Saarbruecker Zeitung

Wie der Fuchs die Macht des Tigers nutzte

Autorin Julia Donaldson ließ sich laut eigener Aussage von einem chinesisch­en Volksmärch­en inspiriere­n.

- Produktion dieser Seite: Isabelle Schmitt, Michael Emmerich

(nbo) „Das Buch sollte von einem Tiger handeln, aber ich konnte nichts auf ‚Tiger` reimen, also beschloss ich, ein imaginäres Monster zu erschaffen, dessen Name sich auf ‚Oh Hilfe, oh nein!` (im Original „Oh help, oh no!“, Anm. d. Red.) reimen konnte.“So beschreibt die Autorin Julia Donaldson den Geistesbli­tz, aus dem der englische Ursprungsn­ame des Grüffelo, Gruffalo, entstand.

Wirft man einen Blick in Richard Wilhelms Veröffentl­ichung „Chinesisch­e Volksmärch­en“, entdeckt man das Märchen „Der Fuchs und der Tiger“. Dort will ein Tiger einen Fuchs fressen. Diesem gelingt es aber, seinen Kontrahent­en auszutrick­sen. Der Fuchs sagt: „Wenn die Menschen mich sehen und sich nicht fürchten, dann mögt Ihr mich fressen.“Er lässt den Tiger aber hinter sich herlaufen.

Dieser lässt sich darauf ein und flüchtet ehrfürchti­g vor dem Fuchs, nachdem entgegenko­mmende Wanderer vor Schreck das Weite suchten – der listige Fuchs nutzte in Wahrheit die Macht des Kontrahent­en zu seinen Gunsten.

Die Handlung der Fabel weist einige Parallelen zu der des Grüffelo auf. So ist die Maus mit dem Fuchs gleichzuse­tzen. Beide geraten in eine Notlage, aus der sie sich mit einem Trick befreien können. Die Waldtiere in der Grüffelo-Geschichte stellen zunächst wie der Tiger in der chinesisch­en Fabel die Bedrohung dar. Der von der Maus erfundene Grüffelo ist die personifiz­ierte List, die auch der Fuchs an den Tag legt.

Vielmehr nutzt die Maus gegen Ende der Grüffelo-Erzählung, als der eigentlich nur ausgedacht­e Grüffelo real und zur Bedrohung wird, den gleichen Trick gegen ihn wie ihn der Fuchs gegen den Tiger nutzt. Aus den Waldtieren, die vorher eine Gefahr darstellte­n, wird dann das Äquivalent zu den flüchtende­n Wanderern aus der chinesisch­en Fabel.

 ?? FOTO: BARBIAN ?? Der Kopf hinter dem Grüffelo: Julia Donaldson machte im Rahmen einer Lesereise im Dezember 2006 auch Stopp im Saarbrücke­r Domicil Leidinger. Bei der Geschichte zu ihrem Bestseller ließ sie sich von einem chinesisch­en Volksmärch­en inspiriere­n.
FOTO: BARBIAN Der Kopf hinter dem Grüffelo: Julia Donaldson machte im Rahmen einer Lesereise im Dezember 2006 auch Stopp im Saarbrücke­r Domicil Leidinger. Bei der Geschichte zu ihrem Bestseller ließ sie sich von einem chinesisch­en Volksmärch­en inspiriere­n.

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