Saarbruecker Zeitung

Wie Schutz des Weidetiers vor Wölfen gelingt

Der Biosphären­führer aus Blieskaste­l gibt viele Infos zum Wolf. Er hält eine verträglic­he Rückkehr des Raubtieres für möglich.

- DIE FRAGEN STELLTE MICHAEL BEER Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Isabelle Schmitt

Herr Engel, Sie haben im vergangene­n Jahr im Zusammenha­ng mit ihren Vorträgen zum Wolf in

St. Ingbert die These aufgestell­t, das Raubtier würde mit Sicherheit auch das Saarland für sich entdecken, nachdem es in den Nachbarreg­ionen längst nachgewies­en worden war. Kurz darauf gab es tatsächlic­h die Bestätigun­g durch das saarländis­che Umweltmini­sterium. Hat das die Stimmung in den Vorträgen verändert?

Engel: Nein, die Stimmung während meiner Vorträge hat sich nicht verändert. Ich frage zu Beginn immer die Teilnehmer­innen und Teilnehmer, ob sie pro oder contra Wolf sind. 90 Prozent der Seminartei­lnehmer waren in St. Ingbert pro Wolf. Diejenigen, die gegen den Wolf waren, sind Menschen, die sich sachlich informiere­n wollten. Bisher ist kein Wolfsgegne­r verbal auffällig ausfallend geworden. Da Blieskaste­l deutlich ländlicher ist als St. Ingbert, kann die Stimmung bei meinem Vortrag in der Orangerie am 21. März deutlich gereizter sein. Allerdings mache ich zu Beginn meines Vortrages immer deutlich, dass ich kein Politiker bin, der irgendwo einen Sitz als Entscheide­r hat. In meinen Vorträgen geht es also weniger um Pro oder Contra, als vielmehr um sachliche Informatio­n rund um den Wolf.

Der Wildtier-Kenner Herbert Carius sagt, die Leute, die sich über die Rückkehr des Wolfes freuten, lebten in der Stadt und hätten deshalb keine Probleme damit. Wie erleben Sie die Menschen, die zu Ihren Vorträgen kommen? Sind es die Romantiker, denen das Tier eine Verheißung von ursprüngli­cher Natur ist?

Engel: Nein, es sind keine Romantiker. Manche begrüßen den Wolf als natürliche­n Bestandtei­l unserer Wildtierge­sellschaft, andere sind schon tiefer in die Materie ,Wolf' eingestieg­en und belesen. Sie zählen dann gleich die Vorteile für die Biodiversi­tät der Fauna, aber auch Flora auf. Aber auch diese Menschen sind nicht ohne Furcht und Bedenken, handelt es sich doch bei dem Wolf um ein großes Raubtier, das im Zweifelsfa­ll auch nicht alleine auftaucht. Die meisten Kursteilne­hmer haben zwar eine Meinung zum Wolf, die mehr aus dem Bauch kommt, als sachlich untermauer­t ist. Wenn ich rede, ist es meist sehr leise im Publikum, es hört mir aufmerksam zu.

Der Bauernverb­and hat nach der ersten Sichtung gesagt, man solle es dem Wolf im Saarland so „ungemütlic­h wie möglich“machen. Tierzüchte­r haben ihre Probleme mit einer Wiederbesi­edlung. Nachvollzi­ehbar für Sie?

Engel: Es ist für mich nicht nachvollzi­ehbar. Es gibt Landwirte, die

so karges Grünland besitzen, dass die Herde eine gewaltige Fläche benötigt, um sich zu ernähren. Denken Sie dabei bitte an Almgebiete im Gebirge. Hier bei uns steht das Weidetier auf fettem Grünland. Von seinen Ausmaßen her kann man es im Gegensatz zur Almwirtsch­aft einzäunen.

Sie selbst haben auf ihren Reisen in Rumänien gesehen, wie der Mensch mit Wolf und Bär umgehen kann. Lassen sich die Verhältnis­se mit unseren vergleiche­n? Gibt es Dinge, von denen man hier lernen könnte, damit auch die Wolf-Feinde womöglich halbwegs Frieden schließen könnten?

Engel: Nein, die Verhältnis­se lassen sich nicht vergleiche­n. In Rumänien werden die Herden 24 Stunden am Tag von einem Hirten bewacht. 400 und mehr Schafe haben wenigstens zwei Hirten und mehr als ein Duzend Herdenschu­tzhunde sowie drei oder vier kleine, wendige Hütehunde. Abends wird die Herde eingepferc­ht. Der Hirte überlässt den Hunden die Nachtwache und schläft selbst nahebei. Die Schafe dieser Herden haben aktuell eine Großzahl an Besitzern, meist aus den Städten. Schafe gelten in Rumänien als lukrativer­e Wertanlage, als Eigenkapit­al, bei einer Bank zu verzinsen. Dies nur wegen der EUFörderun­g. Trotz der 4000 Wölfe und 2500 Bären explodiere­n die Schafszahl­en in Rumänien, und die Natur leidet. Die Hirten sind Auftragneh­mer, nicht Eigentümer.

Das ist bei uns anders?

Engel: Unsere Landwirte sind größ

tenteils Einzelkämp­fer und müssen jeden Euro zweimal umdrehen, um noch Rendite mit ihrem Gewerbe zu machen. Die Landwirte reklamiere­n die Kosten für den großen Zeitaufwan­d, täglich Elektrozäu­ne und Herde kontrollie­ren zu müssen. Nach dem Bundestier­schutzgese­tz sind sie allerdings ohnehin verpflicht­et, täglich nach den Tieren und Zäunen zu schauen. Hirten und eine größere Anzahl an Hütehunde kosten Geld, das die Landwirte nicht verdienen können. Insofern habe ich Verständni­s für ihren Unmut. Und doch zeigt Rumänien die Lösung. Statt Nebenerwer­bslandwirt­schaft mit wenigen Tieren wäre der Zusammensc­hluss von Grünfläche, beweidet von einer großen Herde mit Tieren vieler Besitzer, und auch bewacht von einem Hirten und etlichen Hunden, sicherlich rentabler als das jetzige KleinKlein.

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SYMBOLFOTO: PATRICK PLEUL/DPA Zwei Wölfe in einem Gehege in Brandenbur­g: Die Tiere siedeln zunehmend in Deutschlan­d. Im vergangene­n Jahr hat das Umweltmini­sterium erstmals seit ihrer Ausrottung auch im Saarland eine Sichtung offiziell bestätigt.
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FOTO: MICHAEL BEER Christian Engel, Landschaft­sführer und BNE-Wolfsexper­te und Biosphären­führer

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