Die Hoffnung einer ganzen Fußball-Nation
Rückkehrer Toni Kroos soll die DFB-Elf Richtung Heim-EM wieder zum Erfolg führen. Pavlovic-Debüt fällt krankheitsbedingt aus.
(sid) Toni Kroos erlaubte sich gleich mal eine kleine Schummelei. Als der prominente Rückkehrer nach einem verlorenen Trainingsspielchen zu zehn Strafliegestützen verdonnert wurde, erhob er sich schon nach sechseinhalb, als wäre nichts gewesen. Auch wenn Kroos augenzwinkernd flunkerte: „Nein, nein, das waren saubere zehn!“
So oder so: Abgesehen von der kleinen Trickserei war Kroos 994 Tage nach seinem 106. und bislang letzten Länderspiel gleich wieder voll dabei. Als die von Julian Nagelsmann mit dem Prädikat „genial“geadelte Passmaschine, als geduldiges Ohr für „Radio“Thomas Müller, als Fanliebling bei der Ankunft am Montag. „Typisch deutsch“, wie es in der DFB-Kampagne zu den neuen EM-Trikots heißt, „war es mal, wenn man erfolgreich war“, sagte Kroos am Dienstag am Frankfurter DFB-Campus und betonte mit festem Blick: „Da wollen wir wieder hinkommen!“Und zwar mit ihm.
Obwohl Kroos neben seiner Mutter Birgit auch seinen größten Fan erst überzeugen musste, wie er schmunzelnd berichtete: Opa Heinz hatte leise Zweifel, inzwischen hat auch er sich aber „sein Deutschland-Trikot bestellt“. Kroos ist damit startklar – und seine Rückkehr im Länderspiel gegen Frankreich in Lyon am Samstag (21.00 Uhr/ZDF) wird heiß ersehnt von der darbenden FußballNation. Sogar Kroos` Chefkritiker Uli Hoeneß ist von seiner Einschätzung abgewichen, ihn einzusetzen, sei „ein Titanic-Signal“. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus meinte:
„Wir brauchen ihn!“Kroos und Nagelsmann haben bereits klargestellt, dass der 34-Jährige kein „alleiniger Heilsbringer“sei. Er habe „sämtliche Konstellationen und Reaktionen mitgedacht und entschieden: Das Positive überwiegt“, berichtete der Rückkehrer: „Am Ende bin ich aus dem Herzen Fußballer.“
Und die Aussicht auf die Heim-EM sei nun mal „brutal interessant“. Es bleibt aber ein Wagnis. Nagelsmann
wirft für ihn die Hierarchie über den Haufen. Es sei nun mal „kein Geheimnis“, sprach Kroos in die Kameras in Frankfurt, dass Erfahrung und Klasse einer Mannschaft helfen.
Er sieht es als eine seiner Aufgaben, „außergewöhnliche Spieler“wie Jamal Musiala oder Florian Wirtz „dahin zu bringen, dass sie uns allen Spaß machen und nicht untergehen“. Dafür änderte Nagelsmann auch seine personelle Ausrichtung,
beorderte Ex-Chef Joshua Kimmich nach hinten rechts und Kapitän Ilkay Gündogan nach vorne. Dabei hieß es über Jahre: Kroos mit Gündogan – das passt nicht.
Als vermeintlicher Beleg diente unter anderem das unvergessene 0:6-Desaster gegen Spanien 2020, das Joachim Löw beinahe den Job gekostet hätte. Gündogan versicherte Nagelsmann jetzt in einem Telefonat, er sei „total einverstanden“ mit der Rückholaktion. Sie wollten „den Kritikern beweisen, dass Toni und ich zusammenpassen und dem deutschen Spiel unseren Stempel aufdrücken können“.
In veränderter Konstellation: Bei den letzten gemeinsamen Auftritten bei der EM 2021 bekleideten beide wie beim Debakel von Sevilla die Doppel-Sechs. Jetzt soll Kroos mit einem „Arbeiter“wie Pascal Groß oder Robert Andrich neben sich ab
räumen – Mitbewerber Aleksandar Pavlovic (Mandelentzündung) fällt aus – und Gündogan als Zehner brillieren.
In dieser Rollenverteilung bestritt das Duo vier Länderspiele von Beginn an und fünf weitere mit Gündogan als Joker. Die starke Bilanz: Sieben Siege und zwei Remis gegen Frankreich. „Es ist gut, wenn ein zentrales Mittelfeld alle Facetten mitbringt“, sagte Kroos.