Wolfgang Seel: „Wir sind nicht chancenlos“
Ex-Profi des 1. FC Saarbrücken und 1. FC Kaiserslautern fiebert dem Halbfinal-Pokalderby in knapp zwei Wochen entgegen.
Bundesliga-Tabellenführer Bayer Leverkusen? Die Zweitligisten Fortuna Düsseldorf oder 1. FC Kaiserslautern? Oder doch Drittligist 1. FC Saarbrücken? Eine dieser vier wird am 25. Mai 2024 im Berliner Olympiastadion den Sieg im DFB-Pokal feiern dürfen. „Der haushohe Favorit ist natürlich aktuell Leverkusen“, sagt Ex-Nationalspieler Wolfgang Seel. Der Saarländer ergänzt mit breitem Lächeln: „Bei den anderen drei fiebere ich irgendwie noch mit, denn ich habe ja selbst dort gespielt.“
Mit zweien davon hat Seel auch das Pokal-Finale erreicht, zwei Mal durfte der heute 75-Jährige den Pott selbst in die Höhe stemmen. Das war 1979 mit der Fortuna. „1978 haben wir gegen den 1. FC Köln verloren“, sagt Seel und erinnert sich lieber an das Spiel gegen die Hauptstädter. Damals hat sich der Mann aus Kirkel in die Geschichtsbücher der Rheinmetropole geschrieben. Kurz vor Ende der Verlängerung erzielte Seel den 1:0-Siegtreffer. „Ich habe dann gesehen, dass Abwehrspieler Uwe Kliemann zurück zu Torwart Norbert Nigbur spielen wollte. Doch auf dem holprigen Platz sprang der Ball auf. Nigbur konnte ihn nicht festhalten – das war damals ja noch erlaubt. Ich spitzelte den Ball weg und traf mit dem linken Fuß aus spitzem Winkel“, erzählt Seel, als sei es gestern gewesen. Der Treffer wurde zum Tor des Monats und ist an der längsten Theke der Welt noch heute unvergessen. Und das, obwohl die Fortuna im Jahr darauf nach Toren von Thomas Allofs und Rüdiger Wenzel mit einem 2:1 über den Erzrivalen aus der Domstadt den Titel sogar verteidigen konnte.
Seels Karriere begann in Kirkel, wo er mit 17 Jahren in der ersten Mannschaft sein Debüt gab und auf Anhieb Torschützenkönig wurde. „Als kleiner Junge war ich Fan von Borussia Neunkirchen. Ich bin immer mit einer Fahne mit dem Fahrrad zum Ellenfeld gefahren und habe mir ausgemalt, selbst einmal für die Borussia spielen zu dürfen.“Doch es kam anders. Ein anderer saarländischer Verein wurde auf das Sturmtalent aufmerksam. „Damals kam Waldemar Philippi vom FCS zu uns nach Hause und hat angeboten, dass ich zu den Blau-Schwarzen wechselte. Ich habe dann lange mit meinem Vater diskutiert, ob das Sinn macht. Aber irgendwann ist die Entscheidung gefallen.“
Für den FCS, wo sich der junge Wolfgang – wie später auf all seinen Stationen – sofort einen Stammplatz eroberte. In einer Mannschaft mit Erich Rohe, Albert Kempf und Dieter Diehl spielte Seel als halbrechter Läufer auch mit Größen wie Emil Poklitar und Walter Gawletta. „Ich musste mir da schon einiges anhören, aber ich habe mich durchgesetzt“, erzählt Seel, „wir haben dann in der Regionalliga zwar die Aufstiegsrunde erreicht, konnten aber letztlich nicht aufsteigen.“
Von 1966 bis 1971 trug Seel das Trikot der Malstätter. „Es war an einem Montagabend. Ich lag schon im Bett, weil es sonntags etwas länger geworden war, da weckte mich meine Mutter. Da wären zwei Herren aus Kaiserslautern.“Im Schlafanzug sei er ins Wohnzimmer gekommen, in dem schon Otto Rehagel und Dietrich Weise saßen. „Sie kamen von einem Lehrgang von der Sportschule und konnten mich dann von einem Wechsel zum FCK überzeugen.“Seels Vertrag in Saarbrücken lief aus, die Aussicht in der Bundesliga zu spielen, lockte.
1972 erreichte Seel mit den Roten Teufeln erstmals das DFB-Pokalfinale. In Hannover ging es gegen Schalke 04. „Die haben uns richtig vorgeführt. 5:0 gab es auf die Ohren, wir waren chancenlos“, erinnert sich der Saarländer, „trotzdem waren nach unserer Heimkehr Fans da, die uns gefeiert haben.“Die Anhänger – ein Unterschied zwischen den Saarländern und den Pfälzern. „Mit dem FCS hatte wir im Sportfeld vier- bis fünftausend Zuschauer, in Lautern waren es fünf Mal so viele“, sagt Seel. Doch auch das Geld spielte natürlich eine Rolle: „2000 Mark hatte man damals als durchschnittlicher Bundesliga-Spieler. Plus Nebenabsprachen.“Weil das mit den Absprachen aber offenbar nicht so eingehalten wurde, führte Seels Weg – trotz Angebot vom FC Bayern – nach Düsseldorf.
Zurück in die Gegenwart, wo Seel als Ex-Aufsichtsratsmitglied die wunderbare Reise des FCS ins Halbfinale mitverfolgt hat. „Gegen Karlsruhe haben wir verdient gewonnen. Bayern war überheblich, und wir hatten das notwendige Glück. Die Frankfurter haben hier gegen starke Saarbrücker enttäuscht“, zählt Seel die Stationen auf. „Der Sieg gegen Mönchengladbach war einer der emotionalsten Momente meines Lebens. Meine Kinder Fabian und Anja und ich haben auf der Tribüne geweint vor Glück“, sagt Seel – trotz DFB-Pokalsiegen, Länderspielen und dem ersten Enkelkind vor sieben Wochen: „Als Aktiver erlebst du das anders. Das hier war einfach faszinierend.“Anders als vor vier Jahren, als im Halbfinale gegen Leverkusen Schluss war, soll der Weg diesmal nach Berlin führen. „Kaiserslautern ist Favorit“, sagt Seel, „aber wir sind nicht chancenlos. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“