„Es wurde einfach zu wenig gebaut“
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Luxemburg wirkt sich auf seine Nachbarn aus.
PERLBezahlbaren Wohnraum in den großen Städten der Grenzregion zu finden, wird immer schwieriger. Die besondere Situation in Luxemburg, wo immer mehr Menschen Arbeit und Wohnmöglichkeiten suchen, verschärft das Problem. Bei einer grenzüberschreitenden Tagung in Perl drängen das Institut der Großregion und dessen Präsident Roger Cayzelle auf mehr Zusammenarbeit zwischen dem Großherzogtum und seinen Nachbarn.
Herr Cayzelle, Wohnungsnot ist nicht nur ein Problem unserer Region. Warum ist das Phänomen hier so akut?
CAYZELLE Nein, es ist in der Tat ein Problem, das ganz Europa betrifft. Erst vergangene Woche haben sich die zuständigen Minister für Wohnen der EU-Staaten in Lüttich getroffen, um diese Problematik zu besprechen. In der Großregion haben wir zudem das Problem, dass bei der wirtschaftlichen Entwicklung Luxemburgs in den letzten Jahrzehnten die Wohnsituation zu wenig berücksichtigt wurde. Es wurde einfach zu wenig gebaut. In den vergangenen Jahren versuchte die Regierung dagegen zu steuern, doch es kommt spät, und die Preise sind drastisch gestiegen. Das bedeutet: Auch wenn langsam mehr Wohnraum verfügbar ist, ist er nicht für alle bezahlbar.
Wie wirkt sich das auf die Nachbarländer aus?
CAYZELLE Für die luxemburgische Mittelschicht wird es immer schwieriger, im eigenen Land bezahlbaren Wohnraum zu finden. Also zieht es viele in unmittelbarer Grenznähe in die Nachbarländer. Auf der deutschen Seite zum Beispiel nach
Perl oder nach Arlon in Belgien oder nach Thionville in Frankreich. Deshalb steigen dort wiederum die Mieten und die Grundstückspreise, sodass die heimische Bevölkerung weiter weg von der Grenze zu Luxemburg verdrängt wird.
Wäre das nicht eine Chance für ländliche Gegenden, dadurch wieder Einwohnerzuwachs und neue Infrastruktur zu bekommen?
CAYZELLE Diese Situation gibt es bereits in französischen Kommunen wie Longwy und Villerupt, aber auch in den Dörfern bis zu 40 Kilometer von der Grenze entfernt. Doch der Bevölkerungszuwachs wird für diese Gegenden zur Herausforderung, denn es sind arme Regionen. Es wird zwar mehr Infrastruktur für immer mehr Einwohner gebraucht, dennoch muss diese auch finanziert werden.
CAYZELLE Ich denke nicht, dass solche plakativen Forderungen das Problem lösen. Luxemburg bietet bereits Unterstützung, stellt etwa Buslinien für die Pendler. Aber auch der französische Staat muss seinen Kommunen helfen. Um die tatsächliche Lage in den jeweiligen Gebieten zu ermitteln – Ansiedlungsverhalten, Demografie, Entwicklung der Immobilienpreise – brauchen wir eine gemeinsame Beobachtungsstelle, wie es etwa eine zum Thema Arbeitsmarkt gibt.