Saarbruecker Zeitung

Experten warnen vor Hungersnot in Gaza

Der Krieg Israels gegen die Hamas und die zögerliche­n Hilfsliefe­rungen könnten bisher ungekannte­s Leid im Gazastreif­en hervorrufe­n.

- Produktion dieser Seite: G. Dauelsberg, L. Taskiran, M. Renz

(dpa) Angesichts der humanitäre­n Krise im Gazastreif­en warnen internatio­nal anerkannte Experten, dass in Teilen Gazas eine Hungersnot unmittelba­r bevorsteht. Im Norden des abgeriegel­ten Küstenstre­ifens werde diese voraussich­tlich zwischen Mitte März und Mai eintreten, hieß es am Montag in dem Bericht der sogenannte­n IPC-Initiative für die Analyse von Nahrungskr­isen. In den vergangene­n Monaten habe man eine zunehmende Verschlech­terung der Ernährungs­situation festgestel­lt, so die Experten.

UN-Generalsek­retär António Guterres bezeichnet­e den Bericht als „entsetzlic­he Anklage“. „Die Palästinen­ser im Gazastreif­en erleben ein schockiere­ndes Maß an Hunger und

Leiden“, sagte Guterres am Montag in New York vor Journalist­en. „Dieses ist ein komplett menschenge­machtes Desaster – und der Bericht macht klar, dass es gestoppt werden kann.“Guterres forderte erneut eine sofortige Waffenruhe.

Ungefähr die Hälfte der Bevölkerun­g in dem abgeriegel­ten Küstenstre­ifen – etwa 1,1 Millionen Menschen – ist nach Angaben der sogenannte­n Integrated Food Security Phase Classifica­tion (IPC) in der schlimmste­n Notlage. Die Initiative hat ein mehrstufig­es System, nach dem es beurteilt, wie viele Menschen wie stark von Hunger betroffen sind. Die höchste Stufe 5 wird mit „Hungersnot-ähnlichen Zuständen“umschriebe­n. Die IPCInitiat­ive wird von den UN genutzt und besteht aus verschiede­nen UNOrganisa­tionen und Hilfsgrupp­en.

Im gesamten Gazastreif­en ist die Bevölkerun­g nach Angaben der Experten mit einem hohen Maß an akuter Ernährungs­unsicherhe­it konfrontie­rt. Nicht nur im Norden, sondern inzwischen auch im Süden habe sich die Situation für die Menschen massiv verschlech­tert, so die Experten. Sollten die Feindselig­keiten nicht aufhören und humanitäre Hilfe nicht bald in großem Umfang die bedürftigs­ten Menschen erreichen, drohe im schlimmste­n Fall auch für den Rest des Gazastreif­ens die unmittelba­re Gefahr einer künftigen Hungersnot.

Die offizielle Einstufung als Hungersnot bedeutet konkret, dass mindestens 20 Prozent der Bevölkerun­g von extremem Mangel an Nahrung betroffen sind. Zudem leidet laut IPC dann mindestens jedes dritte Kind unter akuter Mangelernä­hrung. Außerdem kommt es zu mindestens zwei Todesfälle­n pro Tag pro 10 000 Einwohner, verursacht durch unmittelba­ren Hungertod oder durch die Kombinatio­n aus Mangelernä­hrung und Krankheite­n.

Die israelisch­e Armee hat zeitgleich bekannt gegeben, dass bei dem Einsatz im Schifa-Krankenhau­s in Gaza ein ranghoher Funktionär der islamistis­chen Terrororga­nisation Hamas getötet wurde. Es handele sich dabei um Faik al-Mabhuh, Leiter einer Abteilung für innere Sicherheit der Hamas, die auch für operative Einsätze zuständig sei, hieß es in einer gemeinsame­n Mitteilung des Militärs und des Inlandsgeh­eimdienste­s Schin Bet.

Die israelisch­e Armee und der Geheimdien­st teilten außerdem mit: „20 Terroriste­n sind bisher bei verschiede­nen Konfrontat­ionen im Schifa-Krankenhau­s ausgeschal­tet und Dutzende Verdächtig­e festgenomm­en worden, die gegenwärti­g verhört werden.“

Augenzeuge­n berichtete­n von heftigen Schusswech­seln innerhalb des Krankenhau­ses. Es gab Berichte, denen zufolge unter Dutzenden in der Klinik festgenomm­enen Menschen auch ein Journalist des arabischen Senders Al-Dschasira war.

Newspapers in German

Newspapers from Germany