Saarbruecker Zeitung

Die einzige Frau bei der Saarbrücke­r Müllabfuhr

Vanessa Lamy arbeitet als Müllwerker­in beim Saarbrücke­r Entsorger ZKE. Die 36-Jährige ist dort die einzige Frau in einer Männerdomä­ne.

- VON JOCHEN RATHMANN Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Markus Saeftel

Acht bis zehn Kilometer können es schon am Tag werden, die ein Müllwerker zu Fuß zurücklege­n muss. Dabei bewegt er rund 800 Müllgefäße, um die Stadt und das Umland sauber zu halten. Als wir Vanessa Lamy am Nachmittag zu einem Gespräch am Saarbrücke­r Gaschhübel treffen, dem Verwaltung­ssitz des Entsorgers ZKE, hat sie solch eine Tour gerade hinter sich gebracht. Sie arbeitet seit dem 1. September 2023 bei dem städtische­n Entsorgung­sbetrieb. Und das ist eine Besonderhe­it, schließlic­h ist sie derzeit die einzige Müllwerker­in in Saarbrücke­n.

„Im Schnitt gehen beim ZKE zwischen 50 und 100 Bewerbunge­n ein, wenn wir Stellen bei der Müllabfuhr zu besetzen haben“, sagt Judith Pirrot, Sprecherin des Unternehme­ns. „In diesem Bereich bewerben sich in der Regel pro Auswahlver­fahren allerdings nur zwei bis drei Frauen. Bei der Müllabfuhr ist Vanessa Lamy die einzige, die als Müllwerker­in eingesetzt ist.“

Kein leichter Schritt für die 36-Jährige, zählt dieser Berufszwei­g auch heutzutage noch zu einer meist von Männern dominierte­n Branche. „Am Anfang macht man sich schon Gedanken, wie man angenommen wird“, erzählt Lamy, der es wichtig

war, von Beginn an klarzumach­en, dass sie keine Sonderstel­lung genießt. „Aber die meisten Vorurteile hat man ausgeräumt.“

Sie und ihre rund 70 Kollegen sind täglich ab 6 Uhr auf den Straßen unterwegs. Als Müllwerker­in gibt es drei Aufgabenbe­reiche, in denen sie als Springerin eingesetzt wird. Darunter fällt die Entsorgung des Sperrmülls oder als Lader hinter dem Müllwagen. Vor unserem Treffen war sie im Transports­ervice auf dem Rodenhof unterwegs. Mülltonnen werden aus Häusern und Kellerräum­en hervorgeho­lt und an der Straße für die Abfuhr positionie­rt, nach der Entleerung werden sie an ihren ursprüngli­chen Platz zurückgest­ellt. Diese Leistung wird in den Innenstadt­bereichen wie Malstatt oder Burbach angeboten, um die Verkehrssi­cherheit zu gewährleis­ten und damit die Tonnen nicht unkontroll­iert von den Anwohnern an allen Ecken aufgestell­t werden. Welche Aufgabe sie am nächsten Tag erwartet, entscheide­t sich erst am Morgen, wenn sie kurzfristi­g für eines der 17 Müllund Sperrmüllf­ahrzeuge eingeteilt wird.

Die Reaktionen auf eine Frau in einem bisher noch männlich geprägten Berufsbild sind ganz unterschie­dlich. „Die einen sagen cool, dass das eine Frau macht. Und andere gucken dich komisch an. Vielen Leuten ist es egal. Von anderen habe ich schon guten Zuspruch bekommen. Im Großen und Ganzen wird das schon gut angenommen“, berichtet Lamy.

Einmal wurde sie von einer Passantin gefragt, ob ihr diese Arbeit nicht zu schwer sei, kein unberechti­gter Einwand. Den körperlich­en Aspekt darf man bei dieser Tätigkeit nicht unterschät­zen. „Man muss anpacken können“, sagt Vanessa Lamy und rät auch all jenen, die selbst Interesse an der Arbeit als Müllwerker­in haben, sich vorab Gedanken zu machen, ob man die Leistung und Ausdauer aufbringen kann. „Man muss Tonnen aus dem Keller herauszieh­en oder vom Straßenran­d zum Wagen. Man sollte sich selbst kennen. Man sollte sich selbst einschätze­n können, ob man die Kraft dafür hat oder nicht.“Sollte ein Gefäß dann aber doch mal zu schwer sein, hat bisher immer ein Kollege mit angepackt.

Ein großer Vorteil sind die Arbeitszei­ten. Ihre beiden Kinder sind jetzt in einem Alter, selbststän­dig in die Schule gehen zu können, während sie um 6 Uhr morgens ihre Schicht beginnt. Und nach dem Feieraband um 14.30 Uhr bleibt noch genug Zeit, den restlichen Tag gemeinsam zu verbringen. Auch in finanziell­er Hinsicht ist man beim ZKE einen Schritt weiter, als es in vielen anderen Branchen üblich ist. Denn hier verdienen Frauen genauso viel wie Männer.

„Man sollte sich selbst kennen. Man sollte sich selbst einschätze­n können, ob man die Kraft dafür hat oder nicht.“Vanessa Lamy über ihren anstrengen­den Job

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FOTO: ZKE Vanessa Lamy nahe des St. Johanner Marktes bei ihrer Arbeit als Müllwerker­in.

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