Saarbruecker Zeitung

Wolfgang Seel: „Wir sind nicht chancenlos“

Ex-Profi des 1. FC Saarbrücke­n und 1. FC Kaiserslau­tern fiebert dem Halbfinal-Pokalderby in knapp zwei Wochen entgegen.

- VON PATRIC CORDIER

Bundesliga-Tabellenfü­hrer Bayer Leverkusen? Die Zweitligis­ten Fortuna Düsseldorf oder 1. FC Kaiserslau­tern? Oder doch Drittligis­t 1. FC Saarbrücke­n? Eine dieser vier wird am 25. Mai 2024 im Berliner Olympiasta­dion den Sieg im DFB-Pokal feiern dürfen. „Der haushohe Favorit ist natürlich aktuell Leverkusen“, sagt Ex-Nationalsp­ieler Wolfgang Seel. Der Saarländer ergänzt mit breitem Lächeln: „Bei den anderen drei fiebere ich irgendwie noch mit, denn ich habe ja selbst dort gespielt.“

Mit zweien davon hat Seel auch das Pokal-Finale erreicht, zwei Mal durfte der heute 75-Jährige den Pott selbst in die Höhe stemmen. Das war 1979 mit der Fortuna. „1978 haben wir gegen den 1. FC Köln verloren“, sagt Seel und erinnert sich lieber an das Spiel gegen die Hauptstädt­er. Damals hat sich der Mann aus Kirkel in die Geschichts­bücher der Rheinmetro­pole geschriebe­n. Kurz vor Ende der Verlängeru­ng erzielte Seel den 1:0-Siegtreffe­r. „Ich habe dann gesehen, dass Abwehrspie­ler Uwe Kliemann zurück zu Torwart Norbert Nigbur spielen wollte. Doch auf dem holprigen Platz sprang der Ball auf. Nigbur konnte ihn nicht festhalten – das war damals ja noch erlaubt. Ich spitzelte den Ball weg und traf mit dem linken Fuß aus spitzem Winkel“, erzählt Seel, als sei es gestern gewesen. Der Treffer wurde zum Tor des Monats und ist an der längsten Theke der Welt noch heute unvergesse­n. Und das, obwohl die Fortuna im Jahr darauf nach Toren von Thomas Allofs und Rüdiger Wenzel mit einem 2:1 über den Erzrivalen aus der Domstadt den Titel sogar verteidige­n konnte.

Seels Karriere begann in Kirkel, wo er mit 17 Jahren in der ersten Mannschaft sein Debüt gab und auf Anhieb Torschütze­nkönig wurde. „Als kleiner Junge war ich Fan von Borussia Neunkirche­n. Ich bin immer mit einer Fahne mit dem Fahrrad zum Ellenfeld gefahren und habe mir ausgemalt, selbst einmal für die Borussia spielen zu dürfen.“Doch es kam anders. Ein anderer saarländis­cher Verein wurde auf das Sturmtalen­t aufmerksam. „Damals kam Waldemar Philippi vom FCS zu uns nach Hause und hat angeboten, dass ich zu den Blau-Schwarzen wechselte. Ich habe dann lange mit meinem Vater diskutiert, ob das Sinn macht. Aber irgendwann ist die Entscheidu­ng gefallen.“

Für den FCS, wo sich der junge Wolfgang – wie später auf all seinen Stationen – sofort einen Stammplatz eroberte. In einer Mannschaft mit Erich Rohe, Albert Kempf und Dieter Diehl spielte Seel als halbrechte­r Läufer auch mit Größen wie Emil Poklitar und Walter Gawletta. „Ich musste mir da schon einiges anhören, aber ich habe mich durchgeset­zt“, erzählt Seel, „wir haben dann in der Regionalli­ga zwar die Aufstiegsr­unde erreicht, konnten aber letztlich nicht aufsteigen.“

Von 1966 bis 1971 trug Seel das Trikot der Malstätter. „Es war an einem Montagaben­d. Ich lag schon im Bett, weil es sonntags etwas länger geworden war, da weckte mich meine Mutter. Da wären zwei Herren aus Kaiserslau­tern.“Im Schlafanzu­g sei er ins Wohnzimmer gekommen, in dem schon Otto Rehagel und Dietrich Weise saßen. „Sie kamen von einem Lehrgang von der Sportschul­e und konnten mich dann von einem Wechsel zum FCK überzeugen.“Seels Vertrag in Saarbrücke­n lief aus, die Aussicht in der Bundesliga zu spielen, lockte.

1972 erreichte Seel mit den Roten Teufeln erstmals das DFB-Pokalfinal­e. In Hannover ging es gegen Schalke 04. „Die haben uns richtig vorgeführt. 5:0 gab es auf die Ohren, wir waren chancenlos“, erinnert sich der Saarländer, „trotzdem waren nach unserer Heimkehr Fans da, die uns gefeiert haben.“Die Anhänger – ein Unterschie­d zwischen den Saarländer­n und den Pfälzern. „Mit dem FCS hatte wir im Sportfeld vier- bis fünftausen­d Zuschauer, in Lautern waren es fünf Mal so viele“, sagt Seel. Doch auch das Geld spielte natürlich eine Rolle: „2000 Mark hatte man damals als durchschni­ttlicher Bundesliga-Spieler. Plus Nebenabspr­achen.“Weil das mit den Absprachen aber offenbar nicht so eingehalte­n wurde, führte Seels Weg – trotz Angebot vom FC Bayern – nach Düsseldorf.

Zurück in die Gegenwart, wo Seel als Ex-Aufsichtsr­atsmitglie­d die wunderbare Reise des FCS ins Halbfinale mitverfolg­t hat. „Gegen Karlsruhe haben wir verdient gewonnen. Bayern war überheblic­h, und wir hatten das notwendige Glück. Die Frankfurte­r haben hier gegen starke Saarbrücke­r enttäuscht“, zählt Seel die Stationen auf. „Der Sieg gegen Mönchengla­dbach war einer der emotionals­ten Momente meines Lebens. Meine Kinder Fabian und Anja und ich haben auf der Tribüne geweint vor Glück“, sagt Seel – trotz DFB-Pokalsiege­n, Länderspie­len und dem ersten Enkelkind vor sieben Wochen: „Als Aktiver erlebst du das anders. Das hier war einfach fasziniere­nd.“Anders als vor vier Jahren, als im Halbfinale gegen Leverkusen Schluss war, soll der Weg diesmal nach Berlin führen. „Kaiserslau­tern ist Favorit“, sagt Seel, „aber wir sind nicht chancenlos. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Wolfgang Seel (rechts, hier im Duell mit Dieter Ungewitter von Eintracht Frankfurt) lief für den 1. FC Kaiserslau­tern in 96 Spielen auf und erzielte dabei 22 Tore.
 ?? FOTO: HARTUNG/IMAGO IMAGES ?? Mit dem 1. FC Saarbrücke­n stand Wolfgang Seel (rechts) 1985 im DFB-PokalHalbf­inale, unterlag aber Bayer Uerdingen mit 0:1.
FOTO: HARTUNG/IMAGO IMAGES Mit dem 1. FC Saarbrücke­n stand Wolfgang Seel (rechts) 1985 im DFB-PokalHalbf­inale, unterlag aber Bayer Uerdingen mit 0:1.
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FOTO: SCHLICHTER Wolfgang Seel war auch zeitweise FCSAufsich­tsratsmitg­lied.

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