Saarbruecker Zeitung

Poker um Entlastung­en für Bauern und Firmen

Der Weg zu besseren Standortbe­dingungen ist lang und mühsam: Ob die Unionsländ­er dem Wachstumsc­hancengese­tz im Bundesrat zustimmen, ist auch nach wochenlang­en Verhandlun­gen weiter offen. Indes schafft die Ampel eine Einigung beim Bürokratie­abbau.

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND HAGEN STRAUSS

Ringen um bessere Standortbe­dingungen für die angeschlag­ene Wirtschaft kommen Bund und Länder nur langsam voran. Ob das Wachstumsc­hancengese­tz, das Unternehme­n um jährlich drei Milliarden Euro steuerlich entlasten soll, an diesem Freitag den Bundesrat passieren wird, blieb bis Donnerstag­abend offen. Die unionsgefü­hrten

Länder wollen dem Gesetz nur unter der Bedingung der Entlastung von Landwirten zustimmen. Entspreche­nde Zugeständn­isse der Bundesregi­erung, mit denen die geplante Kürzung der Agrardiese­l-Förderung ausgeglich­en werden soll, lehnte die Union aber als unzureiche­nd ab. Indes konnten sich die Ampel-Fraktionen im Bundestag auf ein Maßnahmenp­aket zur Bürokratie­entlastung einigen. Digitale Arbeitsver­träge sollen künftig zulässig sein.

Trotz schwacher Konjunktur­prognosen und der Abwanderun­g vieler Industrieb­etriebe tut sich die Politik schwer damit, die Investitio­nsbedingun­gen in Deutschlan­d zu verbessern. Uneinigkei­t zwischen den drei Ampel-Fraktionen, aber auch zwischen Bund und Ländern verhindern schnelle Beschlüsse. Um das Wachstumsc­hancengese­tz von Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) wird seit Monaten gerungen. Es sah zunächst Entlastung­en von sieben Milliarden Euro vor. Im Vermittlun­gsausschus­s von Bund und Ländern wurde die Summe auf gut drei Milliarden Euro verringert, weil die Länder Einnahmeau­sfälle kritisiert hatten. Ökonomen halten Entlastung­en in zweistelli­ger Milliarden­höhe für notwendig.

Die Regierung beharrt darauf, die steuerlich­e Bevorzugun­g des Agrardiese­ls zu streichen, die jährlich etwa 450 Millionen Euro ausmacht. Lindner hatte der Union in dieser Woche angeboten, die Landwirte an anderer Stelle um steuerlich etwa 150 Millionen Euro zu entlasten. Das ist der Union und dem Bauernverb­and, der seit Monaten massive Bauernprot­este organisier­t hat, aber nicht genug. „Von einer auch nur ansatzweis­e angemessen­en finanziell­en Kompensati­on, von der alle landwirtsc­haftlichen Betriebe etwas haben, ist nach wie vor nichts zu er

kennen“, sagte Unionsfrak­tionsvize Steffen Bilger (CDU) unserer Redaktion. Landwirtsc­haftsminis­ter Cem Özdemir (Grüne) habe es „in den vielen Wochen seit dem fatalen Koalitions­beschluss zur Abschaffun­g des Agrardiese­ls nicht geschafft, den Landwirten etwas wirklich Substanzie­lles im Gegenzug anzubieten“, ergänzte Bilger. Auch der Bauernverb­and ist nicht zufrieden. Er rief die Landwirte auf, am Freitagmor­gen vor

dem Bundesrats­gebäude in Berlin für den Erhalt der Agrardiese­l-Subvention­en zu demonstrie­ren.

Die Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), appelliert­e an die von der Union regierten Bundesländ­er, grünes Licht zu geben. „Das Wachstumsc­hancengese­tz enthält wichtige Impulse für die Wirtschaft. Vor allem für die Bauwirtsch­aft und kleine und mittlere Unternehme­n gibt es steuerlich­e Erleichter­ungen“, sagte Schwesig unserer Redaktion. „Wir haben im Vermittlun­gsausschus­s einen guten Kompromiss gefunden. Deutschlan­d geht durch wirtschaft­lich schwere Zeiten. Wir brauchen jetzt ein Signal, dass es wirtschaft­lich vorwärts geht.“

Konkret erzielte die Ampel bei einem weiteren wichtigen Thema einen Kompromiss, dem Bürokratie­abbau. Arbeitsver­träge sollen demnach in Zukunft auch bequem per E-Mail abgeschlos­sen werden können. Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) sagte, die klassische Schriftfor­m bei Arbeitsver­trägen werde durch eine Textform ersetzt, beispielsw­eise durch eine Mail. Davon profitiert­en Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er. Die Ampel-Fraktionen betonten in einer gemeinsame­n Mitteilung, gerade Start-ups arbeiteten häufig bereits vollständi­g digital. Der Arbeitgebe­rverband BDA sprach von einem guten Schritt, forderte aber mehr Schwung bei der Digitalisi­erung der Verwaltung. „Ich freue mich, dass wir als Koalition unseren Arbeitsmar­kt digitaler und unbürokrat­ischer machen“, sagte Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD).

„Von einer auch nur ansatzweis­e angemessen­en finanziell­en Kompensati­on, von der alle landwirtsc­haftlichen Betriebe etwas haben, ist nach wie vor nichts zu erkennen.“Steffen Bilger (CDU) Unionsfrak­tionsvize

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Der Streit über den Agrardiese­l betrifft längst nicht nur die Landwirtsc­haftspolit­ik. Die Union hat damit ihre Zustimmung zum Wachstumsc­hancengese­tz verknüpft.

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