Saarbruecker Zeitung

Stadt räumt Obdachlose­n-Lager am Kaufhof

Es war ein bedrückend­es Bild in der Bahnhofstr­aße, immer mehr Menschen beklagten sich darüber. Die Stadt hat nun die Obdachlose­n-Lager in den Eingängen des alten Kaufhofs geräumt – und den Menschen Hilfe angeboten.

- VON THOMAS SCHÄFER Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Michael Emmerich

Ein Schlafsack, braune Pappe als Unterlage, Wolldecken, ein Kissen, eine Matratze ohne Bezug. In einem Schlafsack liegt ein Mann, vor ihm ein Kaffeebech­er. In der Hand eine Flasche Wodka, fast leer. Der Mann nimmt einen Schluck und legt sich wieder hin.

Es waren beklemmend­e Szenen, die man in den vergangene­n Tagen und Wochen in der Bahnhofstr­aße in Saarbrücke­n beobachten musste am ehemaligen Kaufhof. Seit der Supermarkt „Go Asia“als einziger Kurzzeit-Nachmieter das Gebäude

Ende Januar verlassen musste, weil es keinen Strom gab, haben sich mehrere Obdachlose in den Nischen zwischen den Schaufenst­ern einen Schlafplat­z gesucht.

Anfang der Woche teilte die Stadtverwa­ltung dazu auf SZ-Nachfrage mit: „Uns ist die Situation in den Nischen der Immobilie bekannt. Das Bild, das sich dort derzeit darstellt, entspricht nicht unserem Anspruch an das Erscheinun­gsbild unserer Bahnhofstr­aße, die eine der beliebtest­en Einkaufsst­raßen Deutschlan­ds ist.“

Man arbeite „mit Hochdruck“an einer Lösung, hieß es weiter. Streetwork­er stünden in Kontakt mit den Menschen, die sich dort aufhalten, und versuchten sie dazu zu bewegen, eines der städtische­n Übernachtu­ngsangebot­e aufzusuche­n, etwa die Obdachlose­nunterkunf­t in der Kossmannst­raße. Da die Nischen am Kaufhof nicht im Eigentum der Stadt sind, konnte die Verwaltung nicht ohne Weiteres handeln. „Hoheitlich­e Maßnahmen“seien ohne das Einverstän­dnis des privaten Eigentümer­s nicht möglich, erklärte die Stadt.

Die Riesenimmo­bilie in der Bahnhofstr­aße gehört einer Signa-Tochter, die Insolvenz angemeldet hat. Was die Sache zusätzlich verkompliz­ierte. Doch die Stadt hat zwischenze­itlich eine Lösung gefunden – in Absprache mit dem Insolvenzv­erwalter, der bei dem Unternehme­n im Moment das Sagen hat. Und so wurde am Donnerstag­morgen gehandelt. Verwaltung­sdezernent Sascha Grimm (CDU) und Sozialdeze­rnent Tobias Raab (jetzt SPD) waren beide persönlich vor Ort, als um 9 Uhr mit der Zwangsräum­ung der Obdachlose­nlager begonnen wurde. Außerdem beteiligt: Mitarbeite­r des Ordnungsam­tes und des städtische­n Entsorgung­sbetriebs

ZKE, Streetwork­er sowie die Polizei. Die Beamten waren angerückt, um einzugreif­en, falls es bei der Räumung Widerstand geben sollte.

Den gab es nicht. Es lief alles sehr friedlich ab und ging schnell. Das wenige Hab und Gut der Menschen wurde auf einem Pritschenw­agen

abtranspor­tiert, es soll eingelager­t werden, Müll wurde aufgesamme­lt, anschließe­nd wurden Nischen und Wege mit Wasser und Spülmittel gereinigt.

Nur noch einer von ursprüngli­ch vier Obdachlose­n war am Morgen vor dem Kaufhof. Er war damit einverstan­den, in eine Unterkunft gebracht zu werden. Zuvor war, wie Raab berichtete, bereits ein weiterer Mann im Bruder-Konrad-Haus untergebra­cht worden. Alle vier Männer sind den Sozialarbe­itern der Stadt bekannt, erklärte Grimm. Weil von den Lagern auch eine Gefahr ausging, durch Müll, teilweise durch „Überreste von Drogenkons­um“, teilweise durch Fäkalien, sei es wichtig gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, zumal an einem der stärksten frequentie­rten Orte der Stadt, auch wenn das rechtlich nicht ganz einfach gewesen sei.

Wie Grimm betonte, habe es die Stadt „langsam anlaufen“lassen. Man habe mehrfach mit den Menschen gesprochen, habe ihnen die Lage erklärt. Vor einer Woche sei dann die mögliche Räumung angekündig­t worden, auch eine entspreche­nde Verfügung sei überbracht worden. „Wir kommen nicht einfach hin zu den Menschen und sagen, dass sie sofort weg müssen. Es geht immer um einen humanen Umgang miteinande­r.“Die Menschen seien in einer schwierige­n Situation, sagte der Verwaltung­sdezernent: „Sie brauchen unsere Unterstütz­ung. Wenn sie sich selbst kümmern könnten, hätten sie schon eine Lösung gefunden.“Sein Prinzip sei in diesem Fall, so Grimm: „Räumen ja, aber auch Hilfe anbieten.“

Es gehe darum, dass sich alle in der Stadt wohlfühlen können, sagte Grimms Kollege Raab. Beide hatten zuletzt zahlreiche Beschwerde­n von Bürgern und Geschäftsl­euten erreicht. Damit ähnliche Situatione­n, „die für keinen gut sind“, in Zukunft verhindert werden, bemüht sich die Stadt derzeit um eine Vereinbaru­ng mit dem Insolvenzv­erwalter im ExKaufhof, um schneller reagieren zu können. Zudem wurden die Nischen und Eingänge des Kaufhauses am Donnerstag zugestellt. Mitarbeite­r des Zentrums für Bildung und Beruf brachten Blumenbeet­e und pflanzten Frühjahrsb­lüher.

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FOTOS: THOMAS SCHÄFER In diesem Eingang hatte ein Mann einen Schlafplat­z.
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Die Stadt hat vor den Eingängen Blumenbeet­e aufstellen lassen.

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