Ampel bereitet Gasnetz-Rückbau vor
Netzbetreiber dürfen neue Anschlüsse künftig ablehnen und bestehende Anschlüsse kündigen. Das Bundeswirtschaftsministerium bereitet den Rückbau der Gasnetze vor.
Gasheizungen sind nicht verboten, dennoch läuft ihre Zeit ab. Ab 2050 will die EU klimaneutral sein, die CO2-Preise werden ohnehin steigen. Nun will das Bundeswirtschaftsministerium Stadtwerken und anderen Versorgern erlauben, ihr Gasverteilnetz zurückbauen. Die Pläne dafür hat es in einem „Green Paper Transformation Gas-Wasserstoff-Verteilernetz“skizziert. Bis 12. April können sich Verbände äußern.
Was bedeutet der Netzrückbau für bestehende Gasheizungen?
Bisher gilt: Netzbetreiber müssen jeden Kunden anschließen. Nun will der Bund den Betreibern erlauben, den Anschluss zu kündigen oder zu verweigern. „Eine Verweigerung ist derzeit nur möglich, wenn der Anschluss dem Netzbetreiber aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Dies kann im Laufe der Transformation im Widerspruch zur Stilllegung beziehungsweise Umwidmung der Gasverteilernetze stehen“, heißt es im Papier. Daher solle es nun einen „Paradigmenwechsel“geben: So sei in der entsprechenden EU-Richtlinie das Recht der Betreiber zur Anschlussverweigerung und sogar Kündigung („refusal of access and connection“, „disconnection“) vorgesehen, um die Einhaltung des EUZiels der Klimaneutralität bis 2050 zu gewährleisten. Dabei müssten aber die Verbraucherinteressen gewahrt bleiben.
Kann man noch neue Gasheizungen einbauen?
Ab 2045 dürfen in Deutschland keine neuen Gasheizungen mehr eingebaut werden. Aber schon vorher könnte der Einbau daran scheitern, dass der Netzbetreiber keine neuen Anschlüsse mehr zulassen will – was ihm erlaubt werden soll. Der Betrieb der Netze müsse für die Betreiber insgesamt wirtschaftlich tragfähig bleiben, heißt es. „Insbesondere dürfen keine Anreize gesetzt werden, die dazu führen könnten, dass Verteilernetze weiterbetrieben werden, obwohl sie langfristig nicht benötigt werden.“
Wie viel Zeit haben Verbraucher?
Das Ministerium hat aus dem Krach um das Heizungsgesetz gelernt:
„Überraschende Stilllegungen für Nutzer sind durch geplante Prozesse zu vermeiden“, betont es. „Der neue Ordnungsrahmen muss den Betroffenen, insbesondere den bisher an das Erdgasnetz angeschlossenen
Kunden, Rechtssicherheit bieten und gleichzeitig ausreichend Spielraum beinhalten, damit vor Ort die für die örtlichen Gegebenheiten besten Lösungen realisiert werden
können.“In Deutschland gibt es über 700 Gasnetzbetreiber.
Was hat es mit dem Wasserstoffkernnetz auf sich?
Wasserstoff ist der Hoffnungsträger für die klimafreundliche Energieversorgung. Doch noch stehen weder das Gas noch die Infrastruktur ausreichend zur Verfügung. Das soll sich ändern. Mitte November stellte Energieminister Robert Habeck (Grüne) die Pläne für das Wasserstoffkernnetz vor, das 9700 Kilometer an Leitungen umfassen soll. Dieses Kernnetz soll die großen Produktions- und Ausspeisepunkte für Wasserstoff verbinden – Habeck vergleich es mit Bundesautobahnen. Die feinere Verästelung, quasi Bundes- oder Landstraßen, sollen folgen. Philipp
Steinberg, als Abteilungsleiter in Habecks Ministerium unter anderem für Gas- und Wasserstoffinfrastruktur zuständig, schrieb auf der Plattform LinkedIn: „Nachdem das Wasserstoffkernnetz jetzt hoffentlich auf der Zielgeraden ist, gilt es, sich um die Verteilnetze zu kümmern.“Die meist kommunalen Netzbetreiber würden zurecht erwarten, „dass wir die Bedingungen regeln, um unnötige Belastungen im Zuge der Dekarbonisierung zu verhindern, gleichzeitig aber die Zukunftsfähigkeit der lokalen Energieversorgung sicherzustellen.“
Wie fallen die politischen Reaktionen aus?
Unterschiedlich. Nach Ansicht der energiepolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag, Ingrid Nestle, erhalten Kunden mit der kommunalen Wärmeplanung Planungssicherheit. „Schon heute ist nicht jedes Privathaus an das Gasnetz angeschlossen. In 50 Jahren werden es absehbar tatsächlich weniger sein als heute“, sagte sie. Die Kommunen würden entscheiden, wo sie auf Fernwärme, Wasserstoff oder Biomethan setzen oder auf dezentrale Wärmeerzeuger. Auch die energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Nina Scheer, verwies auf die kommunalen Wärmeplanungen, die bis Mitte 2026 von Kommunen über 100 000 und bis 2028 von Kommunen unter 100 000 Einwohner vorzulegen sind. Einfluss werde zudem die Ausgestaltung der Kraftwerksstrategie und des Wasserstoffkernnetzes haben. In den Reihen der FDP wird mit einem schnellen Wasserstoff-Hochlauf gerechnet, der Rückbau von Gasnetzen daher abgelehnt. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte, es gebe keine Grundlage dafür, „Wasserstoff als zukünftigen Energieträger von vornherein als knapp und teuer“darzustellen. „Daher sind weitere Diskussionen über die Stilllegung von Gasnetzen vollkommen unangemessen.“