„Grüne sind der Prototyp der Überheblichkeit“
Seit Januar gibt es das Bündnis Sahra Wagenknecht. Die Gründerin warnt im SZ- Gespräch vor „woken Diskursen“, einem Überbietungswettbewerb in der Sozialpolitik, unrealistischen Klimazielen – und vor Intriganten, die in jungen Parteien gute Leute vertreibe
Jahre sind Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht in diesem Jahr verheiratet, doch das Eheleben im heimischen MerzigSilwingen kommt inzwischen etwas kürzer. Wagenknecht hat im Januar eine neue Partei gegründet, die ihren Namen trägt, sie tourt in enger Taktung durch die Republik. „Es ist nicht so, dass die Freiräume für unser Privatleben dadurch gewachsen sind“, sagt Wagenknecht im Redaktionsgespräch bei der Saarbrücker Zeitung.
Allerdings, fügt die 54-Jährige hinzu, unterstütze Lafontaine sie sehr. Beide haben eine Mission: ein Angebot für jene zu schaffen, die nicht mehr wissen, wen sie wählen sollen, oder aus Wut und Verzweiflung gleich AfD wählen. Viele AfD-Wähler, die der Partei nicht aus rechtsradikaler Gesinnung ihre Stimme gäben, könnten erreicht werden. „Die heutige Stärke der AfD ist ein Ergebnis der schlechten Ampel-Politik“, sagt Wagenknecht.
Wagenknecht kommt vom äußersten linken Rand des politischen Spektrums. Was ist links für Sie, Frau Wa
genknecht? Sich für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen einzusetzen, sagt sie. Aber heutzutage, ergänzt Wagenknecht, sei links für viele Menschen ein Synonym für
„woke Diskurse unter Akademikern, die sich um Sprachregeln oder Fragen des Lebensstils drehen: Gehe ich in den Bioladen, habe ich ein E-Auto? Diese Art von Linkssein – damit habe ich nichts zu tun! Ich kaufe auch sehr gerne Produkte im Bioladen, aber ich bilde mir nicht ein, dass ich deshalb ein besserer Mensch bin als jemand, der sein Schnitzel bei Aldi kauft“, sagt sie. Die Grünen seien „der Prototyp dieser anmaßenden Überheblichkeit von Leuten, denen es gut geht“.
Ginge es nach den Mitgliederzahlen, wäre die neue Partei völlig irrelevant. 24 Mitglieder gibt es im Saarland, am Freitag wollen sie in Merzig einen Landesverband gründen. Hinzu kommen hunderte registrierte Unterstützer. Die Aufnahmepraxis ist restriktiv: „Wir möchten die Mitglieder vorher kennenlernen“, sagt Wagenknecht. Menschen, die bereits in der Partei sind, können Bekannte empfehlen, bei denen dann noch einmal geschaut wird, was sie so im Internet von sich geben. Erst dann gibt es eine Aufnahmeempfehlung.
Das Risiko, jeden in die Partei zu lassen und schnell zu wachsen, scheut Wagenknecht. Sie ist ein gebranntes Kind: Die Linke im Westen habe die Erfahrung gemacht, dass junge Parteien Menschen anziehen, „die vielleicht schon fünf Parteien hinter sich haben und in die sechste gehen, weil auch da wieder Mandate zu verteilen sind“. Auch aus dem Scheitern ihrer Sammlungsbewegung „Aufstehen“hat sie gelernt. „Ich hatte damals die Illusion: Wenn man das völlig offen gestaltet, setzen sich die Talente durch. Meine Erfahrung war: Es setzen sich vor Ort oft nicht die Besten durch, sondern wenige Intriganten können die Ehrlichen und Soliden vertreiben. So war es auch bei der Linken im Saarland.“
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) soll anders werden als andere Parteien. „Wir wollen auch Menschen Verantwortung geben, die bisher nicht in der Politik waren, die nicht wegen irgendwelcher Mandate kommen, sondern aus ehrlichem Engagement und aus Sorge um die Zukunft unseres Landes.“Mehrmals nennt die ehemals führende Kommunistin dabei auch Unternehmer. Zum Landesvorsitzenden neben Ex-Linken-Landeschefin Astrid Schramm soll am Freitag wohl auch deshalb der politisch bis dato nicht in Erscheinung getretene Merziger Bäckermeister Randolf Jobst gewählt werden, in dessen Café Wagenknecht und Lafontaine Stammgäste waren.
Was unterscheidet die Wagenknecht-Truppe von der Linken? Wagenknecht zählt auf: Das BSW wolle in der Sozialpolitik „seriöse Forderungen“und keinen „Überbietungswettbewerb“, was man so aus ihrem Mund bisher eher selten gehört hat. In der Klimaschutzpolitik sei das BSW gegen „völlig unrealistische Ziele“. Dann kommt Wagenknecht auf die Migration zu sprechen: „Die Vorstellung, wir machen alle Grenzen auf, und jeder, der will, kann kommen und hat Anspruch auf Bürgergeld, ist jenseits der Realität.“Sie wolle nicht, sagt Wagenknecht, dass Menschen glaubten, sie müssten AfD wählen, damit die Zahl neu ankommender Migranten sinke.
Außerdem sagt sie: „Wir stehen für Meinungsfreiheit und sind gegen Cancel Culture.“Schon in der Corona-Zeit habe nicht zuletzt das linke
Spektrum versucht, andere Meinungen aus dem öffentlichen Diskurs zu verbannen. Und schließlich der Frieden: „Wir halten es nicht für sinnvoll, einen neuen Rüstungswettlauf zu beginnen, und glauben auch nicht, dass sich der Ukraine-Krieg durch immer mehr Waffen beenden lässt.“
Weltpolitik aber wird an diesem Tag im Konferenzraum der SZ nicht gemacht. Also, was würde das BSW im Saarland anders machen? Die SPD-Alleinregierung mache aus dem Vertrauensvorschuss bei der Landtagswahl wenig, sagt Wagenknecht. Sie müsse sich stärker bemühen, Industriebetriebe im Saarland zu halten. Zur bislang erfolglosen Ford-Nachfolgesuche sagt sie: „Ich finde schon, dass man der Landesregierung eine Mitverantwortung zuschreiben muss.“
Wagenknecht warnt vor der Abwanderung oder der Schließung von Industrie-Unternehmen, auch vor einem Aus der saarländischen Stahlindustrie, sollte sie wegen immer höherer Energiekosten und CO2Preisen in die roten Zahlen rutschen. „Das wäre für das Land ein Desaster.“Das Verbrenner-Verbot hält sie für einen schweren Fehler: „Wir zerstören eine Schlüsselindustrie in Deutschland, das trifft auch das Saarland hart.“
Das aber wäre im Saarland gar nicht zu ändern. Daher lautet Wagenknechts Forderung, dass die Landesregierung die Gefahren einer falschen Klimapolitik öffentlich benennen müsse. Frühere Ministerpräsidenten des Saarlandes, sagt sie, hätten die bundesweite Debatte mitbestimmt – klar, an wen sie da denkt.
„Die heutige Stärke der AfD ist ein Ergebnis der schlechten Ampel-Politik.“Sahra Wagenknecht Vorsitzende des BSW