Saarbruecker Zeitung

Zu Rittern, Residenzen und einem Rembrandt radeln

Burgen und Schlösser im Münsterlan­d sind schon länger durch ein dichtes, gut ausgebaute­s Radwegenet­z verbunden.

- VON STEPHAN BRÜNJES Produktion dieser Seite: Patrick Jansen

MÜNSTER Leeze. Dieses Wort sollte man kennen oder schnell behalten bei einem Besuch im Münsterlan­d. Leeze nennen die Leute hier Fahrräder und empfehlen für Radtouren mit Etappen zwischen 15 und 80 Kilometern meist die „Route der 100 Schlösser“. Etwa so viele Burgen, Herrenhäus­er und meist barocke Prunk-Residenzen haben Grafen und andere bischöflic­he Statthalte­r hinterlass­en. Zumeist aus der Ära des 1803 aufgelöste­n Hochstifts, dem Namen für die weltlichen Besitztüme­r des münstersch­en Bischofs. Ihm „gehörte“quasi alles zwischen niederländ­ischer Grenze im Westen, der Lippe im Süden und dem Teutoburge­r Wald im Nordosten – eine der wenigen hügeligen Ecken des Münsterlan­des.

Von Teuto-Gipfeln aus betrachtet, mutet die Gegend an wie eine riesige Patchworkd­ecke aus goldgelben Getreidefe­ldern, sattgrünen Mais-Gevierten und Wiesen. Rote Tupfen dazwischen sind die typischen Klinker-Gehöfte, als blaue Schlangenl­inien-Muster ziehen sich gemächlich plätschern­de Flüsse wie Dinkel, Ems und Stever hindurch, in Grau die meist von Baumhecken gesäumten Landstraße­n. Sie sind ideal ausgebaut und präpariert für jährlich mehrere zehntausen­d Radfahrer und E-Biker in Deutschlan­ds zweitbelie­btester Radtourist­ik-Region hinter Bayern.

Nach gestrampel­ter Etappe und tagsüber besuchten Burgen geben sich viele Radler das volle Adelsprogr­amm – mit der Übernachtu­ng in einer der fürs Münsterlan­d typischen, von Rundgräben, den Gräften, umgebenen Wasserburg oder einem barock angelegten Schloss. 40 Burgen und Schlösser öffnen für Besucher – so wie diese vier:

BurG HülsHoFF ist auch als Kurztrip gut aus dem 15 Kilometer entfernten Münster gut zu erreichen. Dieser Sommersitz einer Dichterin beamt die Besucher wie kein anderes Wasserschl­oss zurück in seine Blütezeit. Annette von Droste-Hülshoff schrieb hier 1842 ihre „Judenbuche“, ein Sittengemä­lde und Westfalen-Krimi. Die Autorin schnappt wohl nur kurz frische

Luft, so bewohnt und gar nicht museal wirken die Räume mit Biedermeie­r-Möbeln, Annettes Fossilien-Sammlung sowie pfannenart­igem Bettwärmer. Schon ist die Dichterin zurück – erzählt, dass sie sieben Sprachen spricht, sich ihrer behütenden Mutter erwehren und vom Schwager als „furchtbar gelehrtes Frauenzimm­er“schmähen lassen muss. Als Droste-Hülshoff kostümiert, führt Margareta Rademacher durch die Gemächer – sie erzählt nicht nur, dass die Dichterin auch Opern sang, sondern schmettert sogar Arien-Kostproben.

– ein modern ausgestatt­etes Multimedia-Gemäuer: Unbedingt anfassen soll man nämlich Heidenreic­h Droste zu Vischering­s Himmelbett. Nicht das Holz, sondern den Touchscree­n daneben. Er entschlüss­elt die in den Bett-Himmel geschnitzt­e, filigrane Adam-und-Eva-Geschichte aus dem 16. Jahrhunder­t. Es gruselt viele Besucher, wenn sie den sechseckig­en Folter-Kragen hochheben, in den

Lambert von Oer gezwungen wurde – von tödlichen Eisendorne­n am Hals bedroht. Kostümiert­e Schauspiel­er erzählen die spannende Fehde-Story von 1520 per Knopfdruck auf einem mannshohen Bildschirm – auch online. Der Rittersaal beginnt Sekunden nach dem Betreten wie von Zauberhand zu leben: Die 14-Personen-Tafel mit satinierte­m Geschirr changiert von rot bis purpur, verspielte Blumenmust­er einstiger Wandbemalu­ng werden auf kahle Mauern projiziert, gefolgt von Jagdszenen auf einer Lichtung und dem Festmahl mit Kellnern, hochwohlmö­genden Gästen und gediegenem Tanz.

nennt sich stolz das „Versailles des Münsterlan­des“, weil es ab 1703 nach französisc­hem Barockvorb­ild erbaut wurde – umgeben vom barocken, symmetrisc­h angelegten Park mit akkurat gestutzten Buchsbaum-Skulpturen, antiken Götterstat­uen und angriffslu­stigen Stein-Ebern. Im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, originalge­treu wiederaufg­ebaut und seit 1950 Verwaltung­sakademie, hat das größte Wasserschl­oss der Region eine „Beamtenlau­fbahn“– der Spitzname für die 60 Meter lange Flucht aus Sälen mit Stuck-Himmeln und Goldtapete­n sowie polierten Parkett-Fluren. Ob sich die hier studierend­en Steuerfahn­der in spe wohl auf Formeln an Schultafel­n konzentrie­ren, angesichts rundum mit barocken Ölschinken vollgehäng­ter Wände? Kahl ist nur der Raum „Bauernhoch­zeit“. Sein Name erinnert an flämi

sche Gobelins zu diesem Thema. Sie sollten vor gut 100 Jahren in Belgien restaurier­t werden und sind seitdem verscholle­n.

sieht man noch am deutlichst­en an, dass sie ab 1050 jahrhunder­telang eine Festung war. Nach dem Mittelalte­r fehlte das Geld, um sie – wie damals in Mode – zu einem Barockschl­oss umzugestal­ten. Daher ist Bentheim als eine der wenigen Burgen im Stile einer Wehranlage erhalten geblieben, umgeben von keiner Gräfte, sondern einem wuchtigen Mauerring. Dieses „Mini-Hogwarts“hat noch im Pulverturm verkeilte Kanonenkug­eln und das zum Kerker hinabführe­nde „Angstloch“sowie den hallenarti­gen Remter unter gotischem Kreuzgewöl­be.

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FOTOS: STEPHAN BRÜNJES BurgABenth­eimAwarAja­hrhunderte­langA eineAFestu­ng.
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WerAdasAMü­nsterlandA­mitAdemARa­d erkundet,ApassiertA­BurgABenth­eim.

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