Ringen um gemeinsamen Wirtschaftspakt
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sind sich einig, dass ihre Regierung sehr schnell viel mehr tun muss, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und Investitionsbedingungen zu verbessern. Die Frage ist das
Das Treffen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit den Chefs führender Wirtschaftsverbände und einflussreichen Ökonomen sollte geheim bleiben, doch im politischen Berlin bleibt selten etwas unter der Decke. Die Öffentlichkeit erfuhr nach dem informellen Gespräch in Habecks Ministerium vergangene Woche wenig über die Inhalte. Doch es stand symbolisch für den Versuch der beiden Minister gemeinsam und nicht gegeneinander die Wirtschaftsschwäche zu bekämpfen. Habeck hat erkannt, dass es nur mit mehr staatlichen Schulden nicht getan sein wird, auch Reformen müssen angeschoben werden. Und Lindner? Wird der FDP-Chef am Ende doch zusätzlichen neuen
Schulden zustimmen? Zum Stand der Debatte die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum steht die Wirtschaft so schlecht da?
Die deutsche Wirtschaft steckt nach 2023 derzeit weiter in der Rezession. Das Münchner Ifo-Institut rechet für 2024 nur mit einem Wachstum von 0,2 Prozent, das Kieler Institut für Weltwirtschaft mit 0,1 Prozent. Als Gründe gelten die Schwäche Chinas, die Kriege in der Ukraine und Nahost, die Inflation und gestiegene Zinsen, aber auch strukturelle Nach
teile wie die überbordende Bürokratie, der Fachkräftemangel, hohe Energiekosten und Firmensteuern.
Wie soll die Wirtschaft entlastet werden?
Das ist die Gretchenfrage, über die in der Bundesregierung Uneinigkeit herrscht. Habeck hatte erst kürzlich ein milliardenschweres Sondervermögen vorgeschlagen, mit dem Unternehmen unter die Arme gegriffen werden soll – etwa durch Steuergutschriften und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten. Er räumte ein, dass die Firmensteuern internatio
nal nicht wettbewerbsfähig seien. Im letzten Punkt stimmt er mit Finanzminister Lindner überein, der eine „Wirtschaftswende“fordert. Doch ein schuldenfinanziertes Sondervermögen, um Subventionen auf Pump zu zahlen, lehnte der FDP-Chef klar ab. Und der Kanzler? Der hält sich in der Debatte auffällig zurück. Der Kanzler verwies auf das Wachstumschancengesetz, das Steuererleichterungen für Unternehmen bringen soll.
Was plant der Finanzminister?
Finanzminister Lindner hat mit seiner Forderung nach einer „Wirtschaftswende“den Vize-Kanzler herausgefordert, in dessen Zuständigkeit sie fällt.
Es gebe ein Wachstums- und kein Konjunkturproblem, ein Angebots- und kein Nachfrageproblem, so Lindner. Zu dem von ihm geplanten „Dynamisierungspaket“zählt der Bürokratieabbau, die Entlastung der Steuerzahler, auch Reformen des Sozialstaats.
Für alle neuen Ideen, den Sozialstaat auszubauen, hat er ein Moratorium gefordert. Auch die FDP-Fraktion sieht großen Bedarf: „Für die FDP ist klar, dass ein großer Wurf notwendig ist, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen“, sagte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Vogel unserer Redaktion.
Wie sieht der Zeitplan für das neue Wachstumspaket aus?
Habeck und Lindner wollen bis Frühsommer ein gemeinsames Konzept zur Ankurbelung des Wachstums vorlegen, das in den Bundeshaushalt 2025 eingearbeitet werden und spätestens ab Anfang 2025 wirken soll. Der Etat soll Anfang Juli vom Kabinett beschlossen werden.
Soll die Bundesregierung weiter Top-Unternehmen mit MilliardenSubventionen locken?
Scholz und Habeck plädieren dafür, dass etwa Halbleiter-Herstellern oder Batteriefabriken die Ansiedlung in Deutschland weiterhin mit Milliardensummen schmackhaft gemacht wird. So kommt es, dass sich etwa TSMC in Sachsen, Intel in Sachsen-Anhalt oder der Batteriehersteller Northvolt in Schleswig-Holstein niederlassen. Lindner steht auf einem anderen Standpunkt, auch wenn er sich damit nicht durchsetzen konnte.
Habeck und Lindner wollen bis Frühsommer ein gemeinsames Konzept zur Ankurbelung des Wachstums vorlegen, das in den Bundeshaushalt 2025 eingearbeitet werden und spätestens ab Anfang 2025 wirken soll.
Wie ist es um den Umbau der Energiewirtschaft bestellt?
Auch wenn sich Deutschland in Rekordtempo unabhängig von russischem Gas gemacht hat, stammen noch immer 90 Prozent der fossilen Energieversorgung aus Importen. Habeck betonte am Dienstag beim „Energy Transition Dialog“im Auswärtigen Amt, dass Deutschland diese Abhängigkeit auf 30 Prozent reduzieren will. Gelingen soll das mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, der Elektrifizierung von der Mobilität bis zur Wärmeproduktion und mit der Wasserstoffproduktion.