„Im Putzwasser werde ich mich nicht ertränken“
Gewerkschafterin, Sterneköchin, Wahrsagerin: Das Saarland hat viele interessante Frauen hervorgebracht. Aber viele von ihnen sind vergessen oder waren nie bekannt genug. Das will die Autorin Gudrun Müller mit ihrem Buch „Frauen vor Ort“ändern. Jetzt stell
FRIEDRICHSTHAL Gudrun Müllers Vorhaben ist geglückt. Frauen aus dem Saarland wollte sie sichtbar machen, viele von ihnen sind längst vergessen oder waren nie sonderlich bekannt. Und dennoch wichtig.
„Frauen vor Ort. Auf Spurensuche in den saarländischen Landkreisen“lautet der unspektakuläre Titel des Buches, das als Schriftenreihe der Arbeitskammer im saarländischen Conte-Verlag erschienen ist. Ein durchweg saarländisches Produkt also, denn die Autorin Gudrun Müller ist Saarländerin, hat an der hiesigen Universität Soziologie studiert, lebt und arbeitet im Land.
Wie bringt man mehr als 200 Frauen auf die Reihe? Müller hat ein naheliegendes Ordnungsprinzip für ihr Buch gewählt: die Landkreise und den Regionalverband Saarbrücken. Für die Landeshauptstadt selbst zudem die Stadtteile. Eine Fleißarbeit.
Im Rechtsschutzsaal in Friedrichsthal hat Müller einige „ihrer Frauen“und somit das Buch nun vorgestellt. Da werden dann sechs von ihnen – eine aus jedem Landkreis – wieder lebendig. Margarete Bacher etwa, die Sterneköchin aus Neunkirchen, die erst sehr spät eine Straße nach ihr benannt bekommen hat. Einfach war das nicht.
Wenn Gudrun Müller aus ihrem Buch liest, scheint sie Freundinnen vorzustellen, Frauen zumindest, denen sie eng verbunden ist. Die sie gut kennt, von denen sie mehr weiß, als die meisten von uns. Auch von Helena Demuth, genannt Lenchen Demuth aus St. Wendel, die bei Jenny und Karl Marx arbeitete. Mit einem Schmunzeln verrät Müller, dass Marx bei Krankheit täglich einen Liter Milch mit einem viertel Liter Brandy trank.
Müller sprach von Bacher, Demuth, aber auch von der Heiligen Barbara (Saarpfalz-Kreis), Katharina Weisgerber, genannt Schultze Kathrin, (Landkreis Saarlouis) und Margarete Goussanthier alias Madame Buchela (Landkreis Merzig-Wadern).
Aus dem Regionalverband dann Lucie Meyfahrth. Das passte gut zum Rechtsschutzsaal. Hier, im Geburtsort der Arbeiterbewegung an der Saar, ist einer der vier Säle nach Meyfahrth benannt. Das passte auch zu Bettina Altesleben. Die heutige Staatssekretärin im saarländischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit, früher stellvertretende Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland, hatte die engagierte Gewerkschafterin Meyfahrth gut gekannt.
Im Gespräch mit Moderatorin Gertrud Schmidt erinnerte sie sich: Meyfahrth hatte gegen den einstimmigen Beschluss des DGB-Landesbezirksvorstandes 1985 als DGB-Kreisvorsitzende kandidiert und wurde durch ihre Wahl zur ersten hauptamtlichen Funktionärin beim DGB-Saar.
Für Altesleben ist und bleibt Meyfahrth eine wichtige Vorkämpferin. Ausführlich beschrieb sie deren Auftritt als 80-Jährige am 8. März 2011, dem 100. Internationalen Frauentag. Damals stand Meyfahrth als Frauenrechtlerin Clara Zetkin in der Revue „Brot und Rosen und morgen noch“im Saarbrücker Schloss auf der Bühne. Gerne zitierte auch Altesleben Lucie Meyfahrths Aussage zu ihrem Eintritt in den Ruhestand: „Im Putzwasser werde ich mich sicher nicht ertränken.“
So schön Anekdoten über kämpferische und erfolgreiche Frauen sind, so wichtig auch der Hinweis von Bettina Altesleben: Wir sollten nicht annehmen, dass alles erreicht sei. Damit verband sie ihr Dankeschön für Gudrun Müllers Buch.
Die Autorin kam in der Diskussion bedauerlicherweise erst spät zu Wort. Von ihr hätte man gerne mehr gehört, zu ihrer Arbeit, ihrer Person. Immerhin soviel: Bei der Recherche zum Buch fiel ihr auf, dass Städte und Gemeinden zumeist auf die „Söhne der Stadt“hinwiesen, selten auf Töchter. Und natürlich sei die Auswahl in ihrem Buch auch ein wenig willkürlich, abhängig eben von der Quellenlage. Und: „Es gibt auch viele spannende Männer.“
„Das ist kein Buch, dass man von der ersten bis zur 425. Seite durchliest“, kommentierte die Autorin ihr Werk. Stimmt. Man blättert, stöbert, begegnet Bekannten, lernt bisher unbekannte Frauen kennen. Im Rechtsschutzsaal hätte man der Autorin gerne noch weiter zugehört. Denn sie kennt die mehr als 200 Frauen inzwischen gut. Und hätte für die Zuhörerinnen und Zuhörern, die ihr schon nach ihrer Lesung am Anfang des Abends sehr viel Applaus spendeten, gerne noch viele weitere lebendig werden lassen können.
Immerhin erfuhren sie dann doch noch, welche Frau es Gudrun Müller am meisten angetan hat: Madame Buchela, die Hellseherin, die auch bei den Ermittlungen zum Soldatenmord in Lebach einst eine Rolle spielte. Vielleicht erfahren wir irgendwann mal in einem Buch mehr über sie. Gudrun Müller wäre die passende Autorin.
„Frauen vor Ort. Auf Spurensuche in den saarländischen Landkreisen“von Gudrun Müller. Schriftenreihe der Arbeitskammer des Saarlandes, Band 4. Conte-Verlag, 428 Seiten, 22 Euro. Erhältlich online unter https://www.conte-verlag.de/de/buecher/sachbuch/827-frauenvorort