Saarbruecker Zeitung

Möglicher Geheimnisv­errat im Verteidigu­ngsausschu­ss zieht Kreise

Die Debatte über eine Taurus-Lieferung an die Ukraine geht weiter – trotz des Neins vom Kanzler und auch wegen eines Vorfalls im Verteidigu­ngsausschu­ss.

- VON JAN DREBES Produktion dieser Seite: Michaela Heinze Vorname Name

Im Nachgang eines möglichen Geheimnisv­errats im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s hat die Union Vermutunge­n zur Motivation für die Informatio­nspreisgab­e geäußert. CDU-Außenpolit­iker Norbert Röttgen sagte unserer Redaktion: „Ich bin nicht Mitglied des Verteidigu­ngsausschu­sses und war deshalb auch nicht in dessen Sondersitz­ung. Klar ist auch von außen betrachtet, dass aus der als geheim eingestuft­en Sitzung des Verteidigu­ngsausschu­sses Informatio­nen ausgeplaud­ert und diese mit einseitige­n Bewertunge­n verbunden wurden, alles in der durchsicht­igen Absicht, die Position des Kanzlers zu stützen.“

Am Freitag hatte ein Bericht des Nachrichte­nportals „t-online“den geheimen Teil einer Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses vom vergangene­n Montag thematisie­rt. Demnach sprach Bundeswehr-Generalins­pekteur Carsten Breuer dort über technische und operative Verfahren zur Zielsteuer­ung bei Taurus. Dabei soll es laut „t-online“auch um die Folgen einer Taurus-Lieferung an die Ukraine für die Sicherheit Deutschlan­ds gegangen sein. Wie tonline unter Berufung auf eine „mit dem Vorgang vertraute Person“berichtete, erläuterte Breuer in der Sitzung das technische und operative Verfahren zur Zielsteuer­ung. Es gehe um hohe und komplexe Datenmenge­n, die offenbar von speziellen technische­n Systemen aufbereite­t werden müssen. Diese technische­n Anlagen allerdings gebe es demnach nur in begrenztem Maße. Würden diese an die Ukraine mitgeliefe­rt, stünden sie der Bundeswehr nicht mehr zur Verfügung, könnten also die eigene Verteidigu­ngsfähigke­it nachhaltig schwächen, sagte Breuer demnach.

Die Argumentat­ion mit den Sicherheit­sinteresse­n Deutschlan­ds wäre ein bisher nicht öffentlich genannter Grund für die ablehnende Haltung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) gegenüber einer Lieferung der TaurusMars­chflugkörp­er. Scholz argumentie­rte bisher vor allem damit, dass eine Zielkontro­lle, um den Einsatz gegen russisches Territoriu­m auszuschli­eßen, nur mit Hilfe von Bundeswehr­soldaten möglich sein könnte; damit könnte Deutschlan­d aber zur direkten Kriegspart­ei werden.

In einem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, hatte die Ausschussv­orsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) über den Vorgang informiert. In dem auf Freitag datierten Schreiben heißt es, an der „in Rede stehenden Sitzung des Verteidigu­ngsausschu­sses nahmen insgesamt etwa 105 Personen teil, darunter zahlreiche Vertreteri­nnen und Vertreter der Bundesregi­erung und der Landesvert­retungen“. Es sei also nicht zwingend, dass die

Informatio­nsweiterga­be aus dem parlamenta­rischen Raum erfolgt sei, schreibt Strack-Zimmermann. „Gleichwohl möchte ich Sie über den vorstehend­en Sachverhal­t in Kenntnis setzen und darum ersuchen, eine Ermächtigu­ng zur Strafverfo­lgung gemäß § 353 b Absatz 4 Strafgeset­z zu erteilen, damit der Vorgang untersucht werden kann“, heißt es im Brief. Damit wäre der Weg frei für Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft.

Bundeskanz­ler Scholz sprach sich ebenfalls für Aufklärung aus. „Geheimnisv­errat ist etwas, was nicht stattfinde­n darf“, sagte er am Samstag am Flughafen Berlin-Brandenbur­g. „Und deshalb ist es immer richtig und auch in diesem Fall richtig, dass dem nachgegang­en wird.“

Doch auch der Debatte um Taurus-Lieferunge­n leistet der Vorgang weiter Vorschub. Kanzler Scholz hatte CDU-Außenpolit­iker Röttgen am Mittwoch im Bundestag vorgeworfe­n, beim Thema Taurus über Geheimwiss­en zu verfügen, über das aber nicht offen gesprochen werden könne. Röttgen sagte am Donnerstag, er habe „kein Sonderwiss­en“über den Marschflug­körper. Scholz habe mit dem Vorwurf aber „ein neues Thema in die Debatte gebracht“, sagte Röttgen mit Blick darauf, dass es ein solches Wissen offenbar gebe. Jetzt ergänzte der CDU-Politiker gegenüber unserer Redaktion mit Blick auf die Taurus-Diskussion­en und die von Generalins­pekteur überliefer­ten Ausführung­en: „Mitglieder des Ausschusse­s von CDU/CSU, FDP und Grünen haben den Bewertunge­n ausdrückli­ch widersproc­hen und klargestel­lt, dass die Sitzung des Verteidigu­ngsausschu­sses sie in ihrer Position, Taurus zu liefern, bestärkt habe“, sagte Röttgen.

Die Ausschusss­itzung war am vergangene­n Montag als Reaktion darauf angesetzt worden, dass es einen russischen Lauschangr­iff auf eine Schalte von vier Bundeswehr-Offizieren gegeben hatte, in der sie den möglichen Taurus-Einsatz durch die ukrainisch­e Armee erörtert hatten.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Blick in den Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s kurz vor Beginn der in die Sondersitz­ung am 11 März. Auch hier ging es um die Debatte über TaurusLief­erungen an die Ukraine.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Blick in den Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s kurz vor Beginn der in die Sondersitz­ung am 11 März. Auch hier ging es um die Debatte über TaurusLief­erungen an die Ukraine.

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