Stammpublikum blieb „JazzZeit“diesmal fern
Das veränderte Konzept der „ JazzZeit“-Reihe in der Breite 63 hätte am Freitag mehr Zuhörer verdient gehabt. Der künstlerische Leiter will trotzdem daran festhalten.
Wer die regelmäßig bestens besuchten „JazzZeit“-Konzerte kennt, der rieb sich am Freitag verwundert die Augen ob des verstörend mageren Zuspruchs. Selbst das Stammpublikum war ausgeblieben. Das lag wohl am geänderten Konzept der Reihe, offenbar fehlte der Identifikationsfaktor: Üblicherweise präsentiert das Kulturdezernat der Landeshauptstadt in Kooperation mit dem Malstatter Kulturzentrum Breite 63 saarländische oder zumindest exil-saarländische Musiker, die als Kuratoren mit ihrem Ensemble einen Abend, meist mit einer überregionalen Gastformation, gestalten.
Diesmal jedoch standen eine belgische Band sowie ein Duo aus einer luxemburgisch-englischen Singer/ Songwriterin und einem israelischen Gitarristen mit Wohnsitz in Holland auf der Bühne. Beide Formationen spielten zum ersten Mal im Saarland; für die Belgier war es gar der erste Auftritt in Deutschland überhaupt (abgesehen vom Akkordeonisten Didier Laloy, der vor vier Jahren mit einer galizischen Frauen-Gesangsgruppe in der Breite 63 gastierte). Als „erweiterten Binnen-Lux-Abend“verkaufte Hans-Martin Derow, künstlerischer Leiter der Breite 63, nun den Termin am Freitag. Den regionalen Bezug wolle man in Zukunft generell weiter fassen, indem man die lokale Komponente mit dem Saar-Lor-Lux-Raum beziehungweise der Großregion verbinde, erklärte Derow unserer Zeitung.
Die „einheimische/überregionale Tandemkonzeption“bleibe zwar Leit-Thema, aber nicht ausschließlich. Parallel werde man sich „Ausnahmen von der Regel“zugestehen, etwa in Form von Einzelkonzerten oder rein saarländisch besetzten Terminen. Ein neues Augenmerk soll auf der Nachwuchsförderung liegen, so sind laut Derow Konzerte mit der Landesschüler-BigBand „JazzTrain“oder dem Jazz-Orchester der Hochschule für Musik Saar (HfM) geplant. Deutlich ausgedehnt wurde hier auch die Genre-Definition, was am Freitag vor allem Puristen abgeschreckt haben dürfte: „Was ist Jazz?“, lautete entsprechend das ketzerische Motto des Abends, der stilistisch von Weltmusik dominiert wurde und deutlich die Handschrift des FolkFans Derow trug. Davon abgesehen war es ein hervorragendes Konzert, das definitiv mehr Zuhörer verdient gehabt hätte und dem man beileibe nicht den Vorwurf breitentauglicher Gefälligkeit machen kann. Beide Ensembles bestachen mit Virtuosität, Spiellaune, großem dynamischem Spektrum und einem ausgefeilten Klangkonzept, das akustische Instrumente mit intensiver elektronischer Unterstützung respektive Zuspielung kombiniert. Den Auftakt machten Claire Parsons & Eran Har Even, deren intime Songs aus eigener Feder (plus einiger Coverversionen) sich prächtig zur Untermalung eines Fantasy-Epos
„Was ist Jazz?“, lautete entsprechend das ketzerische Motto des Abends, der stilistisch von Weltmusik dominiert wurde und deutlich die Handschrift des Folk-Fans Derow trug.
eignen würden. Die hypnotische Atmosphäre ihrer Lieder, hier noch verstärkt durch eine rege dampfende Nebelmaschine, ist entrückt bis psychedelisch; der Zugriff ausgesprochen verspielt. Parsons (auch Keyboard) verfremdet und vervielfacht ihren wunderbar unangestrengten Gesang mit Klangeffekten und Loops und setzt ihre klar timbrierte Stimme oft wie ein Instrument ein, während Har Even als kongenial „vielsaitiger“Gitarrist mit cleanem Klang begeistert. Dass die zwei auch Jazz nach
dem Reinheitsgebot beherrschen, bewiesen sie mit einer federleichten Version des Standards „You and the night and the music“.
Einen nicht minder intensiven Sog entfachte das Quartett „Duplex“, das wesentlich mehr Temperament auf die Bühne brachte – vor allem Didier Laloy, leidenschaftlicher Verfechter des diatonischen Akkordeons, dominierte das Geschehen. „Duplex“klingen wie die rebellische belgische Antwort auf das Pariser „Gotan Project“, nur dass es hier nicht um Elektro-Tango, sondern um frankophile Musik im eigenwilligen Spannungsfeld zwischen folkloristischen Traditionen und orientalischen und lateinamerikanischen Einflüssen geht. Den kernigen Rock-Touch steuerte Schlagzeuger Olivier Cox mit hartem Drumsound bei, während Teufelsgeiger Damien Chierici (beseelter Violinklang) und Laloy sich gegenseitig zu Höchstleistungen anspornten. Mit einer ganzen Station von Keyboards plusterte Quentin
Nguyen das Ganze mitunter zum Bombast-Folk auf.
Schade, dass niemand der Aufforderung zum Tanzen nachkam; dafür fiel am Ende der Applaus für die fabelhafte gemeinsame Jam-Session beider Formationen umso frenetischer aus. Am 26. April naht erneut ein „erweitertes Binnen-Lux“-Doppelkonzert; es markiert zugleich den Halbjahresabschluss der terminlich leider stark ausgedünnten JazzZeitReihe. Weiter geht's am 11. Oktober mit einem „Jazz Harp Summit“.