Stadt räumt Obdachlosen-Lager am Kaufhof
Es war ein bedrückendes Bild in der Bahnhofstraße, immer mehr Menschen beklagten sich darüber. Die Stadt hat nun die Obdachlosen-Lager in den Eingängen des alten Kaufhofs geräumt – und den Menschen Hilfe angeboten.
Ein Schlafsack, braune Pappe als Unterlage, Wolldecken, ein Kissen, eine Matratze ohne Bezug. In einem Schlafsack liegt ein Mann, vor ihm ein Kaffeebecher. In der Hand eine Flasche Wodka, fast leer. Der Mann nimmt einen Schluck und legt sich wieder hin.
Es waren beklemmende Szenen, die man in den vergangenen Tagen und Wochen in der Bahnhofstraße in Saarbrücken beobachten musste am ehemaligen Kaufhof. Seit der Supermarkt „Go Asia“als einziger Kurzzeit-Nachmieter das Gebäude
Ende Januar verlassen musste, weil es keinen Strom gab, haben sich mehrere Obdachlose in den Nischen zwischen den Schaufenstern einen Schlafplatz gesucht.
Anfang der Woche teilte die Stadtverwaltung dazu auf SZ-Nachfrage mit: „Uns ist die Situation in den Nischen der Immobilie bekannt. Das Bild, das sich dort derzeit darstellt, entspricht nicht unserem Anspruch an das Erscheinungsbild unserer Bahnhofstraße, die eine der beliebtesten Einkaufsstraßen Deutschlands ist.“
Man arbeite „mit Hochdruck“an einer Lösung, hieß es weiter. Streetworker stünden in Kontakt mit den Menschen, die sich dort aufhalten, und versuchten sie dazu zu bewegen, eines der städtischen Übernachtungsangebote aufzusuchen, etwa die Obdachlosenunterkunft in der Kossmannstraße. Da die Nischen am Kaufhof nicht im Eigentum der Stadt sind, konnte die Verwaltung nicht ohne Weiteres handeln. „Hoheitliche Maßnahmen“seien ohne das Einverständnis des privaten Eigentümers nicht möglich, erklärte die Stadt.
Die Riesenimmobilie in der Bahnhofstraße gehört einer Signa-Tochter, die Insolvenz angemeldet hat. Was die Sache zusätzlich verkomplizierte. Doch die Stadt hat zwischenzeitlich eine Lösung gefunden – in Absprache mit dem Insolvenzverwalter, der bei dem Unternehmen im Moment das Sagen hat. Und so wurde am Donnerstagmorgen gehandelt. Verwaltungsdezernent Sascha Grimm (CDU) und Sozialdezernent Tobias Raab (jetzt SPD) waren beide persönlich vor Ort, als um 9 Uhr mit der Zwangsräumung der Obdachlosenlager begonnen wurde. Außerdem beteiligt: Mitarbeiter des Ordnungsamtes und des städtischen Entsorgungsbetriebs
ZKE, Streetworker sowie die Polizei. Die Beamten waren angerückt, um einzugreifen, falls es bei der Räumung Widerstand geben sollte.
Den gab es nicht. Es lief alles sehr friedlich ab und ging schnell. Das wenige Hab und Gut der Menschen wurde auf einem Pritschenwagen
abtransportiert, es soll eingelagert werden, Müll wurde aufgesammelt, anschließend wurden Nischen und Wege mit Wasser und Spülmittel gereinigt.
Nur noch einer von ursprünglich vier Obdachlosen war am Morgen vor dem Kaufhof. Er war damit einverstanden, in eine Unterkunft gebracht zu werden. Zuvor war, wie Raab berichtete, bereits ein weiterer Mann im Bruder-Konrad-Haus untergebracht worden. Alle vier Männer sind den Sozialarbeitern der Stadt bekannt, erklärte Grimm. Weil von den Lagern auch eine Gefahr ausging, durch Müll, teilweise durch „Überreste von Drogenkonsum“, teilweise durch Fäkalien, sei es wichtig gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, zumal an einem der stärksten frequentierten Orte der Stadt, auch wenn das rechtlich nicht ganz einfach gewesen sei.
Wie Grimm betonte, habe es die Stadt „langsam anlaufen“lassen. Man habe mehrfach mit den Menschen gesprochen, habe ihnen die Lage erklärt. Vor einer Woche sei dann die mögliche Räumung angekündigt worden, auch eine entsprechende Verfügung sei überbracht worden. „Wir kommen nicht einfach hin zu den Menschen und sagen, dass sie sofort weg müssen. Es geht immer um einen humanen Umgang miteinander.“Die Menschen seien in einer schwierigen Situation, sagte der Verwaltungsdezernent: „Sie brauchen unsere Unterstützung. Wenn sie sich selbst kümmern könnten, hätten sie schon eine Lösung gefunden.“Sein Prinzip sei in diesem Fall, so Grimm: „Räumen ja, aber auch Hilfe anbieten.“
Es gehe darum, dass sich alle in der Stadt wohlfühlen können, sagte Grimms Kollege Raab. Beide hatten zuletzt zahlreiche Beschwerden von Bürgern und Geschäftsleuten erreicht. Damit ähnliche Situationen, „die für keinen gut sind“, in Zukunft verhindert werden, bemüht sich die Stadt derzeit um eine Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter im ExKaufhof, um schneller reagieren zu können. Zudem wurden die Nischen und Eingänge des Kaufhauses am Donnerstag zugestellt. Mitarbeiter des Zentrums für Bildung und Beruf brachten Blumenbeete und pflanzten Frühjahrsblüher.