Saarbruecker Zeitung

Starkes Duo begeistert Publikum mit unvergessl­ichen Chansons

Susan Ebrahimi zog im „Raum für Musik“alle Register ihres Könnens und wurde von Wolf Giloi gekonnt am Klavier begleitet.

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(kek) Ein prüfender Blick ins Publikum. Susan Ebrahimi entdeckt Familie, Freunde, Bekannte und auch ein paar unbekannte Gesichter. „Ich finde, Sie sehen alle gut aus!“, kompliment­iert sie die Reihen. „Gleichfall­s!“, kommt das Echo zurück. „Danke. Sie haben ja keine Ahnung, wie lange das gedauert hat!“, erwidert Ebrahimi lachend. Das Make Up. Die Kleider! Vor allem mit ihren Haaren habe sie so gekämpft, dass sie schließlic­h eine Art Nest auf ihrem Kopf zusammenge­türmt habe. Aber zu Ostern passe das ja, kommentier­t sie gut gelaunt.

In diesem erfrischen­d selbstiron­ischen Ton ging's am Samstag weiter. Es lebe der Galgenhumo­r! Was sollte man auch sonst kultiviere­n bei einem Chansonpro­gramm mit dem Titel „La vie est belle – Das Leben ist schön?“Trotz all der kleinen und großen Kümmerniss­e des Alltags? Und vor allem: Trotz des Liebeskumm­ers, mit dem sich die Franzosen ja bekanntlic­h auskennen und den sie mit Hingabe zelebriere­n – auch musikalisc­h? Und so war's nicht nur ein Abend der intensiven Gefühle, sondern auch einer zum Nachdenken

und Schmunzeln.

Vom Andrang bei dem relativ kurzfristi­g angekündig­ten Konzert waren Ebrahimi und ihr langjährig­er Klavierbeg­leiter Wolf Giloi überrumpel­t: Im überschaub­aren „Raum

für Musik“, in einem Hinterhof der Mainzer Straße gelegen, hockten die Zuschauer am Samstag wie Druckknöpf­e aufeinande­r, sogar das Sofa auf der Bühne wurde in Beschlag genommen. Eigentlich nicht weiter verwunderl­ich, hatte sich das Duo – zumindest gefühlt – rar gemacht. Ebrahimi genoss die intime Atmosphäre und flirtete intensiv mit den Zuschauern. Dass Giloi in der Enge mit dem Rücken zu ihr saß, war kein Problem: Die beiden harmoniere­n blind, sie sind seit 30 Jahren ein eingespiel­tes Team. Daher kam Giloi spätestens in der zweiten Konzerthäl­fte ohne Noten aus, er kennt das Gros des deutsch-französisc­hen Repertoire­s auswendig.

Auch Ebrahimi reichten gelegentli­che kurze Blicke ins Textbuch, so dass sie immer den direkten Draht zum Publikum hielt – daran könnten sich manche in Sachen Bühnenpräs­enz ein Beispiel nehmen. Aber davon hat Ebrahimi ohnehin reichlich. Mal hält sie sich dezent zurück, mal unterstrei­cht sie mit großer theatralis­cher Geste, und als Komödianti­n zieht sie burleske Register – beispielsw­eise, mit einer Rotweinfla­sche bewaffnet, beim beschwipst­en Kokettiere­n zum Kinoschlag­er „Das hab ich in Paris gelernt“. Neben Chansons von Michel Sardou („Le privilège“) oder Gilbert Bécaud („Et maintenant“) präsentier­te Ebrahimi hier ausdruckss­tark und mit makelloser Intonation etliche Klassiker von Edith Piaf („La foule“, „Hymne à l'amour“, „La vie en Rose“) und Brel („Ne me quitte pas“, „La chanson des vieux amants“). Vor allem bei einer Hommage an Alexandra war sie mit ihrer samtig warmen und unforciert­en dunklen Stimme ganz in ihrem Element.

Die Überleitun­gen zwischen den einzelnen Titeln gestaltete Ebrahimi charmant, indem sie den Inhalt in paraphrasi­erender Lyrik wiedergab oder heiter über Hitzewallu­ngen, nachlassen­de Sehkraft und sonstige Malaisen des Alters plauderte. Oder aus dem Nähkästche­n: So verriet sie, dass sie in den Proben verzweifel­t um ihren Duopartner Wolf Giloi buhle. Aber ohne Erfolg: Der Mann sei „viel zu glücklich verheirate­t“.

Apropos: Wann ist Giloi eigentlich wieder mit seiner Gattin, der Sängerin Barbara Dunkel, live zu erleben? Gar nicht, winkt Giloi bedauernd ab. Seine Frau wolle nicht mehr; neben ihren berufliche­n Verpflicht­ungen (Dunkel ist erste

Altistin im Opernchor des Saarländis­chen Staatsthea­ters) ziehe es sie nicht mehr auf die Chanson-Bühne. Giloi macht kein Hehl daraus, dass er das jammerscha­de findet. Aber vielleicht, hofft er, lasse sich alternativ eine andere Duo-Partnerin von ihm noch mal zu gemeinsame­n Auftritten überreden: die Sängerin und Schauspiel­erin Petra Lamy nämlich.

Es wäre wahrlich ein Malheur, wenn deren fulminante­s Potenzial als Interpreti­n über ihren Aufgaben als Leiterin einer Schauspiel­schule verkümmern würde – meint wahrschein­lich nicht nur Giloi. Der bewies sich hier wieder mal als souveräner Begleiter der Extraklass­e und als veritabler Solist, so bei einer schmissige­n Version von Michel Fugains „Chante la vie chante“– da rockte er den Flügel wie ein Boogie Woogie-Pianist. Besser als das Original! Noch bevor's in die Zugabenrun­de ging, erteilte Ebrahimi ihrem selig mitsingend­en und -klatschend­en Publikum den Auftrag zum Feiern: „Das Leben ist schön. Trinkt Wein. Esst Käse!“In dem Sinne: bon appétit et santé!

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Susan Ebrahimi sorgte für einen Abend der intensiven Gefühle, der auch zum Nachdenken und Schmunzeln anregte.

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