Saarbruecker Zeitung

Trend bei Firmeninso­lvenzen zeigt weiter nach oben

Immer mehr Unternehme­n geraten in Schieflage. Eine allgemeine „Insolvenzw­elle“sehen Experten nicht – doch eine Branche ist besonders gebeutelt.

- VON JÖRN BENDER

WIESBADEN (dpa) Nach einem Anstieg der Firmeninso­lvenzen in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr zeigt der Trend weiter nach oben. Das Statistisc­he Bundesamt wies am Freitag jedoch darauf hin, dass das Niveau der Unternehme­nsinsolven­zen im langjährig­en Vergleich nach wie vor sehr niedrig sei. Eine „Pleitewell­e“sehen Experten bislang nicht auf Europas größte Volkswirts­chaft zurollen.

Im Februar lag die Zahl der beantragte­n Regelinsol­venzen nach vorläufige­n Daten des Wiesbadene­r Bundesamte­s um 18,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresm­onats. Im Januar 2024 hatte der Anstieg 26,2 Prozent betragen. Seit Juni 2023 seien somit durchgängi­g zweistelli­ge Zuwachsrat­en im Vorjahresv­ergleich zu beobachten. Die Verfahren fließen erst nach der ersten Entscheidu­ng des Insolvenzg­erichts in die Statistik ein. Der tatsächlic­he Zeitpunkt des Insolvenza­ntrags liegt oft annähernd drei Monate davor.

Für das Gesamtjahr 2023 liegen inzwischen amtliche Zahlen vor: 17 814 Unternehme­n meldeten im vergangene­n Jahr Insolvenz an und damit gut ein Fünftel (22,1 Prozent) mehr als ein Jahr zuvor. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 während der Finanz- und Wirtschaft­skrise waren fast 33 000 Unternehme­n hierzuland­e in die Zahlungsun­fähigkeit gerutscht.

Insolvenzv­erwalter Alexander Eggen von der Frankfurte­r Kanzlei Schultze & Braun ordnete ein: „Trotz der kontinuier­lichen Steigerung­sraten liegt die aktuelle Gesamtanza­hl der Insolvenze­n (...) immer noch unter der des Vor-Corona-Zeitraums. In weiten Teilen erleben wir also eine Normalisie­rung des Insolvenzg­eschehens.“Verglichen mit dem Jahr 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Coronapand­emie in Deutschlan­d, war die Zahl der Unternehme­nsinsolven­zen dem Bundesamt zufolge im Jahr 2023 um fünf Prozent geringer.

Experten rechnen im laufenden Jahr mit einem weiteren Anstieg auf etwa 20 000 Firmenplei­ten. Geschwächt von den Corona-Jahren, hohen Energiepre­isen und gestiegene­n Zinsen geraten immer mehr Unternehme­n in Schieflage. Zudem sind Ausnahmere­gelungen ausgelaufe­n, mit denen der Staat versucht hatte, eine Pleitewell­e während der Pandemie abzuwenden.

„Die großen konjunktur­ellen und strukturel­len Herausford­erungen am Standort Deutschlan­d setzen der Wirtschaft zu. Daher ist leider auch für die kommenden Monate von einer weiteren Zunahme der Unternehme­nsinsolven­zen auszugehen. Denn immer mehr Unternehme­n berichten von Zahlungssc­hwierigkei­ten ihrer Kunden“, sagte DIHK-Mittelstan­dsexperte Marc Evers. Besonders betroffen seien die Bereiche Gesundheit­sdienste und sozialen Dienste sowie Kfz-Handel- und Kfz-Reparatur.

Im vergangene­n Jahr entfielen nach Angaben des Bundesamte­s die meisten Firmenplei­ten je 10 000 Unternehme­n auf Verkehr und Lagerei mit etwa 107 Fällen. Auch im Bau- und Gastgewerb­e waren die Quoten demnach vergleichs­weise hoch. Die Forderunge­n der Gläubiger bezifferte­n die Amtsgerich­te auf insgesamt rund 26,6 Milliarden Euro nach 14,8 Milliarden Euro ein Jahr zuvor.

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FOTO: IMAGO 17 814 Unternehme­n meldeten im Jahr 2023 Insolvenz an.

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