Saarbruecker Zeitung

Lukas Rietzschel: Der „Erklärer des Ostens“liest tief im Westen

Der Autor kommt zur „Literatur der Transforma­tion“am 27. März nach Saarbrücke­n. Ein Termin, den man aus vielerlei Gründen nicht versäumen sollte.

- VON SUSANNE BRENNER

Als Lukas Rietzschel vor ein paar Monaten bei Markus Lanz in der Talkshow saß, blendete die Redaktion, immer wenn er das Wort ergriff als Erklärung ein: „Lukas Rietzschel schreibt über die ostdeutsch­e Gesellscha­ft“. Das ist zwar etwas einfach formuliert, trifft es aber doch im Kern.

Der vor wenigen Tagen 30 Jahre jung gewordene Autor gehört aktuell zu den politisch spannendst­en und auch gefragtest­en Schriftste­llern im Land. Er gräbt sich in seinen Büchern und Theaterstü­cken tief rein in die ostdeutsch­e Seele und in die (Ab)Gründe rechtsextr­emer Entwicklun­gen.

Sein Debüt-Roman „Mit der Faust in die Welt schlagen“schlug in gewisser Weise selbst auch „in die Welt“. Das Porträt zweier Brüder, die nach der Wende vom gefährlich­en Charisma eines Neonazis angezogen werden, machte aus dem damals knapp 25-jährigen Autor über Nacht so eine Art Ost-Erklärer, vor allem wenn es um die irritieren­de Verführbar­keit der Menschen dort für rechte Ideologien geht. Fortan begegnete man dem Autor immer öfter in Talkshows, in Radio- und Fernsehbei­trägen.

Sein zweiter Roman „Raumfahrer“erschien vor drei Jahren, und auch er spielt wieder in der Lausitz, auch er handelt wieder von Menschen, die im großen Wirbeln der Zeitenläuf­e den Halt verloren haben.

Lukas Rietzschel lebt aus Überzeugun­g und gerne, wie er sagt, in Görlitz, jener Stadt, in der ums Haar vor vier Jahren ein AfD-Politiker Bürgermeis­ter geworden wäre. Verhindert werden konnte das nur durch ein Bündnis aller demokratis­chen Parteien.

Über dieses Thema und all die sich daraus ergebenden Fragen entwickelt­e der 30-Jährige zuletzt das

Theaterstü­ck „Das beispielha­fte Leben des Samuel W.“Die Auftragsar­beit für das Gerhard-HauptmannT­heater Görlitz-Zittau wurde gerade uraufgefüh­rt und von der Kritik sehr gelobt. Gut 100 Interviews mit Menschen verschiede­nster Position und Denkweise führte Lukas Rietzschel für dieses Stück und mischte daraus eine Theater-Collage über die Frage, wer Samuel W. eigentlich ist – und wie er der AfD-Mann wurde, vor dem auf einmal etablierte Parteien zittern mussten.

Lukas Rietzschel wird immer wieder gerne zu Talkshows eingeladen und gibt kluge Interviews, wie zuletzt im Deutschlan­dfunk. Man kann ihm sehr gut zuhören, er polarisier­t nie, ist immer freundlich und sachlich. Er dürfte also ein wirklich lohnender Gesprächsp­artner in der ohnehin schon lohnenswer­ten Lesereihe „Literatur der Transforma­tion sein“.

Diese Reihe, die das Saarländis­che Staatsthea­ter gemeinsam mit dem Kultusmini­sterium, SR2 und Institut d'Etudes veranstalt­et, bringt noch bis Anfang Juni hochkaräti­ge deutsche und französisc­he Autorinnen und Autoren ins Land. Durchweg schreibend­e, denkende Menschen, die etwas zu sagen haben, zu den Themen, die uns aktuell bewegen und unser Leben formen und verändern.

Die Reihe hatte am 25. Februar mit dem französisc­hen CharlieHeb­do-Autor Philippe Lançon begonnen und endet am 6. Juni mit der preisgekrö­nten französisc­hen Autorin Maylis de Kerangal („Die Lebenden reparieren“). Weitere geladene Autorinnen und Autoren sind Adrian Pourviseh (14. April, Funkhaus Halberg), Arno Bertina (25. April, Villa Europa), Mithu Sanyal (13. Mai, Staatsthea­ter) und Cynthia Fleury (30. Mai, Staatsthea­ter).

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CHRISTINE FENZL FOTO: Lukas Rietzschel ist als Autor und „Ostdeutsch­land-Erklärer“sehr gefragt. Am 27. März kommt er ins Saarland.

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