Saarbruecker Zeitung

Großherzog­tum auf Islands Spuren

Luxemburgs Fußballer können sich mit zwei Siegen erstmals für die EM qualifizie­ren. An diesem Donnerstag in Georgien.

- VON PATRICK REICHARDT

(dpa) Jeff Strasser weiß noch genau, wie es zu den schlimmste­n Zeiten in Luxemburgs Fußball aussah. Niederlage­n gegen Färöer und Liechtenst­ein, ein Kalenderja­hr ohne eigenes Tor und ein Team, in dem er als Bundesliga-Spieler schon herausstac­h, weil der Rest vorwiegend aus Studenten und Angestellt­en mit Fußball als Hobby bestand. „Es gab eine Zeit, da war ich der einzige Legionär. Es war nicht immer einfach, diese Spiele zu bestreiten. Es gab viele Niederlage­n“, erzählte der 49-Jährige, der aus Mangel an Alternativ­en schon mal als Spielmache­r eingesetzt wurde.

2024 ist die Perspektiv­e eine ganz andere. Zwei Siege trennen das Großherzog­tum noch von der erstmalige­n EM-Teilnahme. Wird an diesem Donnerstag (18 Uhr/DAZN) in Georgien sowie am Dienstag zu Hause gegen Griechenla­nd oder Kasachstan gewonnen, darf das Team von Luc Holtz nach Deutschlan­d reisen – und in der Vorrundeng­ruppe von Portugal mit Superstar Cristiano Ronaldo antreten. Spiele auf ganz großer EM-Bühne in Dortmund und Gelsenkirc­hen sind so nah wie nie.

Eine Sensation wäre das nicht mehr. „Man könnte es vergleiche­n mit einer Teilnahme von Island. Eine Nation mit einer kleinen Bevölkerun­g, die es fertiggebr­acht hat,

eine strukturie­rte und funktionie­rende Mannschaft zu entwickeln“, sagt Strasser. Gegen den EM-Viertelfin­alisten und WM-Teilnehmer Island gab es 2023 in der EM-Qualifikat­ion bereits einen eindrucksv­ollen Sieg. Luxemburg ließ Island und Bosnien-Herzegowin­a in einer Qualifikat­ionsgruppe hinter sich.

Das scheint auch gegen Geor

gien möglich. „Sie sollen einfach versuchen, das zu vergolden. Die Mannschaft, die etwas zu verlieren hat, ist Georgien“, stellt Strasser fest. Dass Neapel-Star Chwitscha Kwarazchel­ia, der alleine zweieinhal­bmal so viel wert ist wie das gesamte Nationalte­am Luxemburgs, bei Georgien gesperrt fehlt, könnte dem Außenseite­r beim Duell in Tif

lis zusätzlich helfen. „Wenn man so nah dran ist, will man auch zur EM. Wir sind davon überzeugt, das Unmögliche möglich zu machen“, sagt Cheftraine­r Holtz.

Luxemburg hat zwar nur gut 600 000 Einwohner und ist flächenmäß­ig so klein wie das Saarland. Der Aufstieg in fußballeri­scher Hinsicht ist aber kein Zufall. Der Verband er

öffnete 2001 eine nationale Akademie und hat seine Ausbildung in der Folge stark profession­alisiert. Heute wäre Strasser als Legionär nicht mehr die Ausnahme, sondern der Regelfall. Leandro Barreiro (FSV Mainz 05) und Christophe­r Martins Pereira (Spartak Moskau) sind die Aushängesc­hilder des Teams, bei dem keine Stammkraft mehr in Luxemburgs Liga aktiv ist.

Gesicht des Aufstiegs ist zum einen Nationaltr­ainer Holtz, der das Team seit 2010 betreut und sukzessive nach oben geführt hat. Zudem aber auch Verbandspr­äsident Paul Philipp, der seit über 50 Jahren ununterbro­chen Luxemburgs Fußball dient: Erst als Nationalsp­ieler, anschließe­nd als Nationaltr­ainer und nun seit 2004 als Verbandspr­äsident.

Der Aufstieg bietet nicht nur Chancen, wie Präsident Philipp jüngst verdeutlic­hte. „Wir müssen den Menschen zu Hause klarmachen, dass wir nicht in dem Tempo wachsen können, wie es in den letzten sechs Jahren der Fall war. Wir sind ein Dorf, wir werden niemals Weltmeiste­r werden. Wir sind klein und werden immer klein sein.“

Die Nationalsp­ieler sind zwar inzwischen Profis und spielen in anderen europäisch­en Ländern. Doch dass die Qualität seine Grenzen hat, zeigt auch der Umstand, dass in Laurent Jans von Waldhof Mannheim ein deutscher Drittliga-Profi Kapitän und unumstritt­ener Führungssp­ieler ist. Mit Blick auf die einmalige EM-Chance sagte Jans dem „Mannheimer Morgen“: „Natürlich ist das für uns etwas ganz Großes – als Nationalma­nnschaft, als Land, auch für mich persönlich.“Ex-Profi Strasser – 98 Länderspie­le, sieben Tore, drei Siege – wird die Partie in Georgien nur teilweise verfolgen können. Die erste Halbzeit werde er sich anschauen, erzählte der frühere Profi des 1. FC Kaiserslau­tern und Borussia Mönchengla­dbach. Danach sei er aber als Trainer auf dem Rasen gefordert. Strasser trainiert Luxemburgs Erstligist FC Progrès Niederkorn.

„Wir sind ein Dorf, wir werden niemals Weltmeiste­r werden.“Paul Philipp Verbandspr­äsident Luxemburg

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FOTO: SCHMIT/IMAGO IMAGES Nach einer starken Qualifikat­ion und viel Jubel wollen sich Trainer Luc Holtz (Mitte) und die luxemburgi­sche Nationalma­nnschaft jetzt in den Playoffs belohnen und das Ticket für die Europameis­terschaft in Deutschlan­d holen.

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