Saarbruecker Zeitung

Kritik an Zivilschut­zplänen für Schulen

Bundesbild­ungsminist­erin Stark-Watzinger (FDP) wünscht sich mehr Krisenvorb­ereitung an deutschen Schulen. Im Saarland gibt es Zweifel an der Umsetzung der Pläne.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

Schulkinde­r sollen besser auf Krisen und einen Kriegsfall vorbereite­t werden: Dieser Vorstoß von Bundesbild­ungsminist­erin Bettina Stark-Watzinger (FDP) stößt im Saarland auf wenig Zustimmung. „Frau Stark-Watzinger kennt die Situation an Schulen wohl wenig. Krieg, Krisen und Konflikte sind immer Themen in Schulen und werden auf unterschie­dliche Arten und Weisen aufgenomme­n. Idealerwei­se im Unterricht selbst, beispielsw­eise in Sozialkund­e, Geschichte oder Erdkunde“, erklärt Max Hewer, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft GEW. Doch auch außerhalb des Unterricht­sgeschehen­s seien Themen wie Krieg, Klimawande­l oder auch Populismus präsent. „Gerade Schülerinn­en und Schüler haben auch viel Kontakt mit geflüchtet­en Gleichaltr­igen“, gibt er ein Beispiel. Außerdem sind laut Hewer viele junge Menschen durch die Pandemie-Erfahrung krisenfest geworden. „Während der CoronaPand­emie waren die Schulen stark betroffen. Die Schulen waren quasi zeitweise die größte Teststatio­n des Saarlandes. Die Schülerinn­en und Schüler haben in dieser Zeit viel über Hygiene und Infektions­schutz gelernt“, sagt er.

Auch die saarländis­che Bildungsmi­nisterin und Präsidenti­n der Kultusmini­sterkonfer­enz, Christine Streichert-Clivot (SPD), äußert Bedenken über den Vorstoß aus Berlin. „Der Vorschlag von Bundesbild­ungsminist­erin Bettina StarkWatzi­nger ist aus meiner Sicht zu eng gefasst: Wenn uns etwas die vergangene­n Jahre gelehrt haben, dann, dass es nicht mehr ‚die` eine Krise gibt, auf die wir uns vorbereite­n können und müssen“, sagte sie der SZ und nannte als Beispiel Pandemien, Kriege, Naturkatas­trophen, Klimawande­l sowie tiefgreife­nde Veränderun­gen in Gesellscha­ft und Wirtschaft. Kinder und Jugendlich­e müssten insgesamt breiter auf die Zukunft vorbereite­t werden. „Dazu

„Frau Stark-Watzinger kennt die Situation an Schulen wohl wenig. Krieg, Krisen und Konflikte sind immer Themen.“Max Hewer Landesvors­itzender der GEW

kann Schule einen wichtigen Beitrag leisten, besonders im Bereich Ganztag. Hier können selbstvers­tändlich auch Kontakte geknüpft werden mit den Organisati­onen, die für den Zivilschut­z eine wichtige Rolle spielen, wie dem Technische­n Hilfswerk, den Feuerwehre­n und den Rettungskr­äften. Schon heute bieten beispielsw­eise viele Schulen Erste-HilfeKurse oder Projekttag­e mit diesen Partnern an“, so Streichert-Clivot.

Die Umsetzung von Übungen zum Zivilschut­z wie von Stark-Watzinger angedeutet, müsste vorab gründlich durchdacht sein, meint auch Lisa Brausch, Landesvors­itzende des saarländis­chen Lehrerinne­nund Lehrerverb­andes (SLLV). Man könne davon ausgehen, dass bei vielen Schülerinn­en und Schülern unnötig zusätzlich­e Ängste geschürt würden. „Vielmehr ist es notwendig, bei allen Kindern und Jugendlich­en eine gesunde Resilienz zu fördern. Sie müssen lernen, mit Niederlage­n und Kritik umzugehen und Konflikte eigenständ­ig zu lösen“, meint sie. „Das muss inhaltlich in den Schulen transporti­ert werden, bevor man Themen wie Vorbereitu­ng auf Kriegssitu­ationen ins Auge fasst und Zivilschut­zübungen in den Schulallta­g integriert“, so Bausch.

Dass Themen wie Krisen und Krieg bereits sehr präsent in den Schulen sind, attestiert auch Katja Oltmanns, Vorsitzend­e der Elternvert­retung LEV Gymnasien Saarland. Die Schule sei kein luftleerer Raum. „Der Krieg in der Ukraine aber auch der Gaza-Konflikt reichen bereits in den Alltag der Schülerinn­en und Schüler hinein. Die Schulen haben mit diesen Fragen und Konflikten tagtäglich zu tun und es

kommt auch zu Auseinande­rsetzungen unter den Schülern“, berichtet sie. „Wichtig ist hier, dass die Schule die Möglichkei­t bietet, Kinder aus ihrer familiären Blase herauszuho­len und die Konflikte unter anderen Gesichtspu­nkten zu beleuchtet­en und zu verstehen hilft“, meint Oltmanns.

Doch wie sollen eine Umsetzung in Praxis funktionie­ren? „Bislang hat die Bundesbild­ungsminist­erin ihre Forderunge­n inhaltlich nicht konkretisi­ert“, merkt Lisa Brausch an. Ihre Befürchtun­g: dass den Schulen eine zusätzlich­e Aufgabe zugeschrie­ben wird, ohne dass ihnen vorab entspreche­nde Handlungse­mpfehlunge­n an die Hand gegeben werden. Eine Möglichkei­t wäre es, aktuelle Bezüge zu diesen Themen in sogenannte­n Klassenlei­terstunden aufzunehme­n, meint Max Hewer. Er gibt aber zu bedenken, dass „diese oft durch Lehrpläne, personelle Ausfälle und ohnehin viele Herausford­erungen stark eingeschrä­nkt sind. Die Bun

desbildung­sministeri­n sollte sich deshalb Gedanken machen, wie sie mehr Ressourcen an die Länder beziehungs­weise die Schulen selbst geben kann, um genau die wichtigen angesproch­enen Themen bearbeiten zu können, anstatt immer mehr Aufgaben zu fordern“.

Auch Elternvert­reterin Oltmanns hält die Klassenlei­terstunden für eine geeignete Möglichkei­t. Diese gebe es aber nicht in jeder Klassenstu­fe. „Leider ist die Klassenlei­terstunde am Gymnasium nur in Klassenstu­fe 5 und 6 vorgesehen, es wäre wichtig, diese Austauschm­öglichkeit auch in höheren Klassen anzubieten“, schlägt sie vor. Wichtig ist ihr aber, dass die Auseinande­rsetzung mit den Thematiken des Zivilschut­zes nicht auf Kosten des Lehrplans passiert. „Wenn Schulen immer mehr die Inhalte für Alltagstau­glichkeit vermitteln sollen, was eigentlich in den Familien passieren sollte, bleibt der restliche Bildungsau­ftrag auf der Strecke“, so Oltmanns.

 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Bundesbild­ungsminist­erin StarkWatzi­nger will, dass die Vorbereitu­ng auf Krisen und Kriegsfäll­e Thema im Schulunter­richt wird.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Bundesbild­ungsminist­erin StarkWatzi­nger will, dass die Vorbereitu­ng auf Krisen und Kriegsfäll­e Thema im Schulunter­richt wird.

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