Saarbruecker Zeitung

Entscheidu­ng über Moor in Homburg

Um das Königsbruc­hMoor in Homburg gibt es seit Jahren Streit: Naturschüt­zer fordern seine Wiedervern­ässung, Pläne für den gleichnami­gen Campingpla­tz könnten dies erschweren. Schafft der Stadtrat heute Fakten? Überblick über eine ausgeufert­e Debatte.

- VON ULRIKE STUMM UND ALINE PABST

Bis zu Beginn des 18. Jahrhunder­ts gab es auf dem Gebiet des Saarpfalz-Kreises noch ausgedehnt­e Sumpflands­chaften. Diese wurden nach und nach trocken gelegt, der geförderte Torf verheizt. Rund zwei Jahrhunder­te später tobt um diesen Flecken Erde ein heftiger Streit – der nun bereits mindestens zwei Jahre dauert. Im Zentrum der Aufmerksam­keit: Das Königsbruc­h-Moor und der gleichnami­ge Campingpla­tz. Sofern der Stadtrat Homburg in seiner Sitzung am Donnerstag, 21. März zustimmt, könnten dort bald Tiny Houses aufgestell­t werden. Heftig kritisiert wird das Vorhaben von Naturschüt­zern, die um die Zukunft des Moors fürchten, aber auch einigen Campern.

Worum geht es genau? Im März 2022 beantragte die Grünen-Fraktion im Stadtrat eine Wiedervern­ässung der ehemaligen Moorgebiet­e. Wie wertvoll Sümpfe und Moore für den Natur- und Klimaschut­z seien, habe inzwischen auch der Bund erkannt, führten die Grünen in der Sitzung aus: Intakte Moore sind artenreich­e Biotope und speichern große Mengen CO2. Im trockenen Zustand emittieren sie dagegen Treibhausg­ase, die das Klima weiter anheizen.

Der Vorschlag stieß grundsätzl­ich auf Zustimmung. Aber auch Bedenken wurden geäußert: Für eine Wiedervern­ässung muss der Grundwasse­rspiegel angehoben werden – welche Auswirkung­en hätte das auf angrenzend­e Siedlungen und Infrastruk­tur? Mit großer Mehrheit fasste der Rat den Beschluss, zunächst ein hydrologis­ches Gutachten in Auftrag zu geben.

Heute, gut zwei Jahre später, liegt dieses Gutachten allerdings immer noch nicht vor. Die Stadtverwa­ltung rechtferti­gt dies so: Moorexpert­en seien in Deutschlan­d rar gesät, ein Gutachter entspreche­nd schwer zu finden. Auf eine Ausschreib­ung sei zunächst nur ein Angebot eingegange­n, aber mindestens drei sind nötig, um sich für eine Förderung durch das Leader-Programm bewerben zu können – ohne könne die Stadt die Kosten nicht stemmen. Inzwischen liegen genug Bewerbunge­n vor, das Gutachten wurde in Auftrag gegeben, kann aber erst jetzt umgesetzt werden. Laut den Befürworte­rn des Moor-Projekts sei dies aber zu spät, da Pläne für den Umbau des Campingpla­tzes Königsbruc­h die Wiedervern­ässung aus ihrer Sicht unmöglich machen könnten.

Der Campingpla­tz liegt am Rande des Moors. Dort wurde es ab Oktober 2022 ziemlich ungemütlic­h: Dauercampe­r hatten im Laufe der Jahre einstige Wohnmobile auf dem gepachtete­n Grund zu regelrecht­en Wochenendh­äuschen ausgebaut. Rechtlich bewegten sie sich damit in einer Grauzone, denn bauen statt campen war hier ursprüngli­ch nicht vorgesehen. Der Stadtrat Homburg rang jahrelang mit diesem Problem, doch der Versuch des Campingpla­tzbetreibe­rs, die (teils dicht an dicht stehenden) Bestandsba­uten nachträgli­ch genehmigen zu lassen, scheiterte schließlic­h unter anderem an Brandschut­zauflagen. Die ersten Mieter erhielten eine Kündigung, wenige Monate später stand fest: Die teils aufwendig und teuer hergericht­eten Häuschen müssen nach und nach alle abgerissen werden.

Stattdesse­n sollen dort nun überwiegen­d top moderne Tiny Houses entstehen, der Platz außerdem erweitert werden, obwohl er von Schutzgebi­eten umgeben ist. Die Initiative „Moorschutz Königsbruc­h Homburg“– gegründet vom BUND Bliesgau und dem Nabu Homburg, mit Unterstütz­ung von Experten der Delattinia – gab bereits im November 2022 zu Bedenken, dass die Pläne mit

einer Wiedervern­ässung des Moors kollidiere­n könnten. Im März 2023 standen im Stadtrat Homburg der vorhabenbe­zogene Bebauungsp­lan sowie eine Änderung des Flächennut­zungsplans auf der Tagesordnu­ng.

Der Nabu Homburg war sicher: Mit einem schnell erlassenen Bebauungsp­lan solle Fakten geschaffen werden, die eine zukünftige „Revitalisi­erung der größten saarländis­chen Moorfläche verhindern würden“. Das wurde auch in einem offenen Brief an Umweltmini­sterin Petra Berg (SPD) kommunizie­rt.

Auch bei einigen der gekündigte­n Dauercampe­r wuchs die Wut. Sie warfen dem Betreiber des Campingpla­tzes „arglistige Täuschung“vor: Dieser habe stets den Eindruck erweckt, dass die Bestandsba­uten nachträgli­ch genehmigt werden können, manche Camper hatten ihr gesamtes Erspartes in ein Häuschen investiert, „ein Millionens­chaden“sei entstanden. Juristisch­e Schritte wurden erwogen, Unterschri­ften gesammelt, der Ton im Verlauf des Sommers 2023 immer rauer. Auch die Stadt kam nicht gut weg: Wieso hatte sie die Wildbauten jahrzehnte­lang geduldet, ohne einzuschre­iten, nur um jetzt einen Abriss anzuordnen?

Politisch brodelte es ebenfalls. Die CDU-Fraktion stellte klar, dass sie bisher nur einem Gutachten, nicht aber der Wiedervern­ässung des Moors zugestimmt habe und sorgte sich plötzlich um eine „Absenkung der allgemeine­n Lebensqual­ität durch eine Moorlandsc­haft“. Die Linke schlug sich derweil auf die Seiten der geschädigt­en Camper. Gegen das Bauleitpla­nverfahren gingen bis Ende der Offenlegun­gsfrist (Anfang Juli) zahlreiche Einwendung­en ein, die Bürgerinit­iative (BI) „Moorschutz­gemeinscha­ft Königsbruc­h“gab gleich einen ganzen Waschkorb voll ab.

Auf dem Campingpla­tz wurden bis dato bereits mehrere Tiny Houses angeliefer­t – laut Ansicht der BI illegal, da noch kein Baurecht geschaffen wurde. Die Stadtverwa­ltung widersprac­h: Noch stünden die Häuschen auf mobilen Achsen, es handle sich demnach nicht um bauliche Anlagen.

Im Februar kam es schließlic­h zu einer neuen Wendung: Die Wasservers­orgung Ost ( WVO) hatte 2023 eine Aufstockun­g der Grundwasse­rförderung aus dem Königsbruc­h von 1,5 auf 2,2 Millionen Kubikmeter beantragt. Die Zahlen zur Grundwasse­rneubildun­g, mit denen im Saarland gerechnet wird, wurden

allerdings um das Jahr 1990 herum erhoben und sind laut Ansicht von Nabu und BUND viel zu hoch angesetzt, zumal im benachbart­en Waldmohr (Rheinland-Pfalz) aktuelle Zahlen von 2022 ein völlig anderes Bild zeigen. Demnach werden dort 115 Liter Grundwasse­r pro Quadratmet­er neugebilde­t, im Königsbruc­h werde stattdesse­n mit 230 Litern gerechnet. Die WVO widerspric­ht: Der Grundwasse­rpegel sei vor Ort in den vergangene­n Jahren sogar gestiegen. Die Stadt Homburg wiederum hält auch wegen der Trinkwasse­rentnahme eine großflächi­ge Revitalisi­erung des Königsbruc­h-Moors für nur eingeschrä­nkt möglich, wie den neusten Ratsunterl­agen zu entnehmen ist.

Zwischenze­itlich verwiesen Naturschüt­zer darauf, dass bei einer Wiedervern­ässung des Moors der Campingpla­tz vermutlich zumindest teilweise unter Wasser stehen würde, da er sich an der tiefsten Stelle befindet. Wer wird dann für entspreche­nde Gegenmaßna­hmen zahlen – der Betreiber? Entspreche­nde Auflagen fehlen im Bauleitpla­nverfahren, das am Donnerstag verabschie­det werden soll. Die Grünen haben dazu Änderungsa­nträge eingereich­t. Ob der Streit nach der Stadtratss­itzung ein Ende findet, dürfte mehr als fraglich sein.

 ?? FOTO: MARTIN BAUS ?? Ein Blick auf das Königsbruc­h, aufgenomme­n in Bruchhof in der Nähe des Wasserwerk­s. Das einstige Moor könnte renaturier­t werden – aber Pläne für den Umbau des nahen Campingpla­tzes könnten dies verhindern.
FOTO: MARTIN BAUS Ein Blick auf das Königsbruc­h, aufgenomme­n in Bruchhof in der Nähe des Wasserwerk­s. Das einstige Moor könnte renaturier­t werden – aber Pläne für den Umbau des nahen Campingpla­tzes könnten dies verhindern.
 ?? FOTO: ULRIKE STUMM ?? Ein Tiny-Haus auf dem Campingpla­tz Königsbruc­h.
FOTO: ULRIKE STUMM Ein Tiny-Haus auf dem Campingpla­tz Königsbruc­h.

Newspapers in German

Newspapers from Germany