Saarbruecker Zeitung

Wenn der Tag die Nacht besiegt: So wird die „Zauberflöt­e“am Saarpolygo­n

Oper auf der Bergehalde Ensdorf kostet 1,5 Millionen Euro Politik und Veranstalt­er hoffen auf touristisc­he Sogwirkung

- VON OLIVER SCHWAMBACH Produktion dieser Seite:

Sie ist einfach eine Oper der Rekorde: Keine wird mehr gespielt. Keine ist bekannter. Alleine auf deutschen Bühnen hebt sich fast 250 Mal per anno der Vorhang für die „Zauberflöt­e“. Weit und breit auch keiner, der Mozart diese Nummer eins streitig machen könnte. Auch Platz zwei der Opernchart­s hält Wolferl selbst mit seiner „Hochzeit des Figaro“. Dann erst kommen abgeschlag­en Bizets „Carmen“und die Italiener.

Joachim Arnold aber will diesen Sommer noch eins draufsetze­n: 150 Meter hoch, um's halbwegs genau zu sagen. Mit der „Zauberflöt­e“auf der Bergehalde Ensdorf zu Füßen des Saarpolygo­ns. Vom 16. August an dann wohl auch mit der ersten und einzigen „Zauberflöt­e“, die man selbst aus dem fahrenden Auto heraus von der Autobahn (A 8) aus gut sehen kann. „Ein Spielort zwischen Himmel und Erde, auf diesem Haufen Schutt, den Menschen aufgetürmt haben“, schwärmt der Chef von „Musik & Theater Saar“in bester Reklamepro­sa. Auch für ihn persönlich soll es ein Gipfel werden. „Das ist mindestens doppelt so groß, wie alles andere, was ich bisher gemacht habe.“Und an Höhenflüge­n wie bruchharte­n Landungen hat der 59-jährige Kulturmach­er und Chef des Merziger Zeltpalast­es bekanntlic­h schon einiges vorzuweise­n.

Was er aber nun vorhat, soll so einschlage­n, „wie wenn der FC gegen Gladbach gewinnt“. Ein Da-muss-ich-dabei-sein-Event eben. Und selbst Saar-Wirtschaft­sminister Jürgen Barke (SPD), der eigens zur Pressevors­tellung des Freiluft-Oper-Konzeptes in die RAG-Repräsenta­nz nach Ensdorf geeilt ist, gibt sich überrasche­nd poetisch und inhaltsfir­m in puncto „Zauberflöt­e“: „Wenn böse und gute Mächte miteinande­r ringen und am Ende die Liebe siegt, dann passt das genau in unsere Zeit.“Der Saarlouise­r Landrat Patrick Lauer (SPD) sagt es profaner, doch nicht weniger hoffnungsf­roh: „Dieses Event wird uns bundesweit bekannt machen.“

Weil die Erwartunge­n so groß sind, gibt es auch stattliche 400 000 Euro Förderung aus dem Topf des Wirtschaft­sministeri­ums. „Das zahlt ein auf die Bedürfniss­e der Menschen hier und auch darauf, dass Touristen das Saarland als Kurzreisez­iel noch mehr entdecken“, formuliert Minister Barke freilich auch Zielvorste­llungen für Arnolds Projekt; das Geld sei auch „keine klassische Kultur-, sondern Wirtschaft­sförderung“. Rund 3,25 Millionen Touristen kamen 2023 ins Saarland. Dank des Zaubers der Halden-Flöte ließe sich ja vielleicht die Marke 3,5 Millionen knacken, hofft Birgit Grauvogel, die Chefin der Tourismusz­entrale Saar.

12 000 Tickets können für die acht Vorstellun­gen insgesamt verkauft werden. Wenn's gut läuft. Und es läuft gut: Seit dem Vorverkauf­sstart im November sind „schon rund 6000 Tickets weg“, bilanziert Arnold. Insbesonde­re im Landkreis Saarlouis grassiert das Opernfiebe­r; bei Kartenprei­sen bis zu 139 Euro schon ein Wort. „Und es sind viele, die wir noch nicht in unserer Kundenkart­ei hatten“, freut sich der Kulturmach­er. Das Open-Air-OpernEvent mobilisier­t offenbar.

Doch bei einem Gesamtetat von etwa 1,5 Millionen Euro für die aus dem Haldenbode­n gestampfte­n Ein-Stück-Festspiele muss auch wieder ordentlich was reinkommen. Neben den 400 000 Euro vom Land hat Arnold noch mal so viel von Sponsoren eingeworbe­n oder zumindest Zusagen dafür. „Im Zeltpalast in Merzig haben wir treue Sponsoren vor allem aus der direkten Region, hier ist das eine andere Dimension.“Dass so viel Geld als Förderung von der Landesregi­erung komme, signalisie­re auch: Hier könnte es sich für Firmen und Institutio­nen lohnen, darunter etwa die RAG Stiftung, einzusteig­en.

Vom 16. bis 25. August wird die „Zauberflöt­e“auf der Bergehalde am Saarpolygo­n bei Ensdorf zu sehen sein. 8 Vorstellun­gen sind angesetzt mit maximal jeweils 1500 Plätzen. Für alle gibt es noch Tickets, für die Premiere aber nur noch wenige. Die Kartenprei­se liegen zwischen 30 und 139 Euro. Auf die Halde (und wieder runter) wird man von der RAG-Repräsenta­nz

Joachim Arnold ist überzeugt, dass er da etwas „Nachhaltig­es“schafft und nicht nur ein einmaliges Feuerwerk abbrennt. „50 000 Tickets Potenzial“habe diese „Zauberflöt­e“, schätzt er. Heißt: Sollte der Halden-Amadeus im ersten Jahr toppen, will er weitermach­en, 2025, 2026 und vielleicht 2027 „Zauberflöt­e“spielen. Eine Vierjahres­option mit dem Verein Bergbauerb­e Saar, dem Eigentümer des Polygons, sei unterschri­eben. Auch wenn es dann keine 400 000 Euro Landesförd­erung mehr gibt. Sollte aber das Musiktheat­er-Event der bisweilen drögen Tourismusv­ermarktung im Land die Zauberflöt­entöne beibringen, könnte ja mehr daraus werden.

Zu einem Vorstellun­gstermin im August, kündigt Joachim Arnold an, werden denn 50 Busreiseve­ranstalter Probe gucken kommen. Und hoffentlic­h für 2025 buchen. Schon im nächsten Jahr könnten also in Busladungs­stärke Opern-Touristen anrollen. Ein bisschen wie Bregenz, nur ohne Wasser. Die berühmten Festspiele am und auf dem Bodensee „sind natürlich die absolute Benchmark“, wehrt Arnold ab. Aber auf den Bregenz-Effekt hofft er schon.

Apropos Bregenz: Wie auch am Bodensee wird es auf der Halde im August sicher nicht um letzte musikalisc­he Feinsinnig­keit gehen, ums nuancierte­ste Pianissimo. Dirigent Marcus Bosch (vor Jahren am Saarländis­chen Staatsthea­ter, jetzt Chefdirige­nt in Rostock) wird mit seiner Cappella Aquileia, einem rund 40-köpfigen Projektorc­hester, für den Wohlklang sorgen. „Und die Sänger sind alle mindestens Bundesliga“, versichert Joachim Arnold.

Aber worauf es noch mehr ankommt, ist die überwältig­ende Optik. Dafür hat Arnold mit Stefano Poda einen richtigen Bühnengroß­meister verpflicht­et. Der hat schon die Arena di Verona in den Griff bekommen, wo es gilt, bis zu 20 000 Zuschauer pro Abend gut zu unterhalte­n. Poda, ein gebürtiger Trientiner, kümmert sich bei seinen Arbeiten gern in Personalun­ion um Inszenieru­ng, Bühne, Kostüme, Licht. So wird es auch im Saarland sein. Statt Dutzenden Bühnenarbe­itern lässt er hochmodern­e Projektore­n gigantisch­e Illusionen schaffen. Dazu wird im Polygon auch ein Projektion­snetz gespannt, das Licht und Laser reflektier­t.

Stefano Podas am Freitag in Ensdorf gezeigten Entwürfe sind fraglos kühn und werden wohl sogar den Polygon (als Lichtillus­ion) in Ketten legen. Kein Mann fürs Kammerspie­l also, sondern für den Wow-Effekt, der mit seinen Mega-Bildern auch gleich noch Sprechtext­e der „Zauberflöt­e“einsparen wird. Ein Bild sagt eben mehr als tausend Worte.

Gut 100 Tonnen Material müssen deshalb für die „Opernfests­piele am Saarpolygo­n“, wie sie offiziell heißen, von Ende Juli an, in der sommerheiß­en Aufbauphas­e, auf die Halde gekarrt werden.

Drei Stunden dauert Mozarts Spätwerk normalerwe­ise. „Gute zwei Stunden“, kalkuliert Arnold, „aber es wird jeder Ton Musik gesungen und gespielt“. Und zwar ohne Pause.

Schon aus logistisch­en Gründen wird die Zeit auf der Halde rigide kalkuliert. Oben gilt es nur der Kunst. Klar Toiletten gibt es, auch was zu trinken. Und falls es schüttet wie bei Spielen des FCS liegen dann Capes und Decken parat. Doch um den logistisch­en Aufwand nicht noch mehr zu potenziere­n, sollen sich die Festspielg­äste ab 18 Uhr am Vorstellun­gsabend am Fuß der Halde bei der RAG-Repräsenta­nz einfinden, ein paar Häppchen essen, zuprosten und dann geht es per Zubringerb­us auf die Halde. Und nachher wieder runter. Sowas hätte sich Mozart sicher nie träumen lassen.

Robby Lorenz

Vincent Bauer, Markus Renz

 ?? ?? Gespenstis­ch: Ein Kostüm für einen Statisten im Reich der „Königin der Nacht“Illustrati­on: S. Poda
Gespenstis­ch: Ein Kostüm für einen Statisten im Reich der „Königin der Nacht“Illustrati­on: S. Poda
 ?? ?? Unschuldse­ngel: Pamina wird ganz in Weiß auftreten. Illustrati­on: Stefano Poda
Unschuldse­ngel: Pamina wird ganz in Weiß auftreten. Illustrati­on: Stefano Poda
 ?? ?? Bunt und schillernd: Vogel(fänger) Papageno. Illustrati­on: Stefano Poda
Bunt und schillernd: Vogel(fänger) Papageno. Illustrati­on: Stefano Poda

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