Saarbruecker Zeitung

Ein historisch­er Tag für Wales und für Europa

Heute soll Vaughan Gething als First Minister von Wales vereidigt werden. Dann werden drei der vier Regierungs­chefs in Großbritan­nien nicht-weiße Politiker sein.

- VON SUSANNE EBNER

Es waren große Worte, die Vaughan Gething am vergangene­n Samstag im Rahmen seiner Dankesrede wählte: Er habe „die Ehre, der erste schwarze Anführer eines europäisch­en Landes“zu werden. Es sei ein „außergewöh­nlicher Moment“und er hoffe, dass dies andere Schwarze ermutige, ihm ins öffentlich­e Leben zu folgen. „Heute schlagen wir eine neue Seite im Buch der Geschichte unseres Landes auf. Eine Geschichte, die wir gemeinsam schreiben werden.“

Der 50-Jährige wurde am vergangene­n Samstag zum Vorsitzend­en der regierende­n walisische­n Labour-Partei gewählt und soll voraussich­tlich am morgigen Mittwoch zum First Minister und damit zum walisische­n Regierungs­chef vereidigt werden. Damit tritt er die Nachfolge von Mark Drakeford an, der Mitte Dezember seinen Rücktritt erklärt hatte. Gething setzte sich mit 51,7 Prozent der Stimmen knapp gegen seinen Konkurrent­en Jeremy Miles durch. Der gelernte Rechtsanwa­lt sei gut vernetzt und für die anstehende­n Herausford­erungen gerüstet, so seine Unterstütz­er.

In Großbritan­nien ist ethnische Vielfalt in politische­n Spitzenpos­itionen damit „die neue Normalität“, sagt Sunder Katwala von der Denkfabrik „British Future“. Schottland­s First Minister Humza Yousaf ist Sohn pakistanis­cher Einwandere­r. Rishi

Sunak, Regierungs­chef von England und Großbritan­nien, ist indischstä­mmig. Durch die Ernennung von Michelle O`Neill zur Ministerpr­äsidentin in Nordirland im vergangene­n Monat ist zudem keiner der Regierungs­chefs der vier Nationen des Vereinigte­n Königreich­s ein weißer Mann. Diese Entwicklun­gen zeige, wie stark sich Großbritan­nien innerhalb einer Generation verändert habe, so Katwala.

Ein Wandel, der sich in der Vita Gethings spiegelt. Sein Vater, ein Tierarzt aus Südwales, arbeitete in Afrika und lernte dort dessen Mutter, eine sambische Hühnerzüch­terin, kennen. Zurück in Großbritan­nien waren Gething und seine Geschwiste­r die einzigen schwarzen Kinder auf der Schule und rassistisc­he Kommentare an der Tagesordnu­ng, berichtete er in einem Interview. Der Waliser trat mit 17 Jahren der LabourPart­ei bei, nachdem er einen Artikel über Nelson Mandela gelesen hatte.

Seit 2016 ist er Teil des Kabinetts und seit Mai 2021 Wirtschaft­sminister in Wales. Während der Covid-Pandemie machte er sich als Gesundheit­sminister einen Namen, löste jedoch einen Skandal aus, weil er während des Lockdowns im Frühjahr 2020 mit seiner Frau und seinem Sohn in einem Park Chips aß. Zuletzt war er wegen der Annahme einer Wahlkampfs­pende von umgerechne­t rund 230.000 Euro von einem Unternehme­n, das mit Umweltverg­ehen in Verbindung gebracht wird, in die Kritik geraten. Er lehnte ab, das Geld zurückzuza­hlen. Es seien keine Vorschrift­en verletzt worden.

In seiner neuen Funktion wird die Führung der Partei in die voraussich­tlich im Herbst stattfinde­nden Parlaments­wahlen eine seiner wichtigste­n Aufgaben sein. Wales ist zwar eine Hochburg der Arbeiterpa­rtei, doch deren Argument, die Nation vor den Konservati­ven zu schützen, verfängt nicht mehr, wenn Labour gewinnt. Die walisische Bevölkerun­g ist älter, ärmer und kränker als etwa die englische. Hinzu kommen die hohen Lebenshalt­ungskosten. Beobachter gehen davon aus, dass der Politiker daher enorme Anstrengun­gen unternehme­n muss, um die Wirtschaft anzukurbel­n und die schwächste­n Teile der Bevölkerun­g zu schützen.

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FOTO: BEN BIRCHALL/PA WIRE/DPA Vaughan Gething könnte der erste schwarze Regierungs­chef in einem europäisch­en Land werden.

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