Was Pistorius in Polen erreichen will
Bundesaußenminister Boris Pistorius stattet seinem polnischen Amtskollegen einen Besuch ab – am Tag vor einem weiteren wichtigen Treffen auf der US-Basis Ramstein. Es geht um die Unterstützung der Ukraine. Zuletzt hatte es Differenzen zwischen Deutschland
Bevor es um Artilleriegeschosse, Soldatenausbildung und vielleicht um deutsche Marschflugkörper geht, sieht das Programm Kultur vor. Boris Pistorius (SPD) besucht das Museum der Geschichte der Polnischen Juden in Warschau.
Es steht an dem Ort, wo einst das Warschauer Ghetto war. Das Mahnmal für den niedergeschlagenen Ghetto-Aufstand von 1943 auf dem Platz vor dem Museum wurde zum Symbol deutsch-polnischer Aussöhnung, als dort vor gut 53 Jahren der damalige Kanzler Willy Brandt (SPD) auf die Knie fiel. Verteidigungsminister Pistorius macht sich am Montagvormittag im Museum ein Bild davon, wie lange die jüdische Geschichte in Europa und speziell in Polen zurückreicht. Welchen Leidensweg polnische Juden hinter sich haben, was Krieg und Verfolgung für sie bedeuteten. Als Pistorius dann am frühen Nachmittag auf seinen Amtskollegen Wladyslaw Kosiniak-Kamysz in dessen Residenz vor den Toren Warschaus trifft, geht es vor allem um den aktuellen Krieg in Europa. Die Ukraine ist Polens Nach
barland, Russlands Angriffskrieg tobt dort seit mehr als zwei Jahren. Und aktuell sieht es nicht gut aus für die ukrainischen Verteidiger. Die Munition wird knapp, Russland verfügt über mehr Soldaten und Waffennachschub. Die Ukraine ist angewiesen auf deutlich mehr Unterstützung der westlichen Verbündeten.
Doch zuletzt hatte es erhebliche Spannungen im Kreis der Bündnis
partner gegeben. Das sogenannte Weimarer Dreieck – also Deutschland, Frankreich und Polen – war sich beispielsweise uneins über die Entsendung von Bodentruppen. Die Bundesregierung, allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Verteidigungsminister Pistorius lehnen dies ab, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich hingegen offen für eine solche
Option gezeigt – und aus Polen gab es unterschiedliche Signale. Ein Treffen von Scholz, Macron und Polens neuem Ministerpräsidenten Donald Tusk am vergangenen Freitag in Berlin sollte die Wogen glätten, Einigkeit zeigen. Fragen waren bei dem anschließenden Statement vor der Presse nicht zugelassen.
Pistorius und Kosiniak-Kamysz nehmen sich am Montag hingegen
Zeit für Journalistenfragen. Sie wollen einen Schulterschluss demonstrieren, denn bereits am nächsten Tag steht ein wichtiges Treffen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz an.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte die sogenannte Ukraine-Kontaktgruppe zu dem weiteren Treffen auf die größte US-Airbase außerhalb der Vereinigten Staaten eingeladen. Verteidigungsminister und Militärs wollen dort über die anhaltende Krise in der Ukraine sowie Sicherheitsfragen beraten. Pistorius und Kosiniak-Kamysz wollen dabei Seite an Seite auftreten.
Das war zuletzt nicht immer so. In den vergangenen Jahren hatte es zwischen Berlin und der Regierung der rechtsnationalistischen PiS-Partei viele Spannungen gegeben, auch mit Blick auf die Ukraine-Hilfen. Nach der Regierungsübernahme der pro-europäischen Koalition von Ministerpräsident Tusk stehen die Zeichen nun wieder auf Annäherung.
Beide Verteidigungsminister positionieren sich am Montag sehr klar zu aktuellen Debatten. Der Option von Bodentruppen erteilen sie eine Absage. Und bei der Unterstützung der ukrainischen Armee im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen gehe es nicht nur darum, solche Munition zu liefern, die „irgendwo aufzutreiben ist“, sagt etwa Pistorius. Vielmehr solle auch in Deutschland, Polen und anderen Ländern die Produktion hochgefahren werden. Daran wollten Berlin und Warschau gemeinsam mit der Industrie beider Länder arbeiten, sagt der deutsche Minister. Er unterstreicht bei der Pressekonferenz auch die Bedeutung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in der Sicherheitsund Verteidigungspolitik sowie bei der Unterstützung der Ukraine allgemein. Diese „Verbundenheit“sei besonders wichtig angesichts der täglichen Versuche Russlands, „den Westen zu spalten und auseinanderzutreiben“, so Pistorius.
Und noch etwas macht er klar: Von einem sogenannten Einfrieren des Ukraine-Kriegs hält er nichts. „Es würde am Ende nur Putin helfen“, sagt Pistorius. Es sei zwar eine Position, die man vertreten könne, um sich für den Frieden auszusprechen. „Aber einen Diktatfrieden darf es nicht geben und keinen Frieden, der dazu führt, oder einen Waffenstillstand oder ein Einfrieren, bei dem Putin am Ende gestärkt herausgeht und den Konflikt fortsetzt, wann immer es ihm beliebt.“Damit rückt Pistorius von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ab, der ein Einfrieren als Option ins Gespräch gebracht hatte. Auch Polens Verteidigungsminister Kosiniak-Kamysz hält von einem solchen Vorgehen nichts. Bei so viel Einvernehmen zwischen den Ministern stört es auch kaum, dass Journalisten das Ende der Beratungen zwischen Pistorius und Kosiniak-Kamysz mithören konnten, als die DolmetscherGeräte im Raum der Pressekonferenz das Gespräch der beiden Verteidigungsminister bereits übertrugen.
Nach der Regierungsübernahme der proeuropäischen Koalition von Ministerpräsident Donald Tusk stehen die Zeichen zwischen Deutschland und Polen nun wieder auf Annäherung.