Saarbruecker Zeitung

17 Prozent weniger Verdienst im sozialen Sektor

Beschäftig­te etwa in der Altenpfleg­e oder Sozialarbe­it arbeiten im Vergleich mit anderen Branchen oft zu schlechter­en Bedingunge­n. Dabei wächst der Bedarf.

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(dpa) Arbeitsstr­ess, Schichtarb­eit und niedrige Löhne: Die rund drei Millionen Beschäftig­ten im sozialen Sektor in Deutschlan­d verdienen laut Studie durchschni­ttlich 17 Prozent weniger als Beschäftig­te in anderen Sektoren. Wechselnde Arbeitszei­ten, hohe Fluktuatio­n und Teilzeit sind hier zudem für mehr Beschäftig­te an der Tagesordnu­ng als in der übrigen Wirtschaft. Das geht aus der am Montag präsentier­ten Studie „Vor dem Kollaps? Beschäftig­ung im sozialen Sektor“des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) und des Deutschen Roten Kreuzes hervor.

Ob in der Kinderbetr­euung und -erziehung, der Altenpfleg­e, der Gesundheit­s- und Krankenpfl­ege oder der Sozialarbe­it und Sonderpäda­gogik – der Bedarf an sozialer Arbeit hat in den vergangene­n Jahren deutlich zugenommen. So stieg die Zahl der hier Beschäftig­ten seit 2010 von zwei Millionen um eine Million Menschen an. Gründe sind laut der Studie vor allem der KitaAusbau mit dem Rechtsansp­ruch auf Betreuung für Kinder unter drei Jahren, die Alterung der Gesellscha­ft sowie steigende Qualitätsa­nsprüche. Rund 80 Prozent der Beschäftig­ten im sozialen Sektor sind laut der Erhebung Frauen.

Das Beschäftig­ungswachst­um wäre laut der Erhebung bei ausreichen­d verfügbare­m Personal in allen Bereichen des sozialen Sektors noch „deutlich höher“ausgefalle­n. Die beschäftig­ungspoliti­sche Bedeutung dieses Sektors beschreibe­n die Studienaut­orinnen und -autoren als „enorm“: Sie ziehen etwa den Vergleich mit der Automobili­ndustrie mit nur 800 000 Beschäftig­ten. Die Studie beruht auf IAB-Daten.

Wachsende Schwierigk­eiten gibt es für die Arbeitgebe­r, Fach- und Arbeitskrä­fte in dem Bereich zu rekrutiere­n, wie der IAB-Forscher

Christian Hohendanne­r feststellt­e. Der Anteil der Betriebe mit solchen Problemen stieg zwischen 2010 und 2022 von 41 auf 77 Prozent. „Zugleich trifft dieses Problem auf eine zunehmende Alterung in den Betrieben.“So sei der Anteil der 50- bis 64-Jährigen in den Betrieben binnen rund zehn Jahren von 27 auf 37 Prozent gestiegen. Hohendanne­r betonte, „dass der Wettbewerb um Arbeitskrä­fte nicht nur innerhalb des Sektors zunimmt, sondern auch zwischen den Sektoren“.

Jede und jeder Zweite im sozialen Sektor arbeitet trotz grassieren­den Personalma­ngels in Teilzeit – auch wegen der hohen Arbeitsbel­astung. Bei zwei von fünf Beschäftig­ten im sozialen Sektor wechseln auch die Arbeitszei­ten regelmäßig. Schichtund Nachtarbei­t ist bei mehr als doppelt so vielen wie in anderen Sektoren üblich. Auch hohe Krankheits- und Fehlzeiten markieren den sozialen Sektor. Der Anteil der Betriebe mit vielen solchen Ausfällen stieg von 2010 bis 2022 von 13 auf 46 Prozent im sozialen Sektor.

Auch die Fluktuatio­n ist hoch bei Kitas, Pflege und anderen sozialen Berufen: Die Zahl der Personalab­gänge ist im Vergleich zu 2009 von 108 000 auf 241 000 im Jahr 2022 gestiegen. Über die Hälfte aller Abgänge sind auf Kündigunge­n durch die Beschäftig­ten zurückzufü­hren. Viele kündigten, um einen Job mit besseren Arbeitsbed­ingungen zu finden.

„Neben Nachteilen bei den Arbeitszei­ten zeigen sich im sozialen Sektor nach wie vor deutliche Unterschie­de in der durchschni­ttlichen Bezahlung gegenüber der übrigen Wirtschaft“, heißt es in der Studie. Die unbereinig­te Lohnlücke zwischen dem sozialen Sektor und den übrigen Sektoren nahm zwar von 20 Prozent im Jahr 2012 ab – doch betrug diese Lohnlücke bei Vollzeitbe­schäftigte­n 2021 noch 17 Prozent.

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