Saarbruecker Zeitung

Strack-Zimmermann schaltet in den Kampfmodus

Die FDP-Politikeri­n ist im Wahlkampf angekommen. Als Spitzenkan­didatin der Europa-Liberalen schießt sie sich auf die EU-Kommission­spräsident­in ein.

- VON GREGOR MAYNTZ

war die streitbare Düsseldorf­erin Marie-Agnes Strack-Zimmermann Ende Januar zur Spitzenkan­didatin der FDP in Deutschlan­d gewählt, priesen ihre Parteifreu­nde ihre Qualitäten als „Eurofighte­rin“. Das ist nicht nur ein Wortspiel. Das ist auch der Name eines Kampfjets. Und Kampf, das liegt der 66-jährigen Verteidigu­ngspolitik­erin.

Noch am Mittwochmo­rgen fuhr sie in Berlin heftigste Attacken auf Politiker der eigenen Koalition, wurde von ihnen umgehend als „bösartig“qualifizie­rt. Am späten Nachmittag ließ sie sich in Brüssel von den Liberalen zur Spitzenkan­didatin auf Europaeben­e wählen. Und am Abend war sie zum Kampagnens­tart in Brüssel auch dort im Wahlkampfm­odus – mit Betonung auf Kampf.

Den führt sie vor allem gegen das, wofür die anderen beiden europaweit­en Spitzenkan­didatinnen aus Deutschlan­d stehen: Ursula von der Leyen von der Europäisch­en Volksparte­i und Terry Reintke von den europäisch­en Grünen. Besonders scharf geht sie die amtierende Kommission­schefin an. Europa brauche mehr von der Freiheit und weniger von der Leyen, lautet ihre Parole, und damit positionie­rt sie sich umgehend an der Spitze der europäisch­en Liberalen als wahrnehmba­rer als andere Parteifreu­nde. Nach ihrer einstimmig­en Nominierun­g zur Spitzenkan­didatin auf Europaeben­e variierte sie die Ansage: „Wir werden der Bürokratie von Frau von der Leyen mehr von der Freiheit entgegense­tzen und den Bürgerinne­n und Bürgern Europas ein klares Alternativ­angebot machen: Modernität, Wirtschaft­swachstum, Freiheit, Entlastung und Innovation.“

Es gehört zum Charakteri­stikum der in der Renew-Fraktion zusammenge­schlossene­n liberalen Parteifami­lien, dass sie sich selten auf eine gemeinsame Position festzulege­n vermögen. Sie haben es auch wieder nicht geschafft, mit einer einzigen Spitzenkan­didatur in den Wahlkampf zu ziehen. Immerhin konnten sie die Anzahl der Teammitgli­eder für die Spitzenkan­didatur von sieben auf drei senken. Sandro Gozi ist der eine; der Italiener wird von der Europäisch­en Demokratis­chen Partei ins Rennen geschickt. Valérie Hayer ist die andere: Die Französin ist an die Spitze der Renew-Fraktion gesetzt und nun auch als Spitzenkan­didatin für die Renaissanc­e-Partei Emmanuel Macrons bestellt worden.

Strack-Zimmermann ist damit ei

gentlich die Dritte im Bunde. Doch als das Trio am Abend im Königliche­n Museum von Brüssel der Öffentlich­keit präsentier­t wurde, war Strack-Zimmermann die Nummer eins. Ihre Alde-Partei (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) stellt derzeit zwei von drei liberalen Abgeordnet­en im Europaparl­ament. Deshalb wird die neue Deutsche in

Europa auch nach den Wahlen deutlich mehr Einfluss haben, als wäre sie einfach nur als Newcomerin aus dem Bundestag nach Europa gewechselt.

Zunächst hatte kaum einer damit gerechnet, dass Strack-Zimmermann die Spitzenkan­didatur in Brüssel zufallen würde. Auch hier waren zwei vor ihr so gut wie gesetzt. Die meisten Blicke hatten sich auf die populäre Regierungs­chefin Kaja Kallas aus Estland gerichtet. Als Plan B galt der frühere luxemburgi­sche Premiermin­ister und jetzige Außenminis­ter Xavier Bettel. Als beide abgesagt hatten und die Alde nach jemandem suchte, der aus dem Stand genügend Aufmerksam­keit für die liberale Sache erzeugen könnte, rollte schon bald der deutsche „Eurofighte­r“an den Start in den europäisch­en Himmel.

Flankiert wird sie dabei von einem europäisch­en Programm, das als Ziel von Renew im nächsten Parlament eine Regulierun­gspause beim ökologisch­en Umbau des Kontinente­s verlangt. Erst müssten die schon verabschie­deten Gesetze umgesetzt werden, um Bürger und Unternehme­n nicht zu überforder­n. Zudem geht es den Liberalen um eine Stärkung der Wettbewerb­sfähigkeit der Unternehme­n in Europa und eine Reduzierun­g des Einflusses für die extreme Rechte. Wiewohl auch die EVP-Spitzenkan­didatin von der Leyen ein Programm mitträgt, das den ambitionie­rten Reformen ihrer ersten Amtszeit eine Atempause vorzuschre­iben versucht, könnte es nach den Wahlen wegen der möglichen Anschlussf­ähigkeit der EVP zu rechtspopu­listischen Parteien zum großen Krach in Brüssel kommen.

Schon verlangen einzelne liberale Parteien, auf eine Wiederwahl von der Leyens zu verzichten, wenn sie nicht Schlüsselb­ereiche ihres Green Deals wieder zurückzune­hmen bereit ist. Die Vorstellun­g Strack-Zimmermans unterstütz­ten nicht nur die Regierungs­chefs Alexander de Croo aus Belgien und Kaja Kallas aus Estland. Auf der Brüsseler Bühne gaben auch gleich fünf liberale Kommissare aus der aktuellen von-der-LeyenKommi­ssion dem neuen liberalen Trio Rückendeck­ung.

 ?? VON JUTRCZENKA/DPA FOTO: ?? Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) macht sich auch für die Stärkung der Wettbewerb­sfähigkeit der Unternehme­n in Europa stark.
VON JUTRCZENKA/DPA FOTO: Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) macht sich auch für die Stärkung der Wettbewerb­sfähigkeit der Unternehme­n in Europa stark.

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