Bundeswehr zeigt Flagge im Indo-Pazifik
Deutschland braucht in Zeiten von Ukraine-Krieg und aggressiver Politik Chinas neue Partner. Jetzt üben deutsche Marine und Luftwaffe in einer großen Verlegeübung mit anderen Streitkräften den Einsatz in anderen Weltregionen und zeigen damit Präsenz im In
Unlängst erst hat sich Boris Pistorius die Weltkugel aus einer anderen Perspektive angesehen. Beim Besuch in Norwegen, nur 2000 Meter entfernt von der Grenze zu Russland, drehten ihm seine Gastgeber den Globus so, dass das Arktische Meer quasi als Mittelpunkt der Welt erschien. Bitte sehr, der andere Blickwinkel. Der Gast aus Berlin hatte sofort verstanden: Hier oben im Nordmeer, nicht weit entfernt vom Heimathafen Murmansk der strategischen Atom-U-BootFlotte der Russen, „laufen die Fäden zusammen“, müssen Handelswege gesichert und dafür gesorgt werden, dass die Schifffahrt auch wirklich frei bleibt.
In den nächsten Monaten könnte es passieren, dass Pistorius auf der Weltkugel immer wieder auf eine andere Region schaut: den Indo-Pazifik. Erst im vergangenen Jahr war der deutsche Verteidigungsminister zum Shangri-La-Dialog nach Singapur, dem indo-pazifischen Gegenstück zur Münchner Sicherheitskonferenz, gereist. „Der Indo-Pazifik ist eine der zentralen Regionen, wenn wir auf Sicherheit und Wohlstand im 21. Jahrhundert schauen“, hatte Pistorius da gesagt. „Eine Vernachlässigung der Region können wir uns nicht erlauben.“
Schon da hatte der deutsche Verteidigungsminister angekündigt, dass die Bundeswehr weiter Flagge zeigen werde – auf dem indo-pazifischen Weltmeer ebenso wie im Himmel darüber. Nun laufen und fliegen deutsche Marine und Luftwaffe für mehrere Monate zu einer großen multinationalen Übung aus und verlegen dabei über Tausende Kilometer Soldaten, Schiffe, Flugzeuge und Material in den Indo-Pazifik. Dort üben sie im internationalen Verbund in einem der weltweit wichtigsten Seegebiete, wie sie die Sicherheit der Seewege – vor den Augen der Weltmacht China – gewährleisten. Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz muss nicht lange überlegen, worum es bei dieser Übung auch geht: „Neue Freunde, neue Partner.“Seine Piloten und Besatzungen von Kampfjets
und Transportmaschinen fliegen bei der Übung „Indo-Pacific Deployment 2024“gewissermaßen einmal um die Welt. Sie üben Tiefflug und Luftkampf in Alaska, absolvieren in Japan Trainingsflüge, beteiligen sich an einer multinationalen Übung in Australien, üben gemeinsam mit der deutschen Marine vor Hawaii und trainieren zum Abschluss im August mit der Luftwaffe der Atommacht Indien auf dem Subkontinent. Besondere Herausforderung: Nie zuvor hat ein deutscher Kampfjet die internationale Datumsgrenze entlang des 180. Längengrades überflogen. Der sensible Bordrechner der Eurofighter könnte darauf reagieren und falsche Fehlermeldungen erzeugen, wie bei
spielsweise schon bei F22-Kampfjets geschehen, als Navigationssysteme verrücktspielten. Doch die Luftwaffe habe in einer Simulation sichergestellt, dass die Software auch beim Flug über die Datumsgrenze zuverlässig die richtigen Daten liefere, so Gerhartz.
„Taubenblau und marineblau“, sagt Marine-Inspekteur Jan Christian Kaack über das geplante Übungstandem mit der Luftwaffe. Schon 2022 hatte die Marine mit der Fregatte „Bayern“im Indo-Pazifik Flagge gezeigt. Jetzt schickt Deutschland die Fregatte „Baden-Württemberg“und den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“in die Seeregion, die als ökonomischer Hotspot
gilt. Kaack: „Wir haben unseren eigenen Supermarkt und unsere eigene Tankstelle dabei“, spielt er auf die Rolle des Versorgungsschiffes an. Die Präsidentin des Verbandes Deutscher Reeder, Gaby Bornheim, freut sich über die Präsenz der deutschen Marine in dieser Region, schließlich würden 90 Prozent des Welthandels auf dem Seeweg abgewickelt. Dazu brauche es vor allem eines: die Sicherheit von Wasserstraßen, etwa auch im Roten Meer, vor den Angriffen der Huthi-Rebellen. „Die EU-Operation Aspides im Roten Meer bedeutet uns unglaublich viel“, betont Bornheim. Die Marine will ihren Beitrag zur Wahrung der regelbasierten Ordnung leisten und zeigt
sich über Monate im Indo-Pazifik, präsentiert sich in mehreren Häfen und will ihre Schiffe auch als Plattform für Gespräche mit der Industrie nutzen, wie Kaack sagt.
Die Route im Indo-Pazifik steht noch nicht endgültig fest. Aber die Leiterin der Abteilung Asien und Pazifik im Auswärtigen Amt, Petra Sigmund, versicherte diese Woche beim Parlamentarischen Abend von Marine und Luftwaffe: „Wir fahren auf jeden Fall durch das südchinesische Meer.“Einfach Flagge zeigen im Indo-Pazifik, wie Verteidigungsminister Pistorius vor einem Jahr in Singapur schon angekündigt hatte. China soll wissen: Es herrscht im Indo-Pazifik nicht alleine.
„Der Indo-Pazifik ist eine der zentralen Regionen, wenn wir auf Sicherheit und Wohlstand im 21. Jahrhundert schauen.“Boris Pistorius (SPD) Bundesverteidigungsminister