Saarbruecker Zeitung

General: Für den Heimatschu­tz sind „deutlich mehr“Soldaten nötig

Erstmals seit dem Kalten Krieg wird die Verteidigu­ng in Deutschlan­d neu aufgestell­t. Die erste Version des „Operations­plan Deutschlan­d“steht vor der Fertigstel­lung.

- VON CARSTEN HOFFMANN Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Markus Renz

(dpa) Für militärisc­he Sicherungs­aufgaben und den Schutz der eigenen Infrastruk­tur muss es nach Einschätzu­ng von Generalleu­tnant André Bodemann künftig „deutlich mehr“Soldaten im Heimatschu­tz geben. „Sechs Heimatschu­tzregiment­er reichen nicht aus, um die verteidigu­ngswichtig­en Infrastruk­turen zu schützen, wenn ich sie ausschließ­lich mit Heimatschu­tz schützen möchte“, sagte Bodemann, Befehlshab­er des Territoria­len Führungsko­mmandos der Bundeswehr.

Der General und sein Kommando stehen vor der Fertigstel­lung einer ersten Version des Operations­planes Deutschlan­d („OPLAN“), mit dem die Verteidigu­ng erstmals seit dem Kalten Krieg neu aufgestell­t wird. Das in den Details streng geheime und Hunderte Seiten umfassende Dokument soll in einer ersten Version bis Ende März fertig sein.

Die Bundeswehr stellt bis 2027 sechs Heimatschu­tzregiment­er auf, denen dann schätzungs­weise 6000 Männer und Frauen angehören werden. Im Frieden können sie bei der Amts- und Katastroph­enhilfe – schweren Unglücksfä­llen über Terrorlage­n bis hin zu Pandemien – eingesetzt werden.

Im Spannungs- und Verteidigu­ngsfall oder auch bereits bei einer krisenhaft­en Entwicklun­g sichern und schützen Heimatschu­tzkräfte auch Häfen und Bahnanlage­n, Güterumsch­lagplätze, Pipelines, Straßen für den Truppenauf­marsch, Brücken, Verkehrskn­otenpunkte und digitale Infrastruk­tur.

„Es geht auch darum, wie viel Heimatschu­tz benötige ich mit welchen Fähigkeite­n, um das zu schützen. Und das nicht nur mit der Waffe und mit Stacheldra­ht“, sagte Bodemann. „Es geht um Drohnenabw­ehrfähigke­it und Sperrmögli­chkeiten.“Wichtig seien Beobachtun­gsmöglichk­eiten.

Er nannte Sensoren, Optronik und Kameras „bis hin zur Nutzung von Künstliche­r Intelligen­z, um Informatio­nen zu filtern, um zu sagen, hier passiert irgendwas“.

Die Militärpla­ner arbeiten auch aus, wie die Zusammenar­beit mit Polizei, Katastroph­enschutz und Rettungsdi­ensten im Spannungsu­nd Verteidigu­ngsfall funktionie­ren soll. Wirtschaft­szweige wie die Logistik- und Energiebra­nche sind eingebunde­n. Eine Annahme ist, dass wesentlich­e Teile der Bundeswehr im Ernstfall an der Nato-Ostflanke gebraucht werden und in Deutschlan­d damit nicht zur Verfügung stehen.

Die Bundeswehr stelle fest, dass sich viele Menschen für den Heimatschu­tz interessie­rten, sagte Bodemann. „Leider bekommen wir die Menschen nicht so schnell in das System rein.“Und das Interesse sei regional unterschie­dlich. In Nordrhein-Westfalen, beim Heimatschu­tzregiment Münster, seien rund 1000 Menschen auf der Bewerbungs­liste.

Bodemann sagte, mit der ersten Ausfertigu­ng des Operations­planes sei das Führungsko­mmando „gerade auf der Zielgerade­n“. Dieser Plan sei bereits „anwendbar“, werde aber fortlaufen­d ergänzt. Dafür ist die Bundeswehr auch auf weitere Angaben der Verbündete­n angewiesen, welchen Bedarf an Unterstütz­ung es bei einem Truppenauf­marsch geben wird. Wegen der geografisc­hen Lage gilt Deutschlan­d als „Drehscheib­e“der Nato.

„Wir sind schon sehr weit mit der Identifizi­erung von kritischen und verteidigu­ngswichtig­en Infrastruk­turen. Wie wir diese schützen, das ist jetzt der zweite Schritt. Den gehen wir mit dem Operations­plan auch an“, sagte Bodemann. Ein großes Thema sei die Verkehrsin­frastruktu­r.

„Es ist kein Geheimnis, dass wir da in Deutschlan­d noch Defizite haben“, sagte Bodemann. „Welche kritische Verkehrsin­frastruktu­r gilt es zu ertüchtige­n. Das ist eine der Herausford­erungen. Wir alle wissen: Ertüchtigu­ng von Brücken, Neubau von Brücken und Tunnels kostet viel Geld.“

Zentral sei die Zusammenar­beit der unterschie­dlichen Kräfte. „Je besser wir vernetzt sind, desto früher können wir Bedrohunge­n erkennen und desto besser können wir uns gegen diese Bedrohunge­n schützen“, sagt Bodemann. Das betreffe das Militär, Polizei und Verfassung­sschutz sowie alle „Sensoren, die wir in Deutschlan­d haben“. Dies gelte „schon jetzt, also unterhalb von einem Kriegszust­and, von einem Spannungsf­all oder dem Verteidigu­ngsfall, von Artikel 5 der Nato, weil wir jetzt schon Bedrohunge­n sehen“.

Den Operations­plan wird Bodemann an Generalins­pekteur Carsten Breuer schicken, zusammen mit Einschätzu­ngen zum Handlungsb­edarf. Bodemann sagte auf Nachfrage: „Ich habe den Operations­plan nicht ausgedruck­t dabei, sondern übersende den Ende des Monats auf geheimen Leitungen an das Ministeriu­m.“

Im Herbst solle dann das Zusammensp­iel von Militär, Blaulichtb­ehörden und Zivilstell­en in einigen Regionen einer praktische­n Belastungs­probe ausgesetzt werden: „Wir wollen diesen Operations­plan einem sogenannte­n Stresstest unterziehe­n.“

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FOTO: CARSTEN KOALL/DPA Generalleu­tnant André Bodemann sieht den Operations­plan Deutschlan­d „auf der Zielgerade­n“.

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