Wenn der Tag die Nacht besiegt: So wird die „Zauberflöte“am Saarpolygon
Oper auf der Bergehalde Ensdorf kostet 1,5 Millionen Euro Politik und Veranstalter hoffen auf touristische Sogwirkung
Sie ist einfach eine Oper der Rekorde: Keine wird mehr gespielt. Keine ist bekannter. Alleine auf deutschen Bühnen hebt sich fast 250 Mal per anno der Vorhang für die „Zauberflöte“. Weit und breit auch keiner, der Mozart diese Nummer eins streitig machen könnte. Auch Platz zwei der Operncharts hält Wolferl selbst mit seiner „Hochzeit des Figaro“. Dann erst kommen abgeschlagen Bizets „Carmen“und die Italiener.
Joachim Arnold aber will diesen Sommer noch eins draufsetzen: 150 Meter hoch, um's halbwegs genau zu sagen. Mit der „Zauberflöte“auf der Bergehalde Ensdorf zu Füßen des Saarpolygons. Vom 16. August an dann wohl auch mit der ersten und einzigen „Zauberflöte“, die man selbst aus dem fahrenden Auto heraus von der Autobahn (A 8) aus gut sehen kann. „Ein Spielort zwischen Himmel und Erde, auf diesem Haufen Schutt, den Menschen aufgetürmt haben“, schwärmt der Chef von „Musik & Theater Saar“in bester Reklameprosa. Auch für ihn persönlich soll es ein Gipfel werden. „Das ist mindestens doppelt so groß, wie alles andere, was ich bisher gemacht habe.“Und an Höhenflügen wie bruchharten Landungen hat der 59-jährige Kulturmacher und Chef des Merziger Zeltpalastes bekanntlich schon einiges vorzuweisen.
Was er aber nun vorhat, soll so einschlagen, „wie wenn der FC gegen Gladbach gewinnt“. Ein Da-muss-ich-dabei-sein-Event eben. Und selbst Saar-Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD), der eigens zur Pressevorstellung des Freiluft-Oper-Konzeptes in die RAG-Repräsentanz nach Ensdorf geeilt ist, gibt sich überraschend poetisch und inhaltsfirm in puncto „Zauberflöte“: „Wenn böse und gute Mächte miteinander ringen und am Ende die Liebe siegt, dann passt das genau in unsere Zeit.“Der Saarlouiser Landrat Patrick Lauer (SPD) sagt es profaner, doch nicht weniger hoffnungsfroh: „Dieses Event wird uns bundesweit bekannt machen.“
Weil die Erwartungen so groß sind, gibt es auch stattliche 400 000 Euro Förderung aus dem Topf des Wirtschaftsministeriums. „Das zahlt ein auf die Bedürfnisse der Menschen hier und auch darauf, dass Touristen das Saarland als Kurzreiseziel noch mehr entdecken“, formuliert Minister Barke freilich auch Zielvorstellungen für Arnolds Projekt; das Geld sei auch „keine klassische Kultur-, sondern Wirtschaftsförderung“. Rund 3,25 Millionen Touristen kamen 2023 ins Saarland. Dank des Zaubers der Halden-Flöte ließe sich ja vielleicht die Marke 3,5 Millionen knacken, hofft Birgit Grauvogel, die Chefin der Tourismuszentrale Saar.
12 000 Tickets können für die acht Vorstellungen insgesamt verkauft werden. Wenn's gut läuft. Und es läuft gut: Seit dem Vorverkaufsstart im November sind „schon rund 6000 Tickets weg“, bilanziert Arnold. Insbesondere im Landkreis Saarlouis grassiert das Opernfieber; bei Kartenpreisen bis zu 139 Euro schon ein Wort. „Und es sind viele, die wir noch nicht in unserer Kundenkartei hatten“, freut sich der Kulturmacher. Das Open-Air-OpernEvent mobilisiert offenbar.
Doch bei einem Gesamtetat von etwa 1,5 Millionen Euro für die aus dem Haldenboden gestampften Ein-Stück-Festspiele muss auch wieder ordentlich was reinkommen. Neben den 400 000 Euro vom Land hat Arnold noch mal so viel von Sponsoren eingeworben oder zumindest Zusagen dafür. „Im Zeltpalast in Merzig haben wir treue Sponsoren vor allem aus der direkten Region, hier ist das eine andere Dimension.“Dass so viel Geld als Förderung von der Landesregierung komme, signalisiere auch: Hier könnte es sich für Firmen und Institutionen lohnen, darunter etwa die RAG Stiftung, einzusteigen.
Vom 16. bis 25. August wird die „Zauberflöte“auf der Bergehalde am Saarpolygon bei Ensdorf zu sehen sein. 8 Vorstellungen sind angesetzt mit maximal jeweils 1500 Plätzen. Für alle gibt es noch Tickets, für die Premiere aber nur noch wenige. Die Kartenpreise liegen zwischen 30 und 139 Euro. Auf die Halde (und wieder runter) wird man von der RAG-Repräsentanz
Joachim Arnold ist überzeugt, dass er da etwas „Nachhaltiges“schafft und nicht nur ein einmaliges Feuerwerk abbrennt. „50 000 Tickets Potenzial“habe diese „Zauberflöte“, schätzt er. Heißt: Sollte der Halden-Amadeus im ersten Jahr toppen, will er weitermachen, 2025, 2026 und vielleicht 2027 „Zauberflöte“spielen. Eine Vierjahresoption mit dem Verein Bergbauerbe Saar, dem Eigentümer des Polygons, sei unterschrieben. Auch wenn es dann keine 400 000 Euro Landesförderung mehr gibt. Sollte aber das Musiktheater-Event der bisweilen drögen Tourismusvermarktung im Land die Zauberflötentöne beibringen, könnte ja mehr daraus werden.
Zu einem Vorstellungstermin im August, kündigt Joachim Arnold an, werden denn 50 Busreiseveranstalter Probe gucken kommen. Und hoffentlich für 2025 buchen. Schon im nächsten Jahr könnten also in Busladungsstärke Opern-Touristen anrollen. Ein bisschen wie Bregenz, nur ohne Wasser. Die berühmten Festspiele am und auf dem Bodensee „sind natürlich die absolute Benchmark“, wehrt Arnold ab. Aber auf den Bregenz-Effekt hofft er schon.
Apropos Bregenz: Wie auch am Bodensee wird es auf der Halde im August sicher nicht um letzte musikalische Feinsinnigkeit gehen, ums nuancierteste Pianissimo. Dirigent Marcus Bosch (vor Jahren am Saarländischen Staatstheater, jetzt Chefdirigent in Rostock) wird mit seiner Cappella Aquileia, einem rund 40-köpfigen Projektorchester, für den Wohlklang sorgen. „Und die Sänger sind alle mindestens Bundesliga“, versichert Joachim Arnold.
Aber worauf es noch mehr ankommt, ist die überwältigende Optik. Dafür hat Arnold mit Stefano Poda einen richtigen Bühnengroßmeister verpflichtet. Der hat schon die Arena di Verona in den Griff bekommen, wo es gilt, bis zu 20 000 Zuschauer pro Abend gut zu unterhalten. Poda, ein gebürtiger Trientiner, kümmert sich bei seinen Arbeiten gern in Personalunion um Inszenierung, Bühne, Kostüme, Licht. So wird es auch im Saarland sein. Statt Dutzenden Bühnenarbeitern lässt er hochmoderne Projektoren gigantische Illusionen schaffen. Dazu wird im Polygon auch ein Projektionsnetz gespannt, das Licht und Laser reflektiert.
Stefano Podas am Freitag in Ensdorf gezeigten Entwürfe sind fraglos kühn und werden wohl sogar den Polygon (als Lichtillusion) in Ketten legen. Kein Mann fürs Kammerspiel also, sondern für den Wow-Effekt, der mit seinen Mega-Bildern auch gleich noch Sprechtexte der „Zauberflöte“einsparen wird. Ein Bild sagt eben mehr als tausend Worte.
Gut 100 Tonnen Material müssen deshalb für die „Opernfestspiele am Saarpolygon“, wie sie offiziell heißen, von Ende Juli an, in der sommerheißen Aufbauphase, auf die Halde gekarrt werden.
Drei Stunden dauert Mozarts Spätwerk normalerweise. „Gute zwei Stunden“, kalkuliert Arnold, „aber es wird jeder Ton Musik gesungen und gespielt“. Und zwar ohne Pause.
Schon aus logistischen Gründen wird die Zeit auf der Halde rigide kalkuliert. Oben gilt es nur der Kunst. Klar Toiletten gibt es, auch was zu trinken. Und falls es schüttet wie bei Spielen des FCS liegen dann Capes und Decken parat. Doch um den logistischen Aufwand nicht noch mehr zu potenzieren, sollen sich die Festspielgäste ab 18 Uhr am Vorstellungsabend am Fuß der Halde bei der RAG-Repräsentanz einfinden, ein paar Häppchen essen, zuprosten und dann geht es per Zubringerbus auf die Halde. Und nachher wieder runter. Sowas hätte sich Mozart sicher nie träumen lassen.
Robby Lorenz
Vincent Bauer, Markus Renz