Zahl der Gewaltfälle in Schulen steigt
Messerangriffe und der Verdacht auf versuchten Mord – mehrere Gewaltvorfälle an Schulen haben für Bestürzung gesorgt. Manche Schulen brauchen die Hilfe eines Sicherheitsdienstes.
(dpa) Aus Schulen in Deutschland werden mehr Fälle von Gewalt bekannt. Den Landeskriminalämtern und Bildungsministerien wurden Tausende solcher Vorfälle gemeldet, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Allein im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gab es demnach 2022 rund 5 400 Gewaltdelikte. Neuere Zahlen liegen den Ländern zumeist noch nicht vor. In den vergangenen Wochen kam es wiederholt zu größeren Polizei-Einsätzen an Schulen.
Ein Vorfall in jüngster Zeit war an einer Schule nahe Berlin. Ein 22-Jähriger war mit einem Messer und einer Schreckschusspistole vor Unterrichtsbeginn in das Gebäude in Petershagen eingedrungen. Eine Beschäftigte löste Amokalarm aus, der Mann wurde festgenommen. Im Februar wurden an einem Gymnasium in Wuppertal vier Schüler mit einem Messer angegriffen. Ein 17-Jähriger sitzt deshalb wegen Verdachts des versuchten Mordes in Untersuchungshaft.
In mehreren Bundesländern ist
die Anzahl erfasster Gewaltdelikte im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie gestiegen – mitunter deutlich.
Vergleicht man zum Beispiel in der Statistik des Landesinnenministeriums in NRW die Jahre 2019 und 2022, so ergibt sich ein Anstieg der Fälle um mehr als die Hälfte, auch wenn die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Schulen des Gesundheitswesens nur um etwa ein Prozent stieg (zwischen dem Schuljahr 2019/20 und 2022/23).
In anderen Bundesländern sieht es so für 2022 aus, eine Auswahl: In Baden-Württemberg gab es dem Landesinnenministerium zufolge 2243 Gewaltfälle, in Sachsen 1976, in Bayern sind es 1674 Fälle vorsätzlicher leichter Körperverletzung gewesen. In Brandenburg sprach die Polizei von 910 sogenannten Rohheitsdelikten. In allen vier Ländern stieg die Anzahl.
Trotz vieler Polizei-Einsätze kom
men Fälle wie der tödliche Messerangriff auf eine Schülerin nahe Heidelberg in den Statistiken selten vor. Dort wird ein 18-Jähriger beschuldigt, im Januar an einem Gymnasium in St. Leon-Rot auf eine Gleichaltrige eingestochen zu haben.
Die Zahlen zu den Verletzten schwanken je nach Größe der Bundesländer. In Niedersachsen kletterte die Gesamtzahl der Opfer im Schulkontext von rund 2 630 im Jahr 2022 auf etwa 3 270 im Jahr 2023. In Schleswig-Holstein sind vor zwei Jahren 255 Schüler und Schülerinnen als Opfer von Vorfällen gemeldet worden – mehr als 2019.
Kaum Auskunft geben die Landesstatistiken, ob Polizisten zum Beispiel Waffen sichergestellt haben. In Sachsen sind es 2022 insgesamt 15 Waffen gewesen, 42 Messer, 43 Steine und 19 Mal Pyrotechnik. In vielen Fällen seien auch Feuerzeuge eingesetzt worden. In Thüringen wurde laut Bildungsministerium im vergangenen Jahr fünfmal eine Waffe eingesetzt – ebenso oft wurden Softair-Waffen oder waffenähnliche Gegenstände gebraucht – mehr als 2022.
Nach Einschätzung des Allgemeinen Schulleitungsverbandes Deutschlands haben viele Lehrkräfte das Gefühl, dass die Bereitschaft zur Gewalt zugenommen hat. „Wir haben bemerkt, dass mehr Waffen zur Schule mitgenommen werden als früher“, sagte der Verbandsvorsitzende Sven Winkler. Dabei handele es sich vor allem um Messer und sogenannte Anscheinswaffen. Das sind Waffen, die echten Schusswaffen täuschend ähnlich sehen. Ob Kinder und Jugendliche Waffen dabeihaben, weil sie gewaltbereit sind, oder weil sie Angst haben und diese zur Selbstverteidigung nutzen wollten, sei unklar.
Um Gewalt zu verhindern, versuchen ihm zufolge viele Schulen die Sozialarbeit auszubauen. Oft fehle es aber an Personal, Zeit und Geld. Oder Schulen setzen Sicherheitsdienste ein, wie eine Einrichtung in Bremerhaven. Die Jugendlichen schlugen Fenster ein, bedrohten und beleidigten Schüler und Lehrkräfte. Dort kamen fast täglich schulfremde Personen auf das Schulgelände. Sie beschädigten Türen, entriegelten Feuerlöscher und verstopften Toiletten. Mit den Wachleuten beruhigte sich die Lage.
Nach Einschätzung des Allgemeinen Schulleitungsverbandes Deutschlands haben viele Lehrkräfte das Gefühl, dass die Bereitschaft zur Gewalt zugenommen hat.