Eine Tanzbühne im Denkmal Mauritiuskirche?
Die freie Tanzszene will die marode Mauritiuskirche in Alt-Saarbrücken zum EventOrt mit 200 Zuschauerplätzen umbauen – wenn sie als Denkmal geschützt bleibt statt abgerissen wird. Über diese Frage entscheidet jetzt ein Gericht.
ALT-SAARBRÜCKEN „Wir sind auf dem Weg, das Saarland als Standort für den (professionellen) Tanz weiterzuentwickeln und zu stärken.“So enthusiastisch lud die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Tanz auf ihrer Webseite vergangenes Wochenende ein zu einer Mitgliederversammlung im Saarbrücker Cohub:66. Spricht man mit Vorstandsmitglied Samuel Meystre, versprüht er so viel Optimismus und Tatendrang, dass man glauben könnte, das Projekt sei schon in trockenen Tüchern. Bislang ist es aber nur eine Idee. Die aber nimmt konkrete Formen an. Jedenfalls arbeitet die LAG Tanz ernsthaft daran, sich endlich ihren Traum von einer eigenen Aufführungsstätte mit großer Bühne, Probemöglichkeiten und Zuschauerraum zu erfüllen. Dafür müssen allerdings einige Hürden genommen werden.
„Seit einigen Jahren arbeiten wir an einer eigenen Tanzbühne“, sagt Meystre. Die müsse mindestens 120 Quadratmeter groß sein. „Am besten größer!“Schon lange sei man auf der Suche nach einem geeigneten Objekt dafür. Das sei nun gefunden: die denkmalgeschützte katholische Mauritiuskirche in Alt-Saarbrücken, die nach den Plänen der Architekten Albert Dietz und Bernhard Grothe 1956 errichtet wurde. „Sie ist für uns ideal, hat eine Größe von rund 1400 Quadratmetern“, schwärmt Meystre. Ein Tanzzentrum dort könnte zudem Strahlkraft entwickeln in den Brennpunktstadtteil. In dieser Kirche mit ihren wunderschönen Boris-KleintFenstern und dem interessanten Grundriss gab es bis vor zwölf Jahren bereits eine Bühne, die die Musikhochschule für ihre Opernklasse nutzte und die auch beispielsweise vom Theaterfestival Perspectives bespielt worden war. Dann wurde sie aufgrund von Sicherheitsmängeln und fehlender Sanitäranlagen geschlossen.
Seitdem gammelt die Mauritiuskirche hinter Bauzäunen und Gestrüpp vor sich hin. Sehr zum Ärger der Alt-Saarbrücker (wir berichteten mehrfach) und des Landesdenkmalamtes. Die katholische Kirchengemeinde St. Jakob möchte die Kirche mit dem baufälligen Beton-Glockenturm, die Tausende pro Jahr allein an Unterhalt verschlingt, schon lange loswerden. Doch als Denkmal ist das Objekt schwer zu vermarkten, denn man darf es nicht abreißen und einfach etwas Neues bauen, wie es kommerzielle Investoren vorhaben. Und so klagte die Gemeinde gegen den Denkmalstatus (wir berichteten). Ende kommender Woche entscheidet das Oberverwaltungsgericht, ob der Denkmalschutz für die Kirche Bestand hat.
Die Tänzer hoffen, dass die Kirche ein Denkmal bleibt. Denn sollte der Status des Gebäudes so bleiben, dann wäre das Objekt für private Investoren, die dort ein Seniorenheim planten, uninteressant. Und sie selbst wären nach eigener Aussage im Rennen. „Wir sind bereits in Gesprächen mit der Gemeinde St. Jakob über mögliche Konditionen für einen Übernahme. Wir haben Unterstützung seitens der Politik und auch vom Bistum Trier“, versichert Meystre. Das Bistum möchte sich dazu erst äußern, wenn der Rechtsstreit vorbei ist. Die Stadtverwaltung „begrüßt das Vorhaben“und stellt institutionelle Förderung in Aussicht. Das Saarbrücker Architektenbüro Hepp und Zenner habe bereits die Bausubstanz geprüft. Der Bau sei in „erstaunlich gutem Zustand“, der Einbau einer Bühne, die Sanierung der Sanitäranlagen und die Einrichtung von Garderoben „ohne größere Eingriffe umsetzbar“, fasste der Tänzer die Ergebnisse einer ersten Begutachtung durch die Architekten zusammen.
Und auch der Abriss des Turmes – eine teure Angelegenheit – sei machbar und bezahlbar, sagt Meystre. Sollte der Denkmalstatus bestehen bleiben, wolle man im nächsten Schritt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Das Kulturministerium habe bereits signalisiert, dafür
Zuschüsse locker machen zu können, sagt Meystre.
Denn letztlich kommt es auf die Finanzierung an. Wie teuer würde der notwendige Abriss des Glockenturms werden? Wie viel kostet die Sanierung? Wie lange wird sie dauern? Über wie viele Jahre kann man sie strecken? Und ganz entscheidend: Aus welchen Fördertöpfen könnte das Tanzzentrum finanziert werden?
Auch darüber haben sich die Tänzer bereits Gedanken gemacht: „Über das Tanzpakt-Förderprogramm des Bundes könnte man bis zu 600 000 Euro bei einem Eigenanteil von 50 Prozent einwerben“, sagt Seraina Stoffel, die viele Jahre die Plattform-Studios in Saarbrücken leitete und die LAG Tanz mit aufgebaut hat. Man hofft auf Zuschüsse der Denkmalschutzstiftung, des
Landes und der Landeshauptstadt, auf Engagement privater Förderer, aber auch auf die Unterstützung durch das Bistum Trier.
Vorbild für ein Tanzzentrum in Saarbrücken könnte das „EinTanz-Haus“in Mannheim sein. Die Spielstätte für zeitgenössischen Tanz und interdisziplinäre Projekte wurde ebenfalls in einer denkmalgeschützten Kirche mitten in den Mannheimer Quadraten installiert. 2017 wurde das Haus aus künstlerischer Eigeninitiative heraus gegründet, um ein innovatives Zentrum mit professioneller Infrastruktur für freies Produzieren zu schaffen. Dieses Konzept will die saarländische Tanzszene, unterstützt von der Freien Kunstszene, auch an der Saar umsetzen.
Aber warum braucht es eine eigene Tanzbühne in Saarbrücken, wo doch gleichzeitig mit „Kulturgut Ost“am Osthafen ein großes Kreativ- und Kulturzentrum entstehen soll? „Dort ist einfach kein Platz für uns und eine große Bühne“, erklärt Samuel Meystre. Denn im Rhenania-Gebäude wird es zwar viele unterschiedliche Proberäume und Ateliers geben, aber eben kein Veranstaltungsort, wie ihn Tanzkünstler brauchen.
„Wir wollen die Kirche nicht auf einen Schlag umbauen, sondern in bausteinartigen Realisierungsschritten über mehrere Jahre“, erklärt Samuel Meystre. 2025 sollen die Räume soweit hergerichtet sein, dass man im Sommerbetrieb starten kann, so die Vision. Im Herbst ist eine Klausurtagung, organisiert vom Dachverband Tanz in Saarbrücken, geplant, um Finanzierungsfragen, bauliche Aspekte und künstlerische Konzepte zu diskutieren. Denn auch über mögliche Betreiberkonzepte hat sich die LAG Tanz, die selbst nicht über die nötigen Mittel verfügt, bereits Gedanken gemacht. Sollte das Oberverwaltungsgericht den Denkmalschutz für die Mauritiuskirche aufheben, wie es die Kirchengemeinde fordert, dann ist der Traum vom Tanzzentrum dort ausgeträumt. Am 21. März fällt die Entscheidung.