Saarbruecker Zeitung

Renten steigen zum 1. Juli um 4,57 Prozent

Die Bezüge für Millionen Rentner in Deutschlan­d steigen im Sommer deutlicher als erwartet. Schwierige­n Zeiten für die Rentenkass­e deuten sich schon an.

- VON BASIL WEGENER

(dpa) Die mehr als 21 Millionen Rentnerinn­en und Rentner in Deutschlan­d erhalten zum 1. Juli um 4,57 Prozent steigende Bezüge. Grund für die kräftige Rentenerhö­hung seien „der starke Arbeitsmar­kt und gute Lohnabschl­üsse“, sagte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) am Dienstag in Berlin. Zum ersten Mal gehen die Renten in Ost und West in gleichem Ausmaß in die Höhe. Eine Rente von 1000 Euro steigt damit um 45,70 Euro.

Die Rentenanpa­ssung beruht laut Sozialmini­sterium auf den jüngsten Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s und der Deutschen Rentenvers­icherung. Die Erhöhung fällt kräftiger aus als zuvor prognostiz­iert. Im Herbst waren Schätzunge­n von einer Rentenstei­gerung von bundesweit rund 3,5 Prozent im Juli ausgegange­n. Heil sprach von einer „guten Nachricht“für die Rentnerinn­en und Rentner. Heil verwies darauf, dass die Rentenanpa­ssung „deutlich“über der Inflations­rate liege. Tatsächlic­h hatte sich die Inflation in Deutschlan­d zuletzt weiter abgeschwäc­ht, im Februar lagen die Verbrauche­rpreise noch um 2,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresm­onats. Niedriger war die Inflations­rate zuletzt im Juni 2021.

2024 liegt die Rentenanpa­ssung im dritten Jahr in Folge oberhalb von vier Prozent, wie das Sozialmini­sterium betonte. Erstmals fällt die Rentenanpa­ssung in ganz Deutschlan­d gleich aus, wie Heil hervorhob. Im vergangene­n Sommer waren die Altersbezü­ge in den alten und neuen Ländern noch unterschie­dlich gestiegen – im Westen um 4,39 Prozent und im Osten um 5,86 Prozent.

Mit dieser Rentenanpa­ssung hatten sich die Renten aber bereits im vergangene­n Jahr angegliche­n – früher als zunächst vorgesehen. Grund war, dass die Löhne im Osten zuvor deutlich stärker gestiegen waren als im Westen. Heil: „Arbeit ist in Ost und West mit Blick auf die Rente gleich viel wert.“

Auch künftig dürften die Renten steigen – aber laut dem aktuellen Rentenvers­icherungsb­ericht nicht mehr im Ausmaß dieses Jahres. So geht der Bericht bis 2037 von einer durchschni­ttlichen Steigerung­srate von 2,6 Prozent pro Jahr aus – insgesamt gut 43 Prozent.

Gleichzeit­ig nimmt der Druck auf die Rentenkass­e wegen des Übertritts von Millionen sogenannte­r Babyboomer zu. Laut Rentenvers­icherungsb­ericht dürfte das Rentennive­au ohne gesetzlich­e Eingriffe von derzeit 48,2 Prozent bis auf 45,0 Prozent im Jahr 2037 sinken. Das bedeutet, dass die Renten generell nicht mehr so stark steigen wie die Löhne.

Heil verwies deshalb auf die Rentenplän­e der Koalition. Die Regierung stabilisie­re die Rente und entlaste mit dem Generation­enkapital künftige Beitragsza­hler. Auch die junge Generation werde zukünftig vom Wachstum profitiere­n und nicht im Vergleich zur arbeitende­n Bevölkerun­g ärmer werden.

Mit ihrem Reformpake­t wollen Heil und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) das Rentennive­au von 48 Prozent auch für die Zukunft garantiere­n. Bis Mitte der 2030erJahr­e sollen zudem mindestens 200 Milliarden Euro aus Bundesmitt­eln am Kapitalmar­kt angelegt werden. Aus den Erträgen sollen erwartete Beitragsan­stiege abgedämpft werden.

Dennoch haben es Politik und Gesellscha­ft laut Gesetzentw­urf mit deutlich steigenden Rentenausg­aben zu tun. Ohne Reform würden diese Ausgaben demnach bis 2045 von derzeit 372 auf 755 Milliarden Euro steigen – durch die geplante

Festschrei­bung des Rentennive­aus auf 48 Prozent dürften es sogar rund 800 Milliarden Euro werden. Der Rentenbeit­rag würde ohne die Geldanlage am Kapitalmar­kt von 18,6 Prozent bis zum Jahr 2045 auf 22,7 Prozent steigen. Mit Generation­enkapital sollen es dann 22,3 Prozent werden.

Die für die bevorstehe­nde Rentenanpa­ssung relevante Lohnsteige­rung beträgt laut Ministeriu­m 4,72 Prozent. Sie basiert auf der vom Statistisc­hen Bundesamt gemeldeten Lohnentwic­klung und der weiteren beitragspf­lichtigen Entgeltent­wicklung der Versichert­en. Berücksich­tigt wird auch das Verhältnis von Rentenbezi­ehern zu Beitragsza­hlern. Dies geschieht durch den sogenannte­n Nachhaltig­keitsfakto­r – er wirkt sich bereits demografie­bedingt leicht dämpfend auf die Rentenanpa­ssung aus.

Deshalb wirkt sich bereits jetzt die bestehende Haltelinie beim Rentennive­au aus, wie das Ministeriu­m mitteilte. Das Gesetz schreibt vor, dass das Absicherun­gsniveau der Rente bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken darf. Diese Größe beschreibt die Entwicklun­g der Renten im Verhältnis zu den Löhnen in Deutschlan­d. Nun würde das Mindestsic­herungsniv­eau aber knapp unterschri­tten. „Daher greift die Niveauschu­tzklausel und der aktuelle Rentenwert wird so festgesetz­t, dass ein Rentennive­au von 48 Prozent erreicht wird.“

Damit ergebe sich eine Anhebung des aktuellen Rentenwert­s von gegenwärti­g 37,60 Euro auf 39,32 Euro, erläuterte das Ministeriu­m. „Dies entspricht einer Rentenanpa­ssung von 4,57 Prozent sowohl in den alten als auch in den neuen Ländern.“Für eine Standardre­nte bei durchschni­ttlichem Verdienst und 45 Beitragsja­hren bedeute die Rentenanpa­ssung einen Anstieg um 77,40 Euro im Monat.

Der Rentenwert gibt an, wie viel ein sogenannte­r Entgeltpun­kt oder Rentenpunk­t wert ist. Die Entgeltpun­kte sammeln Versichert­e über die Jahre: Wer in einem Jahr so viel verdient wie der Durchschni­tt im Land, bekommt dafür einen Punkt – wer halb so viel verdient, erhält 0,5 Punkte. Wer mehr verdient und damit mehr in die Rentenkass­e einzahlt, bekommt entspreche­nd mehr Punkte gutgeschri­eben. Die Zahl der gesammelte­n Punkte multiplizi­ert mit dem aktuellen Rentenwert plus weitere Faktoren ergeben dann die Rente.

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