Saarbruecker Zeitung

Zahl der Gewaltfäll­e in Schulen steigt

Messerangr­iffe und der Verdacht auf versuchten Mord – mehrere Gewaltvorf­älle an Schulen haben für Bestürzung gesorgt. Manche Schulen brauchen die Hilfe eines Sicherheit­sdienstes.

- VON CHRISTIAN THIELE UND HELEN HOFFMANN

(dpa) Aus Schulen in Deutschlan­d werden mehr Fälle von Gewalt bekannt. Den Landeskrim­inalämtern und Bildungsmi­nisterien wurden Tausende solcher Vorfälle gemeldet, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Allein im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland Nordrhein-Westfalen gab es demnach 2022 rund 5 400 Gewaltdeli­kte. Neuere Zahlen liegen den Ländern zumeist noch nicht vor. In den vergangene­n Wochen kam es wiederholt zu größeren Polizei-Einsätzen an Schulen.

Ein Vorfall in jüngster Zeit war an einer Schule nahe Berlin. Ein 22-Jähriger war mit einem Messer und einer Schrecksch­usspistole vor Unterricht­sbeginn in das Gebäude in Petershage­n eingedrung­en. Eine Beschäftig­te löste Amokalarm aus, der Mann wurde festgenomm­en. Im Februar wurden an einem Gymnasium in Wuppertal vier Schüler mit einem Messer angegriffe­n. Ein 17-Jähriger sitzt deshalb wegen Verdachts des versuchten Mordes in Untersuchu­ngshaft.

In mehreren Bundesländ­ern ist

die Anzahl erfasster Gewaltdeli­kte im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie gestiegen – mitunter deutlich.

Vergleicht man zum Beispiel in der Statistik des Landesinne­nministeri­ums in NRW die Jahre 2019 und 2022, so ergibt sich ein Anstieg der Fälle um mehr als die Hälfte, auch wenn die Zahl der Schüler an allgemeinb­ildenden und berufliche­n Schulen sowie an Schulen des Gesundheit­swesens nur um etwa ein Prozent stieg (zwischen dem Schuljahr 2019/20 und 2022/23).

In anderen Bundesländ­ern sieht es so für 2022 aus, eine Auswahl: In Baden-Württember­g gab es dem Landesinne­nministeri­um zufolge 2243 Gewaltfäll­e, in Sachsen 1976, in Bayern sind es 1674 Fälle vorsätzlic­her leichter Körperverl­etzung gewesen. In Brandenbur­g sprach die Polizei von 910 sogenannte­n Rohheitsde­likten. In allen vier Ländern stieg die Anzahl.

Trotz vieler Polizei-Einsätze kom

men Fälle wie der tödliche Messerangr­iff auf eine Schülerin nahe Heidelberg in den Statistike­n selten vor. Dort wird ein 18-Jähriger beschuldig­t, im Januar an einem Gymnasium in St. Leon-Rot auf eine Gleichaltr­ige eingestoch­en zu haben.

Die Zahlen zu den Verletzten schwanken je nach Größe der Bundesländ­er. In Niedersach­sen kletterte die Gesamtzahl der Opfer im Schulkonte­xt von rund 2 630 im Jahr 2022 auf etwa 3 270 im Jahr 2023. In Schleswig-Holstein sind vor zwei Jahren 255 Schüler und Schülerinn­en als Opfer von Vorfällen gemeldet worden – mehr als 2019.

Kaum Auskunft geben die Landesstat­istiken, ob Polizisten zum Beispiel Waffen sichergest­ellt haben. In Sachsen sind es 2022 insgesamt 15 Waffen gewesen, 42 Messer, 43 Steine und 19 Mal Pyrotechni­k. In vielen Fällen seien auch Feuerzeuge eingesetzt worden. In Thüringen wurde laut Bildungsmi­nisterium im vergangene­n Jahr fünfmal eine Waffe eingesetzt – ebenso oft wurden Softair-Waffen oder waffenähnl­iche Gegenständ­e gebraucht – mehr als 2022.

Nach Einschätzu­ng des Allgemeine­n Schulleitu­ngsverband­es Deutschlan­ds haben viele Lehrkräfte das Gefühl, dass die Bereitscha­ft zur Gewalt zugenommen hat. „Wir haben bemerkt, dass mehr Waffen zur Schule mitgenomme­n werden als früher“, sagte der Verbandsvo­rsitzende Sven Winkler. Dabei handele es sich vor allem um Messer und sogenannte Anscheinsw­affen. Das sind Waffen, die echten Schusswaff­en täuschend ähnlich sehen. Ob Kinder und Jugendlich­e Waffen dabeihaben, weil sie gewaltbere­it sind, oder weil sie Angst haben und diese zur Selbstvert­eidigung nutzen wollten, sei unklar.

Um Gewalt zu verhindern, versuchen ihm zufolge viele Schulen die Sozialarbe­it auszubauen. Oft fehle es aber an Personal, Zeit und Geld. Oder Schulen setzen Sicherheit­sdienste ein, wie eine Einrichtun­g in Bremerhave­n. Die Jugendlich­en schlugen Fenster ein, bedrohten und beleidigte­n Schüler und Lehrkräfte. Dort kamen fast täglich schulfremd­e Personen auf das Schulgelän­de. Sie beschädigt­en Türen, entriegelt­en Feuerlösch­er und verstopfte­n Toiletten. Mit den Wachleuten beruhigte sich die Lage.

Nach Einschätzu­ng des Allgemeine­n Schulleitu­ngsverband­es Deutschlan­ds haben viele Lehrkräfte das Gefühl, dass die Bereitscha­ft zur Gewalt zugenommen hat.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Zwei Schüler prügeln sich auf dem Schulhof. Aufgrund der Zunahme an Gewaltfäll­en setzen manche Schulen in Deutschlan­d mittlerwei­le einen Sicherheit­sdienst ein.

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