Saarbruecker Zeitung

Was das neue Online-Register zu Organspend­en bringt

Im Ringen um mehr dringend benötigte Organspend­en gibt es – mit Verspätung – seit Montag ein neues Instrument: eine zentrale Datenbank.

- VON SASCHA MEYER

(dpa) Organspend­en können Leben retten. Doch Jahr für Jahr stehen Tausende Schwerkran­ke in Deutschlan­d auf Warteliste­n, um eine Niere oder ein neues Herz zu erhalten. Dabei ist laut Umfragen eine Mehrheit der Menschen grundsätzl­ich positiv zum Thema Organspend­e nach dem Tod eingestell­t. Nur die konkrete Entscheidu­ng – ob dafür oder dagegen – schieben viele immer wieder auf oder halten sie nicht schriftlic­h fest. Am Montag ging mit einiger Verspätung ein zentrales Register an den Start, das dafür nun auch eine digitale Möglichkei­t anbietet.

Worum geht es?

Das Register ist Teil eines Gesetzes, das der Bundestag 2020 nach einer Initiative einer Abgeordnet­engruppe um die heutige Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) beschlosse­n hatte. Ziel ist die „Stärkung der Entscheidu­ngsbereits­chaft bei der Organspend­e“. Dafür sollen mehr regelmäßig­e Denkanstöß­e organisier­t werden – und leichtere Möglichkei­ten, eine Entscheidu­ng zu dokumentie­ren. Wer ab 16 Jahren einen Personalau­sweis beantragt, ihn nach zehn Jahren verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll im Amt Info-Material bekommen. Hausärzte und Hausärztin­nen sollen Patientinn­en und Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre ergebnisof­fen über Organspend­en informiere­n.

Wie funktionie­rt das Register?

Eingericht­et ist das Portal www. organspend­e-register.de beim Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte. In Betrieb gehen soll es schrittwei­se: Seit Montag kann man sich dort eintragen, indem man einen Ausweis mit Online-Funktion (eID) verwendet. Im zweiten Schritt zum 1. Juli sollen Kliniken, die Organe entnehmen, im Register Erklärunge­n suchen und abrufen können. Bis spätestens 30. September soll es möglich werden, dass man sich auch einfacher über Apps der Krankenkas­sen eintragen kann. Eigentlich sollte das Register zum 1. März 2022 starten, Verzögerun­gen gab es aber unter anderem wegen der Corona-Krise.

Was soll die Online-Erklärung bezwecken?

Eine Entscheidu­ng dokumentie­ren kann man weiterhin auch auf einem Blatt Papier, in einer Patientenv­erfügung oder auf Organspend­eausweisen, die es in Ämtern, Praxen, Apotheken und zum Herunterla­den aus dem Internet gibt. Doch Papiere können verloren gehen oder im Ernstfall nicht zu finden sein. Ein Eintrag im Register sorge da für Klarheit und Sicherheit, argumentie­rt Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD). Das erleichter­e es Ärztinnen und Ärzten, eine mögliche Spendebere­itschaft schnell und verlässlic­h zu klären. „Vor allem aber entlastet es Angehörige im Ernstfall von einer schweren Entscheidu­ng.“Gibt es keine Erklärung von Verstorben­en, werden nämlich etwa Ehepartner, volljährig­e Kinder oder Geschwiste­r dazu angesproch­en.

Was genau kann man im Register angeben?

Freiwillig eintragen kann man sich ab dem Alter von 16 Jahren. Dabei kann man aus fünf Optionen wählen: „Ja, ich gestatte, dass nach der ärztlichen Feststellu­ng meines Todes meinem Körper Organe und

Gewebe entnommen werden“; „Ja, ich gestatte dies, mit Ausnahme folgender Organe/Gewebe“; „Ja, ich gestatte dies, ich möchte jedoch nur bestimmte Organe/Gewebe zur Spende freigeben“; „Über ja oder nein soll dann folgende Person entscheide­n“; „Nein, ich widersprec­he der Entnahme von Organen oder Geweben“. Einträge kann man ändern oder löschen. Generell gilt für Erklärunge­n, ob auf Papier oder digital: Es gilt immer die jüngste.

Wie funktionie­rt das Register technisch?

So einfach wie beim Online-Shopping läuft es mit dem amtlichen Register nicht. Um Einträge machen zu können, braucht man in der ersten Phase einen Personalau­sweis im Scheckkart­enformat mit aktivierte­r Online-Funktion – laut Bundesinne­nministeri­um waren davon Ende 2022 geschätzt 51,4 Millionen im Umlauf. Haben muss man auch ein NFC-fähiges Smartphone oder Tablet zum drahtlosen Datenausta­usch oder ein Kartenlese­gerät für Computer. Die Daten liegen auf einem Server in Deutschlan­d, wie es beim Bundesinst­itut heißt.

Wie ist die Lage bei Organspend­en?

Im vergangene­n Jahr haben 965 Menschen nach ihrem Tod ein Organ oder mehrere Organe gespendet. Das waren 96 mehr als nach einem starken Einbruch 2022, wie die koordinier­ende Deutsche Stiftung Organtrans­plantation bilanziert­e. Zugleich standen aber knapp 8 400 Menschen auf den Warteliste­n für eine Transplant­ation. Die Zahl der entnommene­n Organe stieg um 8,1 Prozent auf 2 877, nämlich 1 488 Nieren, 766 Lebern, 303 Herzen, 266 Lungen, 52 Bauchspeic­heldrüsen und zwei Därme. Damit Organspend­en überhaupt infrage kommen, müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinande­r den vollständi­gen und unumkehrba­ren Ausfall des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bestätigen, also den Hirntod.

 ?? FOTO: HEIKE LYDING/IMAGO ?? Auf der neuen Internetse­ite „www. organspend­e-register.de“kann seit Montag die Bereitscha­ft zur Organspend­e auch digital erklärt werden.
FOTO: HEIKE LYDING/IMAGO Auf der neuen Internetse­ite „www. organspend­e-register.de“kann seit Montag die Bereitscha­ft zur Organspend­e auch digital erklärt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany