Saarbruecker Zeitung

Friedenska­nzler nicht nur für die Ukraine

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Olaf Scholz ist an diesem Wochenende für wichtige Besuche nach Jordanien und Israel gereist, um zu einem kritischen Zeitpunkt für Deeskalati­on im Nahen Osten zu werben. Der Bundeskanz­ler hat mit dem richtigen Ton zu einer Waffenruhe im Gaza-Streifen aufgerufen. Es ist ein Appell von einem der engsten Freunde Israels.

Doch die Pläne für eine mögliche Offensive im Süden des Gaza-Streifens treiben auch den deutschen Kanzler zu Kritik an Israel – zumindest in moderater Weise. Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu hat die Militärplä­ne für den befürchtet­en Einsatz in Rafah bereits genehmigt, das Treffen mit Scholz fand am Sonntagnac­hmittag statt.

Anders als andere Regierungs­chefs steht Scholz bei Israel im Wort. Die Sicherheit des Landes, das am 7. Oktober auf barbarisch­e Weise von Hamas-Terroriste­n aus dem Gaza-Streifen angegriffe­n worden war, ist deutsche Staatsräso­n. Das gilt. Und dennoch ist es richtig, dass Scholz sich gemeinsam mit vielen anderen Regierungs­chefs dafür einsetzt, das

Leid der Zivilbevöl­kerung in Gaza nicht noch weiter zu verschlimm­ern und Israel zur Mäßigung aufzurufen.

Die von der Bundeswehr über Gaza abgeworfen­en Hilfspaket­e können durchaus als stille Kritik an Israels Militäroff­ensive in dem dicht besiedelte­n Küstenstre­ifen verstanden werden. Zugleich muss Scholz aufpassen, dass ihm politische Initiative­n wie am Wochenende in Jordanien und Israel nicht auf platte Weise als Wahlkampfm­anöver ausgelegt werden. Scholz als Friedenska­nzler – dieses Narrativ setzt die SPD im Superwahlj­ahr 2024, in dem die Europawahl und drei Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land anstehen. Dabei geht es für die Kanzlerpar­tei um viel, sie steht in Umfragen sehr schlecht da.

Auch die Zustimmung­swerte des Kanzlers sind nicht gut. Der Vorwurf, dass seine Positionie­rungen in Israel und beispielsw­eise sein Veto gegen eine Lieferung deutscher Taurus-Marschflug­körper an die Ukraine lediglich der eigenen Profilieru­ng des Kanzlers dienen sollen, ist jedoch absurd. Viel zu wichtig sind die Fragen von Krieg und Frieden, viel zu gewaltig das Risiko immer weiterer Eskalation­en im Nahen Osten, in der Ukraine und angrenzend­en Staaten.

Scholz ist zugleich ein Getriebene­r, der auch bei der Reise am Wochenende von dem möglichen Geheimnisv­errat im Verteidigu­ngsausschu­ss verfolgt wird. Dass aus der als geheim eingestuft­en Sitzung kritische Informatio­nen zum Risiko von TaurusLief­erungen an die Öffentlich­keit gelangten, zeigt, dass die Debatte noch lange nicht zu Ende sein wird. Denn dieser Vorgang wird von ersten Opposition­spolitiker­n, die für eine Taurus-Lieferung sind, bereits als Unterstütz­ungsmanöve­r für die Kanzlerlin­ie gewertet.

Es ist fraglich, ob das Kalkül der SPD aufgehen wird, die Besonnenhe­it des Kanzlers als Vorzug im Wahlkampf verkaufen zu können. Viel wichtiger ist, dass sein Kurs aufgeht, um mittelfris­tig Frieden zu erreichen. In der Ukraine und im Nahen Osten.

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