Zu Rittern, Residenzen und einem Rembrandt radeln
Burgen und Schlösser im Münsterland sind schon länger durch ein dichtes, gut ausgebautes Radwegenetz verbunden.
MÜNSTER Leeze. Dieses Wort sollte man kennen oder schnell behalten bei einem Besuch im Münsterland. Leeze nennen die Leute hier Fahrräder und empfehlen für Radtouren mit Etappen zwischen 15 und 80 Kilometern meist die „Route der 100 Schlösser“. Etwa so viele Burgen, Herrenhäuser und meist barocke Prunk-Residenzen haben Grafen und andere bischöfliche Statthalter hinterlassen. Zumeist aus der Ära des 1803 aufgelösten Hochstifts, dem Namen für die weltlichen Besitztümer des münsterschen Bischofs. Ihm „gehörte“quasi alles zwischen niederländischer Grenze im Westen, der Lippe im Süden und dem Teutoburger Wald im Nordosten – eine der wenigen hügeligen Ecken des Münsterlandes.
Von Teuto-Gipfeln aus betrachtet, mutet die Gegend an wie eine riesige Patchworkdecke aus goldgelben Getreidefeldern, sattgrünen Mais-Gevierten und Wiesen. Rote Tupfen dazwischen sind die typischen Klinker-Gehöfte, als blaue Schlangenlinien-Muster ziehen sich gemächlich plätschernde Flüsse wie Dinkel, Ems und Stever hindurch, in Grau die meist von Baumhecken gesäumten Landstraßen. Sie sind ideal ausgebaut und präpariert für jährlich mehrere zehntausend Radfahrer und E-Biker in Deutschlands zweitbeliebtester Radtouristik-Region hinter Bayern.
Nach gestrampelter Etappe und tagsüber besuchten Burgen geben sich viele Radler das volle Adelsprogramm – mit der Übernachtung in einer der fürs Münsterland typischen, von Rundgräben, den Gräften, umgebenen Wasserburg oder einem barock angelegten Schloss. 40 Burgen und Schlösser öffnen für Besucher – so wie diese vier:
BurG HülsHoFF ist auch als Kurztrip gut aus dem 15 Kilometer entfernten Münster gut zu erreichen. Dieser Sommersitz einer Dichterin beamt die Besucher wie kein anderes Wasserschloss zurück in seine Blütezeit. Annette von Droste-Hülshoff schrieb hier 1842 ihre „Judenbuche“, ein Sittengemälde und Westfalen-Krimi. Die Autorin schnappt wohl nur kurz frische
Luft, so bewohnt und gar nicht museal wirken die Räume mit Biedermeier-Möbeln, Annettes Fossilien-Sammlung sowie pfannenartigem Bettwärmer. Schon ist die Dichterin zurück – erzählt, dass sie sieben Sprachen spricht, sich ihrer behütenden Mutter erwehren und vom Schwager als „furchtbar gelehrtes Frauenzimmer“schmähen lassen muss. Als Droste-Hülshoff kostümiert, führt Margareta Rademacher durch die Gemächer – sie erzählt nicht nur, dass die Dichterin auch Opern sang, sondern schmettert sogar Arien-Kostproben.
– ein modern ausgestattetes Multimedia-Gemäuer: Unbedingt anfassen soll man nämlich Heidenreich Droste zu Vischerings Himmelbett. Nicht das Holz, sondern den Touchscreen daneben. Er entschlüsselt die in den Bett-Himmel geschnitzte, filigrane Adam-und-Eva-Geschichte aus dem 16. Jahrhundert. Es gruselt viele Besucher, wenn sie den sechseckigen Folter-Kragen hochheben, in den
Lambert von Oer gezwungen wurde – von tödlichen Eisendornen am Hals bedroht. Kostümierte Schauspieler erzählen die spannende Fehde-Story von 1520 per Knopfdruck auf einem mannshohen Bildschirm – auch online. Der Rittersaal beginnt Sekunden nach dem Betreten wie von Zauberhand zu leben: Die 14-Personen-Tafel mit satiniertem Geschirr changiert von rot bis purpur, verspielte Blumenmuster einstiger Wandbemalung werden auf kahle Mauern projiziert, gefolgt von Jagdszenen auf einer Lichtung und dem Festmahl mit Kellnern, hochwohlmögenden Gästen und gediegenem Tanz.
nennt sich stolz das „Versailles des Münsterlandes“, weil es ab 1703 nach französischem Barockvorbild erbaut wurde – umgeben vom barocken, symmetrisch angelegten Park mit akkurat gestutzten Buchsbaum-Skulpturen, antiken Götterstatuen und angriffslustigen Stein-Ebern. Im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, originalgetreu wiederaufgebaut und seit 1950 Verwaltungsakademie, hat das größte Wasserschloss der Region eine „Beamtenlaufbahn“– der Spitzname für die 60 Meter lange Flucht aus Sälen mit Stuck-Himmeln und Goldtapeten sowie polierten Parkett-Fluren. Ob sich die hier studierenden Steuerfahnder in spe wohl auf Formeln an Schultafeln konzentrieren, angesichts rundum mit barocken Ölschinken vollgehängter Wände? Kahl ist nur der Raum „Bauernhochzeit“. Sein Name erinnert an flämi
sche Gobelins zu diesem Thema. Sie sollten vor gut 100 Jahren in Belgien restauriert werden und sind seitdem verschollen.
sieht man noch am deutlichsten an, dass sie ab 1050 jahrhundertelang eine Festung war. Nach dem Mittelalter fehlte das Geld, um sie – wie damals in Mode – zu einem Barockschloss umzugestalten. Daher ist Bentheim als eine der wenigen Burgen im Stile einer Wehranlage erhalten geblieben, umgeben von keiner Gräfte, sondern einem wuchtigen Mauerring. Dieses „Mini-Hogwarts“hat noch im Pulverturm verkeilte Kanonenkugeln und das zum Kerker hinabführende „Angstloch“sowie den hallenartigen Remter unter gotischem Kreuzgewölbe.