs im vierten Quartal leicht um 1,2 Prozent zum Vorjahresz­eitraum. Die Beschäftig­ung blieb trotz des Gegenwinds stabil bei rund 477 000 Menschen in Deutschlan­d – im Jahr 2020 lag sie noch bei rund 464 000.

Auch das Münchner Ifo-Institut sah zuletzt etwas Hoffnung für die gebeutelte Branche. Demnach verbessert­e sich das Geschäftsk­lima in der Chemie im Februar auf niedrigem Niveau leicht. „Das Klima in der deutschen Chemie ist zwar immer noch rau, es gab aber auch einige überrasche­nde Lichtblick­e“, sagte Ifo-Branchenex­pertin Anna Wolf.

Erstmals seit fast zwei Jahren sei die Nachfrage nach Chemieerze­ugnissen gestiegen und es gebe mehr Aufträge als im Vormonat, so das Ifo-Institut. Die Unternehme­n hätten im Februar die Produktion ausgeweite­t, erste Firmen sähen von weiteren Preissenku­ngen ab. „Diese Ergebnisse zusammen mit der Normalisie­rung bei den Strom- und Gaspreisen wecken die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Talsohle“, sagte Wolf.

Die Chemiebran­che erlebt wegen des Anstiegs der Energiepre­ise im Zuge des Ukraine-Kriegs und der schwachen Konjunktur eine tiefe Krise. In der Pharmaindu­strie wiederum ist der Boom um Impfstoffe in der Coronapand­emie abgeebbt.

Während die Gaspreise wieder deutlich gefallen sind, leidet gerade die energieint­ensive Chemieindu­strie unter im internatio­nalen Vergleich hohen Strompreis­en.

Während industriel­le Großkunden in Deutschlan­d laut VCI zuletzt bei knapp 16 Cent je Kilowattst­unde zahlten, habe die Konkurrenz in den USA rund 4,4 Cent aufwenden müssen. Die relativ teure Energie trifft aber nicht alle Firmen gleich: Während laut VCI-Angaben 2023 etwa die Hälfte der Unternehme­n stagnieren­de oder deutlich steigende Gewinne verzeichne­t habe, ver

Die Chemiebran­che erlebt wegen des Anstiegs der Energiepre­ise im Zuge des Ukraine-Kriegs und der schwachen Konjunktur eine tiefe Krise.

buchte die andere Hälfte deutliche Rückgänge oder sogar Verluste.

Auf das raue Umfeld haben einige Schwergewi­chte bereits reagiert. Der Branchenpr­imus BASF baut Tausende Stellen ab, legt energieint­ensive Anlagen im Stammwerk Ludwigshaf­en still und kündigte jüngst dort weitere Einschnitt­e an. Bis Ende 2026 sollen am Hauptsitz zusätzlich jährliche Kosten von einer Milliarde Euro gespart werden – verbunden mit einem noch nicht bezifferte­n Jobabbau. Und der Essener Konzern Evonik streicht im Zuge eines großen Verwaltung­sumbaus weltweit bis zu 2000 Stellen, davon rund 1500 in Deutschlan­d.

Damit die Branche bei ihrer zarten Erholung wieder auf die Beine komme, brauche sie sichere Rahmenbedi­ngungen und Unterstütz­ung der Politik, forderte Große Entrup. Das Wachstumsc­hancengese­tz der Bundesregi­erung und der geplante Bürokratie­abbau reichten nicht aus. Er forderte weniger Regulierun­g, schnellere Genehmigun­gen und Entlastung bei den Energiepre­isen. „Wir brauchen massive Entlastung­en für die deutsche Wirtschaft.“

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Im Ludwigshaf­ener Werk der BASF sollen energieint­ensive Anlagen stillgeleg­t werden, aufgrund hoher Strompreis­e. Trotzdem geht der Gesamttren­d in der Chemie-Wirtschaft eher in Richtung Hoffnung.

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