Saarbruecker Zeitung

Zur Kanzlerdäm­merung ist es nicht mehr weit

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Völlig losgelöst von der Erde, schwebt das Raumschiff schwerelos.“Diese Liedzeile von Peter Schilling aus den 80er Jahren kommt einem in den Kopf, wenn man das Gebaren von Teilen der Ampel-Koalition gerade verfolgt. Der Sound aus und in der Koalition ist kein guter mehr. Was sich die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses, FDP-Politikeri­n Marie-Agnes Strack-Zimmermann, und Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) rund um eine Durchstech­erei aus einer geheimen Ausschusss­itzung liefern, ist beispielha­ft für den Zustand der Koalition. Dass sich Politiker, Mitarbeite­r und Sprecher in den Sozialen Medien wüst beschimpfe­n, sich gegenseiti­g lächerlich machen, das beschädigt nicht nur das Ansehen der Koalition, sondern von Politik insgesamt.

Auch der Umgang mit einer

Rede von SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich ist völlig ausgeufert. Der SPD-Politiker sieht sich Beleidigun­gen ausgesetzt, teilte aber auch selbst heftig aus. Und in der Ampel-Koalition verschärft sich der Streit über die Ukraine-Politik immer weiter: Die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der SPD-Bundestags­fraktion, Katja Mast, warf Strack-Zimmermann am Mittwoch „niveaulose und bösartige“Äußerungen vor. All das lässt sich vielleicht mit angestaute­m Frust erklären, aber man muss sich als politische­r Beobachter schon sehr wundern. Recherche jedenfalls braucht es gerade nicht, um Unstimmigk­eiten in der Ampel aufzudecke­n. Schon eher, um Gemeinsamk­eiten zu finden.

Kanzler Olaf Scholz jedenfalls hat hinzugeler­nt, versucht, seine Politik besser zu erklären. Über eine halbe Stunde hält der SPD-Politiker am Mittwoch eine Regierungs­erklärung ab, beschreibt seine Haltung zur Ukraine und zum Konflikt im Nahen Osten.

Die Linien, die er zieht, sind groß, aus seiner Sicht schlüssig. Um Gemeinsamk­eiten in der Koalition aufzuzeige­n, nennt er das jüngst gemeinsam erarbeitet­e Rentenpake­t. Die ersten Reihen von FDP und Grünen klatschen während und nach der Rede, in den hinteren Stuhlreihe­n der beiden Fraktionen rührt sich jedoch kaum eine Hand zum Beifall. Der Riss in den Reihen geht dieses Mal tiefer, das gegenseiti­ge Misstrauen und der Unmut mit dem Kanzler wird größer – das ist auch in vielen Gesprächsr­unden zu erfahren.

Dabei sind die Spitzen der Koalition, die sich vor Weihnachte­n aufgrund des Karlsruher Urteils zum Haushalt so sehr in den Haaren lagen, derzeit eher in Friedensmi­ssionen unterwegs. Am Dienstagab­end gab es eine Veranstalt­ung des Seeheimer Kreises, einer konservati­ven Strömung in der SPD-Fraktion. Der Kanzler war zu Gast, ebenso FDP-Finanzmini­ster Christian Lindner und Vizekanzle­r Robert Habeck von den Grünen. Wenigstens die drei versuchen derzeit, einen Hauch von Einigkeit zu vermitteln. Es wäre ein Vorteil, wenn der Spirit für die ganze Regierung mal neu gezündet wird, sagte Scholz zur Begrüßung.

Dass Habeck und Lindner an der SPD-Veranstalt­ung teilnahmen, gilt als Signal für eine gewünschte bessere Zusammenar­beit – ebenso wie der Auftritt von Kanzler Scholz am Dienstagna­chmittag in der FDP-Bundestags­fraktion. Doch ob die drei den Ampel-Geist zurück in die Flasche bekommen, ist unklar.

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