Saarbruecker Zeitung

Stammpubli­kum blieb „JazzZeit“diesmal fern

Das veränderte Konzept der „ JazzZeit“-Reihe in der Breite 63 hätte am Freitag mehr Zuhörer verdient gehabt. Der künstleris­che Leiter will trotzdem daran festhalten.

- VON KERSTIN KRÄMER

Wer die regelmäßig bestens besuchten „JazzZeit“-Konzerte kennt, der rieb sich am Freitag verwundert die Augen ob des verstörend mageren Zuspruchs. Selbst das Stammpubli­kum war ausgeblieb­en. Das lag wohl am geänderten Konzept der Reihe, offenbar fehlte der Identifika­tionsfakto­r: Üblicherwe­ise präsentier­t das Kulturdeze­rnat der Landeshaup­tstadt in Kooperatio­n mit dem Malstatter Kulturzent­rum Breite 63 saarländis­che oder zumindest exil-saarländis­che Musiker, die als Kuratoren mit ihrem Ensemble einen Abend, meist mit einer überregion­alen Gastformat­ion, gestalten.

Diesmal jedoch standen eine belgische Band sowie ein Duo aus einer luxemburgi­sch-englischen Singer/ Songwriter­in und einem israelisch­en Gitarriste­n mit Wohnsitz in Holland auf der Bühne. Beide Formatione­n spielten zum ersten Mal im Saarland; für die Belgier war es gar der erste Auftritt in Deutschlan­d überhaupt (abgesehen vom Akkordeoni­sten Didier Laloy, der vor vier Jahren mit einer galizische­n Frauen-Gesangsgru­ppe in der Breite 63 gastierte). Als „erweiterte­n Binnen-Lux-Abend“verkaufte Hans-Martin Derow, künstleris­cher Leiter der Breite 63, nun den Termin am Freitag. Den regionalen Bezug wolle man in Zukunft generell weiter fassen, indem man die lokale Komponente mit dem Saar-Lor-Lux-Raum beziehungw­eise der Großregion verbinde, erklärte Derow unserer Zeitung.

Die „einheimisc­he/überregion­ale Tandemkonz­eption“bleibe zwar Leit-Thema, aber nicht ausschließ­lich. Parallel werde man sich „Ausnahmen von der Regel“zugestehen, etwa in Form von Einzelkonz­erten oder rein saarländis­ch besetzten Terminen. Ein neues Augenmerk soll auf der Nachwuchsf­örderung liegen, so sind laut Derow Konzerte mit der Landesschü­ler-BigBand „JazzTrain“oder dem Jazz-Orchester der Hochschule für Musik Saar (HfM) geplant. Deutlich ausgedehnt wurde hier auch die Genre-Definition, was am Freitag vor allem Puristen abgeschrec­kt haben dürfte: „Was ist Jazz?“, lautete entspreche­nd das ketzerisch­e Motto des Abends, der stilistisc­h von Weltmusik dominiert wurde und deutlich die Handschrif­t des FolkFans Derow trug. Davon abgesehen war es ein hervorrage­ndes Konzert, das definitiv mehr Zuhörer verdient gehabt hätte und dem man beileibe nicht den Vorwurf breitentau­glicher Gefälligke­it machen kann. Beide Ensembles bestachen mit Virtuositä­t, Spiellaune, großem dynamische­m Spektrum und einem ausgefeilt­en Klangkonze­pt, das akustische Instrument­e mit intensiver elektronis­cher Unterstütz­ung respektive Zuspielung kombiniert. Den Auftakt machten Claire Parsons & Eran Har Even, deren intime Songs aus eigener Feder (plus einiger Coverversi­onen) sich prächtig zur Untermalun­g eines Fantasy-Epos

„Was ist Jazz?“, lautete entspreche­nd das ketzerisch­e Motto des Abends, der stilistisc­h von Weltmusik dominiert wurde und deutlich die Handschrif­t des Folk-Fans Derow trug.

eignen würden. Die hypnotisch­e Atmosphäre ihrer Lieder, hier noch verstärkt durch eine rege dampfende Nebelmasch­ine, ist entrückt bis psychedeli­sch; der Zugriff ausgesproc­hen verspielt. Parsons (auch Keyboard) verfremdet und vervielfac­ht ihren wunderbar unangestre­ngten Gesang mit Klangeffek­ten und Loops und setzt ihre klar timbrierte Stimme oft wie ein Instrument ein, während Har Even als kongenial „vielsaitig­er“Gitarrist mit cleanem Klang begeistert. Dass die zwei auch Jazz nach

dem Reinheitsg­ebot beherrsche­n, bewiesen sie mit einer federleich­ten Version des Standards „You and the night and the music“.

Einen nicht minder intensiven Sog entfachte das Quartett „Duplex“, das wesentlich mehr Temperamen­t auf die Bühne brachte – vor allem Didier Laloy, leidenscha­ftlicher Verfechter des diatonisch­en Akkordeons, dominierte das Geschehen. „Duplex“klingen wie die rebellisch­e belgische Antwort auf das Pariser „Gotan Project“, nur dass es hier nicht um Elektro-Tango, sondern um frankophil­e Musik im eigenwilli­gen Spannungsf­eld zwischen folklorist­ischen Traditione­n und orientalis­chen und lateinamer­ikanischen Einflüssen geht. Den kernigen Rock-Touch steuerte Schlagzeug­er Olivier Cox mit hartem Drumsound bei, während Teufelsgei­ger Damien Chierici (beseelter Violinklan­g) und Laloy sich gegenseiti­g zu Höchstleis­tungen anspornten. Mit einer ganzen Station von Keyboards plusterte Quentin

Nguyen das Ganze mitunter zum Bombast-Folk auf.

Schade, dass niemand der Aufforderu­ng zum Tanzen nachkam; dafür fiel am Ende der Applaus für die fabelhafte gemeinsame Jam-Session beider Formatione­n umso frenetisch­er aus. Am 26. April naht erneut ein „erweiterte­s Binnen-Lux“-Doppelkonz­ert; es markiert zugleich den Halbjahres­abschluss der terminlich leider stark ausgedünnt­en JazzZeitRe­ihe. Weiter geht's am 11. Oktober mit einem „Jazz Harp Summit“.

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Claire Parsons & Eran Har Even bei ihrem Auftritt in der Breite 63 in Malstatt.

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