ZF stellt Standorte auf Personalabbau ein
Der Getriebehersteller ZF setzt nach den Worten von Konzernchef Holger Klein weiter auf den Standort Deutschland. Bei der derzeitigen RekordBeschäftigung werde es bis 2030 allerdings sicher nicht bleiben.
Ein bemerkenswerter Vorgang. Holger Klein, Vorstandsvorsitzender des ZFKonzerns, lehnte auf der BilanzPressekonferenz des Getriebeherstellers am Donnerstag konkrete Prognosen über die künftige Personalentwicklung an den deutschen Standorten ab. Nur so viel ließ er sich entlocken: „Wir beschäftigen heute in Deutschland mit 54 000 Beschäftigten so viel Personal wie noch nie zuvor in der Historie von ZF. Das entspricht einem Drittel aller weltweit Beschäftigten.“Dieser Rekord sei im Wesentlichen auch auf eine stark zunehmende Nachfrage nach Acht-Gang-AutomatikGetrieben und Plug-in-Hybriden zurückzuführen, die auch zu einer deutlichen Zunahme der Produktion im Saarbrücker Werk geführt habe. „Wir sind bereit, weiter stark in Deutschland zu investieren. Aber wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit an die schwächeren Märkte und den globalen Wettbewerb anpassen. Dazu müssen auch unsere deutschen Standorte einen Beitrag leisten. Es geht dabei um Kosten, nicht um Köpfe“, betonte Klein.
Bis zum Ende des Jahrzehnts werde es jedoch sicherlich nicht bei der Rekordbeschäftigung bleiben. „Es liegt auf der Hand, dass wir aufgrund der Transformation zu neuen Technologien und der Marktentwicklung perspektivisch mit weniger Mitarbeitern auskommen müssen.“Dem Konzernvorstand sei dabei bewusst, „dass es an den Standorten eine große Sorge gibt, wie wir die Transformation hin zu neuen Technologien bei ZF und in der gesamten Zulieferindustrie bewältigen. Wir nehmen das sehr ernst und haben die Diskussion darüber schon in allen Standorten aufgenommen.“Dabei laufe ein strukturierter Prozess ab, in dem alle an einem Standort jeweils hergestellten Produkte hinterfragt und ihre Wettbewerbsfähigkeit
geprüft werden. Auch im Hinblick darauf, was passieren muss, damit die Beschäftigung an den Standorten auch nachhaltig abgesichert werden kann. Darüber führe man bereits intensive Gespräche mit den Betriebsräten und der IG Metall.
Die Gewerkschaft selbst und auch der Betriebsrat von ZF in Saarbrücken wollten gegenüber der Saarbrücker Zeitung anlässlich der Bilanz-Pressekonferenz nicht öffentlich ihre Erwartungen äußern, wie man das Werk Standort Saarbrücken über das Jahr 2030 hinaus fit machen kann. Bis 2025 existiert eine Vereinbarung, nach der betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Anschließend ist vorgesehen, nach neuen Produkten für Saarbrücken Ausschau zu halten.
Zahlenspekulationen und Unsicherheiten auf Märkten erzeugten immer eine hohe Nervosität, sagte Konzernchef Klein. Genau deshalb äußere er sich derzeit nicht näher zu Personalentwicklungen an einzelnen Standorten. Wo jedoch Abbau von Personal nötig wird, setze der Konzern auf Möglichkeiten, die sich durch Fluktuation und Demografie ergeben.
Strategisch sei bereits klar, wohin ZF steuert. Die Elektromobilität beherrsche alles. „Dafür werden unsere Standorte Saarbrücken und Schweinfurt gerade fit gemacht.“
Elektromobilität verbreite sich weltweit mit verschiedenen Geschwindigkeiten und technischen Ansätzen. „Darauf stellen wir uns in unseren globalen ProduktionsNetzwerken ein. Wir organisieren unsere Werke so, dass wir dort ohne große Rüstzeiten sowohl konventionelle als auch elektrifizierte Antriebe fertigen können. Das gilt für Saarbrücken, unser Stammwerk für PkwAutomatik-Getriebe, genauso wie für unser Werk Gray Court in South Carolina in den USA. Dort schaffen wir mit einer Investition von 500 Millionen US-Dollar gerade die Voraus
setzung für die Produktion der neuesten Generation des erfolgreichen Acht-Gang-Automatik-Getriebes, das auch für Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge geeignet ist.“Auf diese Weise könne man die Kunden in Nordamerika direkt bedienen. „Und wir sind nicht auf lange Transportwege angewiesen“, betont Konzernchef Klein. Das gleiche Prinzip gelte für den Bereich leichter Nutzfahrzeuge. „Vor Kurzem hat in South Carolina die erste Serienproduktion des Power-Line-Getriebes in Nordamerika begonnen.“Weltweit sei eindeutig ein Wachstum der Antriebsarten für elektrische Fahrzeuge zu erkennen, besonders in den USA und in China. „Zudem sehen wir auch eine stärkere Nachfrage nach Plug-in-Hybriden. Auch in diesem Bereich weisen vor allem China und die USA hohe Zuwachsraten auf.“
Für Konzernchef Klein steht bereits fest: „Die Zukunft des Pkw-Antriebs ist elektrisch. Denn wir müssen weg von fossilen Energieträgern. Dieser Weg ist gerade auch in Europa politisch vorgezeichnet, und darauf haben wir uns bei ZF eingestellt.“Der Erfolg dieser Technologie hänge allerdings auch stark von der Lade
infrastruktur und von Kaufanreizen ab. Elektrische Antriebe seien auch in Lkw und Bussen immer häufiger zu finden. „In diesen Bereichen sind wir ebenfalls schon sehr erfolgreich unterwegs.“
Wirtschaftlich hat der Getriebehersteller ZF trotz zahlreicher Begleiterscheinungen wie etwa dem Russland-Ukraine-Krieg sowie hohen Standortkosten in Deutschland 2023 seine Jahresziele erreicht. Der Umsatz stieg konzernweit auf 46,6 Milliarden Euro gegenüber 43,8 Milliarden Euro im Jahr zuvor. Das bereinigte EBIT, also das Ergebnis vor Steuern und Zinsen, erreichte 2,4 Milliarden Euro nach zwei Milliarden Euro im Jahr 2022. Zugleich hat der Konzern seine Netto-Verbindlichkeiten reduziert und Anleihen im Gesamtwert von 2,4 Milliarden Euro am Kapitalmarkt platziert. Bis zum Jahr 2026 will ZF Zukunftsinvestitionen im Gesamtwert von 18 Milliarden Euro tätigen. 2023 erreichten diese 3,5 Milliarden Euro. Auch einen Börsengang könne man sich vorstellen. Wichtigster Absatzmarkt bleibt Europa, gefolgt von Nordamerika sowie der Region Asien-Pazifik.