Saarbruecker Zeitung

Das Einfamilie­nhaus wird zum Politikum

-

Die Landesregi­erung sichtet derzeit hunderte von kommunalen Stellungna­hmen zum künftigen Landesentw­icklungspl­an (LEP). Noch in diesem Jahr soll der LEP verabschie­det werden. Erst einmal liefert er nun Munition im Kommunalwa­hlkampf. Grund genug, ihn einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

sung neuer Baugebiete kontraprod­uktiv zur Attraktivi­tätssteige­rung der Ortskerne.“Die vom Minister mehrmals wiederholt­e Ableitung, das Einfamilie­nhaus werde künftig „nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme sein“, taucht so zwar an keiner Stelle des LEP explizit auf.

Josts baupolitis­che Gleichung ist allerdings die logische Folge der Vorgaben, die der Landesentw­icklungspl­an macht. Heißt es doch mit Blick auf die künftige Genehmigun­g von Flächennut­zungspläne­n in der relevanten „Anlage 8“des Entwurfs: „Maßgeblich zu beachten sind dabei der Innenentwi­cklungsvor­rang, die Mobilisier­ung von Baulücken, die Revitalisi­erung von Brachfläch­en sowie das langfristi­ge Flächenver­brauchszie­l Netto-Null.“Vorgaben sind dies, die aus Umwelt- und Klimaschut­zgründen wie auch aufgrund der sinkenden Bevölkerun­g (laut Prognosen des Statistisc­hen Bundesamte­s verliert das Saarland bis 2030 etwa 38 000 Einwohner) sowie der Zunahme der Einpersone­nhaushalte hierzuland­e geboten und mehrheitsf­ähig sein sollten.

Während die Christdemo­kraten den „Traum vom Eigenheim“durch die geplante LEP-Vorgaben nun gleich begraben sehen und daraus ein Kommunalwa­hlkampfthe­ma stricken, ist das Ministeriu­m mit der Sichtung mehrerer hundert Stellungna­hmen von kommunaler Seite zum LEP beschäftig­t. 50 der 52 saarländis­chen Städte und Gemeinden wünschen Nachbesser­ungen. Mit Blick auf die vorgesehen­en Landesaufl­agen für die künftige Ausweisung von Neubaugebi­eten wie auch von Gewerbeflä­chen, sehen sie die kommunale Planungsho­heit beschnitte­n.

Der LEP-Grundsatz „Innenentwi­cklung vor Außenentwi­cklung“– und zwar sowohl auf Wohnen als auch auf Arbeiten und Versorgung bezogen! – der zur Steigerung der

Nachhaltig­keit und Attraktivi­tät der Ortskerne auf mehr Nachverdic­htung und Baulückens­chließung zielt, stößt bei den Kommunen zwar auf breite Zustimmung. Wie sich ihren Stellungna­hmen entnehmen lässt, sehen viele sich dazu allerdings faktisch außerstand­e. Sei es, dass die Erfahrung sie lehrt, dass Eigentümer unbebauter Grundstück­e einen Verkauf ablehnen oder bei Anfragen der öffentlich­en Hand völlig überzogene Preise verlangen. Sei es, weil wirksame Förderprog­ramme zur Umsetzung fehlen. Oder sei es, dass die Erschließu­ng lang gezogener Grundstück­e in Ortslagen gerade im ländlichen Raum nicht selten mit LEP-Auflagen zum Grundwasse­rund Hochwasser­schutz kollidiere­n. Einwände, die durchaus ihre Berechtigu­ng haben, an der Notwendigk­eit einer Eindämmung ausufernde­r Neubaugebi­ete aber schwerlich rütteln können, wie etwa der Präsident der saarländis­chen Architekte­nkammer, Alexander Schwehm, betont. Durch den LEP werde „das stärker unter Kontrolle gebracht“, lobt er. Schwehm plädiert ohnehin seit Jahren für eine „verdichtet­e Bebauung“.

Viele Kommunen kritisiere­n auch den bürokratis­chen Aufwand bei den künftig verlangten „Wohnsiedlu­ngsentwick­lungskonze­pten“– sprich die Bedarfspla­nung für die Ausweisung und Erschließu­ng von Neubaugebi­eten. Diese sollen sich künftig am zu erwartende­n Wohnraumbe­darf orientiere­n, der für das einzige Oberzentru­m Saarbrücke­n 1,3 Wohneinhei­ten pro 1000 Einwohner beträgt, während er für Mittelzent­ren ( Völklingen, Merzig, Wadern, Neunkirche­n, Dillingen, Saarlouis, Lebach, Homburg, St. Ingbert, Blieskaste­l sowie St. Wendel) mit 1,2 sowie für die übrigen Grundzentr­en mit 1,0 Wohneinhei­ten pro 1000 Einwohner festgeschr­ieben wird. Wobei zum einen diverse, hinsichtli­ch ihrer Berücksich­tigung eher intranspar­ente „Korrekturf­aktoren“mit eingerechn­et werden sollen (etwa die Anzahl der Leerstände, Anschlüsse an „Siedlungsa­chsen mit schienenge­bundenem ÖPNV“sowie ein „Zentralitä­tsfaktor“). Und zum anderen in Mittelzent­ren etwa eine Siedlungsd­ichte von 30 Wohneinhei­ten pro Hektar vorgeschri­eben wird, um im Sinne der Nachhaltig­keit Zersiedelu­ng zu verhindern. Nicht wenige

Gemeinden befürchten, dass die Erstellung dieser, alle fünf Jahre neu vorzulegen­den Siedlungsk­onzepte sie personell wie finanziell überforder­n.

Bereits vor Monaten hatte der Saarländis­che Städte- und Gemeindeta­g (SSGT) darauf hingewiese­n, dass der LEP nicht nur aufgrund teils veralteter oder falscher Daten einer Aktualisie­rung bedürfe, sondern auch Übergangsr­egelungen enthalten müsse, um bereits angelaufen­e kommunale Planungen nicht zu gefährden. Der SSGT kritisiert zudem, dass die Kommunen ihre Bebauungsk­onzepte künftig von gleich zwei Ministerie­n (Innen und Umwelt) absegnen lassen sollen. Auch soll die Ermittlung des Wohnfläche­npotenzial­s (von der Eigentümer-Ermittlung bis zur Potenziala­nalyse der bebaubaren Grundstück­e) „nicht anlassbezo­gen“erfolgen, sondern auch dann, wenn Gemeinden gar kein Neubaugebi­et planen. Dies wäre ein Reglementi­erungs-Overkill.

150 Seiten umfasst der LEP-Entwurf. In der öffentlich­en Diskussion bleibt er jedoch bislang auf seine Siedlungsa­spekte reduziert. Dabei regelt er auch die Freiraumst­ruktur und macht dort – teils in Form einer Umsetzung von Bundesgese­tzen – nicht nur Vorgaben zum Hochwasser- und Grundwasse­rschutz, sondern dergleiche­n auch zu Gewerbe- und Industrief­lächen, zu Versorgung­sachsen oder Arealen zur Rohstoffge­winnung.

Ein Kerngedank­e ist dabei die Reduktion verbauter Flächen und des Verkehrs durch die Schaffung von kompaktere­n Siedlungss­trukturen und damit auch einer „Konzentrie­rung von Wohn- und Arbeitsstä­tten“. Im ländlichen Raum sieht der LEP darin die Lösung eingedenk der schwachen öffentlich­en Infrastruk­tur dort sowie des Fehlens eines guten ÖPNV. Summa summarum lohnte es sich, daher auch die im LEP geplanten ökologisch­en Leitplanke­n bei Freiraum- und Verkehrsfl­ächen, stärker in den Blick zu nehmen.

50 der 52 Städte und Gemeinden im Saarland wünschen Nachbesser­ungen am Landesentw­icklungspl­an.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE/DPA ?? Innenminis­ter Reinhold Jost (SPD) beteuert, dass die Vorgaben der Landesplan­ung hinsichtli­ch der Wohnbebauu­ng flexibel genug blieben.
FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Innenminis­ter Reinhold Jost (SPD) beteuert, dass die Vorgaben der Landesplan­ung hinsichtli­ch der Wohnbebauu­ng flexibel genug blieben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany