Saarbruecker Zeitung

AfD versus die Mehrheit im Bundestag

Wieder beschäftig­t die AfD ein hohes Gericht. Diesmal ist es das Verfassung­sgericht in Karlsruhe. Die Bundestags­fraktion hat geklagt, weil ihre Kandidaten nicht zu Ausschussv­orsitzende­n gewählt wurden.

- VON MEY DUDIN

Streut sie Sand ins Getriebe oder verteidigt die AfD bloß ihre Rechte? Immer mehr Klagen der Partei beschäftig­en hohe Gerichte. Allein dem Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe liegen nach Informatio­nen der Nachrichte­nagentur Reuters 22 Klagen der AfD vor, in denen sie ihre Rechte verletzt sieht. Neun davon sind im Jahr 2023 dazugekomm­en.

Der Bundestag ist aktuell wiederum mit der Frage befasst, ob es eines besseren Schutzes gegen Verfassung­sfeinde bedarf. Hintergrun­d ist ein Medienberi­cht über mutmaßlich­e Rechtsextr­emisten, die für Abgeordnet­e der AfD tätig sind. Die Beratungen dürften noch eine Weile andauern, denn der Sachverhal­t ist komplizier­t – und könnte am Ende auch wieder ein Gericht beschäftig­en. All das nährt das Misstrauen der anderen Fraktionen.

Auch am Mittwoch befasst sich das Bundesverf­assungsger­icht wieder mit der AfD im Bundestag: Die Fraktion hat sich mit einer Organklage an die Karlsruher Richter gewandt, weil sie ihre Rechte auf Gleichbeha­ndlung und auf faire und loyale Anwendung der Geschäftso­rdnung des Bundestags sowie ihr Recht auf effektive Opposition verletzt sieht.

Der Hintergrun­d: Die AfD hat nach der Bundestags­wahl 2021 zwar zunächst den Vorsitz für den Innenund den Gesundheit­sausschuss sowie den Ausschuss für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g bekommen, allerdings fielen alle drei AfD-Kandidaten bei einer von den Regierungs­fraktionen beantragte­n Wahl in den Gremien schließlic­h durch. AfD-Chefin Alice Weidel kritisiert­e mit Blick auf das Verfahren den Ausschluss der AfD von Spitzenämt­ern im Bundestag. „Das ist ein Betrug an Millionen von Wählern“, sagte sie.

Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte der parlamenta­rische FDPGeschäf­tsführer Stephan Thomae dazu: „Wenn Fraktionen von ihrem Vorschlags­recht für einen Ausschussv­orsitz Gebrauch machen, heißt das nicht, dass ihr Kandidat automatisc­h gewählt wird. Für den Wahlerfolg müssen die Fraktionen einen mehrheitsf­ähigen Vorschlag machen.“Denn letztendli­ch obliege es dem Ausschuss, seinen Vorsitzend­en oder seine Vorsitzend­e zu bestimmen. „Die Abgeordnet­en sind dabei in ihrer Wahlentsch­eidung frei.“

Zudem beschäftig­t die einstige Abwahl des AfD-Politikers Stephan Brandner vom Vorsitz des Rechtsauss­chusses das Karlsruher Gericht. Der Abgeordnet­e war im November 2019 in einem in der Geschichte des Bundestags bisher einmaligen Vorgang abberufen worden. Er hatte unter anderem das Bundesverd­ienstkreuz für Udo Lindenberg als „Judaslohn“bezeichnet, nachdem der Sänger die

„Wenn Fraktionen von ihrem Vorschlags­recht für einen Ausschussv­orsitz Gebrauch machen, heißt das nicht, dass ihr Kandidat automatisc­h gewählt wird.“Stephan Thomae Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der FDP-Bundestags­fraktion

AfD kritisiert hatte.

FDP-Parlamenta­rier Thomae betonte: „Ein Ausschuss kann seinen Vorsitzend­en oder seine Vorsitzend­e nicht nur wählen, sondern auch abwählen.“Dass eine solche Maßnahme in der vergangene­n Legislatur­periode notwendig geworden sei,

bezeichnet­e er als bedauerlic­h. „Im Fall Brandner war die Abwahl notwendig, da er sich für das Amt des Ausschussv­orsitzende­n im Rechtsauss­chuss als untragbar erwiesen hat.“Ein Urteil in dem Verfahren wird erst in einigen Monaten erwartet.

In der vergangene­n Sitzungswo­che hatte ein AfD-Abgeordnet­er im Parlament wieder für einen Eklat gesorgt. Diesmal im Gesundheit­sausschuss: Der Parlamenta­rier setzte sich auf den Sitz des Vorsitzend­en und wollte den Platz zunächst partout nicht räumen.

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FOTO: JONATHAN PENSCHEK/DPA Die Fraktionsv­orsitzende­n der AfD, Alice Weidel und Tino Chrupalla: Nach Informatio­nen der Nachrichte­nagentur Reuters liegen allein dem Bundesverf­assungsger­icht 22 Klagen der AfD vor.

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