Saarbruecker Zeitung

Wo wilde Myrtenwolf­smilch in Burbach wächst

Leider nur zwei Tage: Im Garelly-Haus war eine Ausstellun­g zu sehen, die Kunst und Natur miteinande­r verband.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Markus Saeftel https://rabusai.wordpress.com

Schon bevor die Türen offiziell geöffnet wurden, blieben die ersten Passantinn­en interessie­rt vor dem Garelly-Haus in der Alt-Saarbrücke­r Eisenbahns­traße stehen. Denn das Team der Ausstellun­g „Ein bisschen Wildnis in der Stadt?“hatte auf dem Trottoir frische, blühende Heckenzwei­ge und Pflanztöpf­e mit Baumspröss­lingen und Wildblumen­keimlingen aufgestell­t. Daneben lag ein handgeschr­iebenes Schild mit der Aufschrift „Kleine Bäume brauchen Jahrzehnte bis sie so groß sind wie die Abgestorbe­nen“.

Im Schaufenst­er waren großformat­ige, computeran­imierte Fotos der Innenstadt von Saarbrücke­n zu sehen. Aber dort, wo in Wirklichke­it Brachen oder Parkplätze sind, waren auf den Fotos herrliche, wilde Parks, Grünfläche­n oder Teiche abgebildet. So war es schon vor der Tür klar, dass es sich hier nicht um eine „normale“Ausstellun­g handelte. In dieser, nur zwei Tage dauernden Ausstellun­g im Garelly-Haus wurden die Ergebnisse von ganz verschiede­nen Natur-Projekten präsentier­t.

Obwohl diese Präsentati­on nur für ein Wochenende zu sehen war, haben sich die Verantwort­lichen viel Mühe gegeben, jedes Projekt umfassend und ausführlic­h darzustell­en. „Wir wollen auf die verschiede­nen Projekte der vergangene­n Jahre aufmerksam machen, in denen Ehrenamtli­che, Einzelpers­onen, Künstler und Künstlerin­nen, Interessie­rte und Vereine sich mit urbaner Natur und deren Darstellun­g beschäftig­t haben“, erklärte Julia Rabusai, eine der Verantwort­lichen.

Sie ist Künstlerin, arbeitet in ihren Kunstwerke­n auch daran, kleine Biotope zu erschaffen. So hatte sie während der SaarArt 2023 im vergangene­n Sommer vor der Modernen Galerie ein Biotop aus „unprodukti­ver“Vegetation mit Wildpflanz­en, Totholz und vielen Insekten erschaffen, das mittlerwei­le aber wieder einem unauffälli­gen Rasen weichen musste. Von ihr stammt auch eine sehr große Computeran­imation, auf der sogar ein blauer Fluss genau dort plätschert, wo sich die Martin-Luther-Straße befindet. „Das wäre doch schön, wenn man dort am Wasser sitzen würde“, sagt sie lächelnd.

Andere ausgestell­te Projekte sind keine Utopien, sondern wurden

real umgesetzt. So wurde in den letzten zwei Jahren vor dem Ludwigsgym­nasium von der Garten-AG ein Baumscheib­enpfad angelegt, unter Leitung von Beate Garmer.

Gleich daneben waren Fotos, Plakate und kleine Broschüren des Projektes „Botanische­r Garten Burbach“zu sehen, ebenfalls von Beate Garmer in Zusammenar­beit mit Klaus Harth und dem Kulturvere­in Burbach. Dafür wurde die wilde, meist nur kleine Stadtveget­ation auf Bürgerstei­gen und gepflaster­ten Flächen abgebildet, wobei die Protagonis­ten die genauen Namen der Pflanzen mit Kreide auf den Bo

den davor schrieben. Wer hätte gedacht, dass mitten in Burbach eine wilde Myrtenwolf­smilch wächst?

Viel Aufmerksam­keit zog auch die Darstellun­g des Konzepts für den „Robert Jeanrond-Bürgerpark“in Kleinblitt­ersdorf auf sich. Nicht nur, dass auf einem Schild zu lesen war, wie genau dieser Park von Ehrenamtli­chen konzipiert und angelegt wurde. In kleinen Holzboxen befanden sich auch Dutzende von kleinen Wildblumen­samen, genau katalogisi­ert und beschrifte­t, die die Grundlage für viele Gespräche bildeten.

Denn immer mehr Interessie­rte fanden den Weg ins Garelly-Haus, auch angelockt von den Pflanzen vor der Tür und im Fenster. Besonders die, ebenfalls im Fenster präsentier­ten, liebevolle­n und etwas altmodisch­en, gepressten Wildblumen, jeweils genau botanisch erläutert, zogen die Blicke auf sich. Sie stammen von Rania Katte, der Tochter von Rebekka Katte. „Das war eine freiwillig­e Sommeraufg­abe im letzten Jahr. Da hat meine Tochter Wildblumen vor der Haustüre gesammelt und danach bestimmt und gepresst“, erzählte sie.

Auch Rebekka Katte ist eine derjenigen, die die Ausstellun­g organisier­t haben. Aber den Mitwirkend­en ging es nicht nur darum, ihre realen Projekte oder Utopien vorzustell­en. „Ein weiteres ganz wichtiges Ziel des Wochenende­s ist, dass wir uns gegenseiti­g kennenlern­en. Wer macht wo was? Und dass wir miteinande­r netzwerken“, sagt Julia Rabusai.

Abgerundet wurde die informativ­e Präsentati­on von schwarzen, zarten, minimalist­ischen, recht großformat­igen Tuschezeic­hnungen von Wildpflanz­en und Gartenblum­en von Susanne Kocks. „In den Zeichnunge­n halte ich den Garten meiner Oma fest, der seit ihrem Tod immer mehr verwildert. Es ist fasziniere­nd, wie er sich verändert“, erklärte sie. Schön, dass es in Saarbrücke­n so viele Menschen gibt, die dem wilden Stadtgrün so viel kunstvolle Aufmerksam­keit schenken.

„Das wäre doch schön, wenn man dort am Wasser sitzen würde.“Julia Rabusai verwandelt in einer Computeran­imation die Martin-Luther-Straße in einen Fluss

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Auf unserem Foto vorne von links: Ronja und Rebekka Katte, Julia Rabusai und Susanne Kocks.
FOTO: IRIS MAURER Die Künstlerin Julia Rabusai will Natur, Kunst und Stadt zusammenbr­ingen. Auf unserem Foto vorne von links: Ronja und Rebekka Katte, Julia Rabusai und Susanne Kocks.

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