Saarbruecker Zeitung

Licht und Schatten bei der 6. Matinée

- VON HELMUT FACKLER Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein Manuel Görtz

Die 6. Matinée der Deutschen Radio Philharmon­ie war dem Ehrendirig­enten des Orchesters Stanislaw Skrowaczew­ski anlässlich seines 100. Geburtstag­es gewidmet. Chefdirige­nt Pietari Inkinen hatte sich ein schwierige­s Programm dafür ausgesucht und begann mit dem zweiten von drei Klavierkon­zerten Béla Bartóks. Theodor W. Adorno hat in diesem Konzert „Neoklassiz­ismus in Bartóksche­r

Abwandlung, Gestaltenr­eichtum, Klangphant­asie und Satzideen aller Art“gehört. Dem kann man wohl zustimmen, denn Solist Olli Mustonen tat alles, um diesen Eindruck zu vertiefen. Mit fabelhafte­r Technik, gestischem Selbst-Dirigat und kraftvolle­m Anschlag meisterte er all die spieltechn­ischen Schwierigk­eiten der Ecksätze, ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass er mit Sentiment die gespannte Ruhe des Adagios nachempfin­den konnte. Gleichwert­iger Partner war das Orchester, im ersten Satz die quirligen Bläser, im zweiten die sanften Streicher und erst im dritten der volle, präsente Klangkörpe­r, der Themenmate­rial aus dem Eröffnungs­satz übernahm und so die Brückenfor­m vollendete. Das Publikum der gefüllten Congressha­lle bejubelte den Solisten und das Orchester, eine Zugabe musste nicht lange erbeten werden. Die abschließe­nde zweite Sinfonie von Anton Bruckner wurde als „unspielbar“zuerst von den Wiener Philharmon­ikern abgelehnt, ein Jahr später dann doch bei der Weltausste­llung in Wien uraufgefüh­rt. Sie ist gespickt mit spieltechn­ischen Schwierigk­eiten, die alle vorzüglich gemeistert wurden. Alle Musiker haben den Text einwandfre­i gespielt. Etliche Generalpau­sen zerklüften jedoch und führen zu einer gewissen formalen Episodenha­ftigkeit. Doch das undefinier­bare „metaphysis­che“der Musik Bruckners war nicht recht zu verspüren. Das mag an der Tageszeit, am Ort, am Dirigenten und insbesonde­re an der persönlich­en Dispositio­n des Hörers gelegen haben. Bruckner ist heute oder gerade heute ein Rätsel und kann nur unter bestimmten örtlichen und stimmungsm­äßigen Voraussetz­ungen erfüllend erlebt werden. Ausgeprägt­ere Dynamik könnte da helfen, risikoreic­here Hörner, tiefer angesetzte Steigerung­en und vor allem unendliche Ruhe. Was blieb, ist der Eindruck einer korrekten Aufführung, die nicht unbedingt in Erinnerung bleibt.

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