Studie sieht Demokratie in der Welt auf dem Rückzug
Im Rahmen des „Transformationsindex“der Bertelsmann Stiftung wurden 137 Staaten untersucht.
(dpa) Ein Rückgang der Demokratien unter Entwicklungsund Schwellenländern hat einer Analyse zufolge auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, Ungleichheit und Armut. Der „Transformationsindex“der Bertelsmann Stiftung kommt mit Blick auf 137 Staaten von Algerien bis zur Zentralafrikanischen-Republik zu dem Schluss: „Zu keinem Zeitpunkt wurden in den vergangenen zwanzig Jahren so wenige Staaten demokratisch regiert wie heute.“Zugleich attestierten die Autoren vielen Staaten ökonomische Ungleichheit und eine verfehlte Wirtschaftspolitik. In 83 der 137 Ländern herrsche eine massive soziale Ausgrenzung.
Die Untersuchung der Entwicklungs- und Schwellenländer ergab, dass nur noch 63 Demokratien mit einer Bevölkerung von insgesamt rund drei Milliarden Menschen inzwischen 74 Autokratien mit etwa vier Milliarden Menschen gegenüberstehen. Erste Aussagen aus der Studie waren bereits am Montag bei einer Veranstaltung der Stiftung mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin vorgestellt worden, am Dienstag wurde nun die gesamte Studie veröffentlicht.
Die ausgewerteten Ländergutachten und Daten haben bei Demokratiequalität, Regierungsleistungen und Wirtschaftsentwicklung „neue Tiefststände“ergeben. „In einer steigenden Zahl von Ländern sind es die Gegner demokratischer und marktwirtschaftlicher Reformen, die an den Schaltstellen der Macht sitzen.“
Regierungen in der Mehrheit der Länder sehen sich demnach „nicht als Treiber gesamtgesellschaftlicher Entwicklung, sondern als Vertreter von Partikularinteressen in einem bewusst unfair gestalteten Wirtschaftssystem“. Bemühungen seien nicht selten darauf ausgerichtet, ein korruptes System zu erhalten, das keinen freien und fairen wirtschaftlichen Wettbewerb erlaube, heißt es in der Studie. „Machtkonzentration oder Machterhalt einer kleinen Elite hat häufig Vorrang gegenüber der Ausgestaltung einer offeneren und inklusiveren Wirtschaftsordnung.“Das habe negative Folgen für das Ausmaß von Ungleichheit und Armut.
In den 74 autokratischen Ländern lasse eine autoritäre Führung politische Beteiligung nur sehr begrenzt oder gar nicht zu, betont die Studie. Repression, Machtkonzentration, Ausschaltung verbliebener Kontrollinstanzen und Entscheidungen in engen Führungszirkeln seien kennzeichnend. Zu den 25 „moderaten“Autokratien zählen demnach die Türkei, Algerien, der Irak, Uganda, Nigeria oder auch Jordanien und Singapur mit laut Stiftung autoritärer Herrschaft. Zudem Tunesien, Benin oder El Salvador, die 2022 noch als Demokratien eingestuft worden waren.
Hinzu kommen 49 „HardlinerAutokratien“, zu denen der Analyse zufolge auch das gegen die Ukraine einen Angriffskrieg führende Russland gehört. Und zur Volksrepublik China schreiben die Studienautoren: „Das chinesische Regime mutiert unter Xi Jinping in zunehmendem Maße von einer Einparteienherrschaft zu einer absolutistischen Monokratie.“Ähnlich sei es mit Regimen in Putsch-Staaten wie Burkina Faso, Mali und Myanmar. In arabischen Staaten wie Ägypten, Sudan oder Syrien habe die Repression höchste Ausmaße erreicht, werde jegliche politische Opposition im Keim erstickt. Ähnlich drastisch sei die Lage auch in Afghanistan, Nicaragua, Tadschikistan, im Iran oder im Tschad.
Auch in als „defekt“oder „stark defekt“eingestuften Demokratien schrumpfen Freiräume für politische Beteiligung: so ist etwa laut Untersuchung die Fairness von Wahlen (etwa in Ungarn) beeinträchtigt, werden kritische Medien drangsaliert (Beispiel Indien) oder wird die Tätigkeit regierungskritischer Organisationen behindert (Beispiel Serbien). In die Gruppe der Demokratien mit Defekten ordnet die Analyse auch Albanien, Rumänien, die Ukraine oder Südafrika ein. Dabei geben Beispiele wie jüngst in Polen laut Stiftung Grund zur Hoffnung – dort hatte die Bevölkerung autoritäre Kräfte abgewählt.
Die Auswertung sieht ein hohes Demokratieniveau bei den EU-Mitgliedern Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Slowakei, Slowenien und Tschechien, und auch in Jamaika, Chile, Uruguay, Costa Rica oder Südkorea und Taiwan. Gute Politik ist demnach langfristig geplant, transparent und am Gemeinwohl ausgerichtet.