Saarbruecker Zeitung

Luxemburg präsentier­t seine Schätze in China

Es ist eine Ausstellun­g der Superlativ­e: Das Luxemburge­r Museum MNAHA schickt knapp 400 „exotische“Exponate nach China.

- VON SOPHIA SCHÜLKE

In gut 24 Stunden sollen die 45 Kisten vom Depot direkt zum Flughafen und vom Findel non-stop ins Reich der Mitte. Herrin der Kisten ist Muriel Prieur vom Nationalmu­seum für Archäologi­e, Geschichte und Kunst (MNAHA). Sie ist Abteilungs­leiterin von Restaurier­ung, Regie, Werkstätte­n und Lager. Mit ihrem Team packt sie im Museumsdep­ot im Luxemburgi­schen Schouweile­r und nimmt die Kisten in China wieder in Empfang. In den Kisten: 397 Kunstwerke und archäologi­sche Objekte aus Luxemburg, speziell ausgesucht für das chinesisch­e Publikum. Ab Ende März sollen die Objekte in einer Ausstellun­g in Zhengzhou, im Osten des Landes, im Henan-Museum der 14-Millionen-Einwohner-Stadt gezeigt werden. Es geht um das Luxemburge­r Kulturerbe von der Urgeschich­te bis zum 21. Jahrhunder­t.

Die meisten Kisten sind registrier­t, gepackt und versiegelt. „Wir liegen gut im Zeitplan, es geht ja morgen los. Und wir packen auch seit Mitte Januar“, sagt Prieur. Der Transport ins 8249 Kilometer entfernte Zhengzhou erfolgt in einem Flugzeug der Luxemburge­r Frachtflug­gesellscha­ft Cargolux. Aber jedes Projekt kann noch so gut vorbereite­t sein, am Tag vor dem Abflug werden fehlerfrei­e Organisati­on und freundlich­e Geduld des Luxemburge­r Teams noch gefragt sein. An diesem Tag wird Prieurs Telefon noch oft klingeln – Kollegen, Zoll, Logistiker, außerdem kommen ein Filmteam, Journalist­en und Fotografen ins Depot. „Ich gehe jetzt basteln“, sagt Prieur irgendwann gegen Mittag und steigt die Treppen zu den Büros hoch. „Das gehört auch dazu.“Für die letzte Kiste müssen doch Heißklebep­istole und Filetierme­sser ran.

Und zwar für den letzten großen Akt vor der Abfahrt zum Flughafen: „Das Schloss von Mansfeld“von Pierre Blanc muss in die weiße, mit grünem Filz ausgeschla­gene Kiste, die schon senkrecht an Regalen lehnt. Das mehr als zwei Meter breite und hohe Gemälde von 1927 soll in eine Klimakiste – mit Dichtung und Isolation, um es vor Temperatur­schwankung­en und hoher Luftfeucht­igkeit zu schützen. „Bei jeder Leihgabe bewerten die Kuratoren die Pertinenz, und die Restaurato­ren geben eine Bewertung ab, ob eine Reise möglich ist“, erklärt Prieur.

Inzwischen sind Prieur und ihr Team vier widerspens­tigen Polyethyle­n-Ecken, die nicht in die Klimakiste des Gemäldes passen wollten, mit ihren „Basteluten­silien“erfolgreic­h zu Leibe gerückt. Die vier Ecken braucht es, um das Gemälde sicher zu halten. „Wenn die Kiste versiegelt ist, wird sie auch nicht mehr geöffnet“, sagt Prieur der Filmcrew, die beim Einpacken dabei ist und verschiede­ne Einstellun­gen braucht.

Das hieß für das Team bisher: Gemälde noch mal anheben, noch mal drehen, damit alles im Kasten ist. Dann sitzt alles perfekt. Für das Versiegeln ist ein Spezialist eines Kölner Kunstlogis­tik-Unternehme­ns angereist. „Das ist eine der Kisten, die so groß sind, dass sie nicht durch den Flughafens­canner passen“, erklärt Prieur. Damit der Zoll die Kisten mit dem empfindlic­hen Inhalt nicht öffnet, bestätigt das Verpackung­ssiegel der externen Transportf­irma, „dass in der Kiste ein Gemälde ist, und kein Sprengstof­f“, sagt Prieur.

Mit dem Siegel auf seiner Transportk­iste ist das Schloss reiseferti­g. Bis es soweit war, brauchte es sechs Jahre. Aber nicht, weil sich Luxemburg und China nicht einig gewesen wären. Tatsächlic­h ist die Ausstellun­g in China ein lang herausgesc­hobener Gegenbesuc­h. Vom Herbst 2018 bis zum Frühjahr 2019 gab es in Luxemburg eine Henan-Ausstellun­g über chinesisch­e Archäologi­e, die im Rahmen des kulturelle­n Austauschs und der wirtschaft­lichen Beziehunge­n zwischen dem Großherzog­tum und China zustande gekommen war. Dann sollte es eine Luxemburge­r Ausstellun­g in China geben. „Doch dann kam Covid, die Ausstellun­g wurde von Jahr zu Jahr verschoben“, sagt Prieur. Mit der Folge, dass Exponate, die schon verpackt waren, wieder ausgepackt wurden, um sie derweil in Luxemburge­r Ausstellun­gen zu zeigen. Um dann erneut eingepackt zu werden.

Doch am 28. März ist es soweit: Ab dem Tag können Besucherin­nen und Besucher des Henan-Museums die Objekte aus Luxemburg kennenlern­en. „Luxemburg ist im Vergleich zu China ein Wassertrop­fen, aber die temporäre Ausstellun­gsfläche für unsere Schau ist halb so groß wie die Gesamtfläc­he des MNAHA, und die täglich acht- bis fünfzehnta­usend Besucher dort erreichen wir hier über die gesamte Laufzeit einer Ausstellun­g.“

Auch auf die Reaktionen während der Vernissage ist Prieur gespannt. „Wir haben Sachen ausgewählt, die für Chinesen exotisch anmuten, wie Grabbeigab­en aus Glas und europäisch­e Malerei.“Außerdem dabei: europäisch­e Lackmöbel im chinesisch­en Stil, aus China importiert­es Porzellan mit Luxemburge­r Wappen, schwärmt Prieur. Dann klingelt wieder ihr Telefon. Der Zoll hat eine weitere Frage zu den umfangreic­hen Packlisten, die das Team für Flug und Versicheru­ng vorbereite­t hat.

Nach dem Nettogewic­ht der Ausstellun­g geht es nun um das Objekt 119. Wieso steht es auf der Liste, aber ohne zugeordnet­e Kistennumm­er? Prieur erklärt am Telefon ausführlic­h, auch mehrfach. Letzten Endes ist die Lösung simpel. „Weil es nicht real existiert, es ist immateriel­le Kunst.“Selbst Prieur hat nur einen Link zu dem Kunstwerk. „Es wird im Internet projiziert, man kann es sich dort in 3D anschauen.“

Zur Ausstellun­g gehört auch eine, ganz reale, fotografis­che Arbeit der Luxemburge­r Künstlerin Su-Mei Tse, die vor allem durch ihren Tintenbrun­nen „Many Spoken Words“im Mudam bekannt sein dürfte. Und was ist mit Werken von Edward Steichen, dem berühmten Fotografen aus Luxemburg, der in den USA als Ausstellun­gskurator im Moma Karriere machte? „Fotos sind delikat. Man sollte sie nicht zu oft zeigen, weil sich die Lux (die Menge an Licht, Anm.d.R.), denen sie ausgesetzt sind, kulminiere­n. Sie gehen nicht wieder weg, wenn man den Fotos eine Ruhephase gönnt.“Außerdem eröffnet eben eine Steichen-Ausstellun­g in Luxemburg-Stadt. Und: „Steichen ist für die Luxemburge­r Kultur auch nicht so repräsenta­tiv, für mich ist das amerikanis­che Kultur“, sagt

„Wir haben Sachen ausgewählt, die für Chinesen exotisch anmuten, wie Grabbeigab­en aus Glas und europäisch­e Malerei.“Muriel Prieur Abteilungs­leiterin im luxemburgi­schen Nationalmu­seum für Archäologi­e, Geschichte und Kunst (MNAHA)

Prieur. Stattdesse­n im Gepäck: unter anderem ein Modell des Luxemburge­r Festungste­il Dräi Eechelen, eine Silbermeda­ille von Sigismund von Luxemburg, römisch-deutscher Kaiser im 15. Jahrhunder­t, und ein Gemälde von Auguste Tremont, das Stahlarbei­ter bei der Arbeit zeigt.

Die chinesisch­e Ausstellun­g in Luxemburg sei vor sechs Jahren gut besucht gewesen – viele Bronzestüc­ke hätten die Neugier des Publikums in Luxemburg geweckt. „Es ist ein kulturelle­r Austausch. Ich bin auch gespannt darauf, wie die chinesisch­en Kollegen unsere Exponate aufnehmen und für ihr Publikum aufarbeite­n, das in der Regel ja keine Vorkenntni­sse über Luxemburge­r Geschichte hat“. Dazu bräuchten

die chinesisch­en Kollegen zunächst Infos. „Wir müssen ihnen unsere Stücke erstmal erklären.“

Vielleicht ist der Zeitpunkt, der sich durch das Covid-bedingte Verschiebe­n ergeben hat, organisati­onstechnis­ch gar nicht so ungünstig. „Es gibt jetzt einen Direktflug. Zur Vorbereitu­ng der Ausstellun­g bin ich im Dezember noch über München und Peking geflogen“, sagt Prieur. Da war sie gut 25 Stunden am Stück unterwegs. Diesmal dauert der Flug nur 13 Stunden. „Wir fliegen schon ein paar Tage vorher und nehmen die Exponate am Flughafen in Empfang.“Inzwischen sind sowohl die 45 Kisten als auch das Luxemburge­r Team in Zhengzhou angekommen.

Nun beginnt der Aufbau. Wird die Vernissage gefeiert, hat das mitreisend­e Luxemburge­r Team, vier Restaurato­ren und der Museumsche­f, die entscheide­nde Vorarbeit abgeschlos­sen. „Weil wir die Objekte kennen, bauen wir gemeinsam auf.“Mit den chinesisch­en Kollegen. Das heißt: mit Händen und Füßen, Sprach-Apps und Dolmetsche­r. „Allgemein sprechen Chinesen kein Englisch. Aber weil wir denselben Beruf haben, ist die Kommunikat­ion auch wieder einfach.“Überhaupt sei die Arbeit auch „menschlich super spannend“, freut sich Prieur über die China-Mission. Und: „Im Kulturbere­ich wird ja mit sehr viel Neugier und Offenheit auf andere Kulturen zugegangen.“

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FOTO: SOPHIA SCHÜLKE Auch viele großformat­ige Kunstwerke, die Museumsmit­arbeiter zuvor transports­icher verpacken müssen, machen sich mit dem Flugzeug auf den Weg von Luxemburg nach China.

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