Die Verschenkhütte ist bald Geschichte
Das Nachhaltigkeitsprojekt startete hoffnungsvoll und erfolgreich. Aber nach rund zweieinhalb Jahren ist nun Schluss. Dreck und Vandalismus zwangen die Verantwortlichen in die Knie. Aufgeben wollen sie deshalb aber nicht.
Cremer packt ein schwarzweiß gestreiftes Kleid auf einen Kleiderbügel. „Fehlkauf“, sagt die 73-Jährige gut gelaunt. Der Kleiderbügel kommt in den Kleiderschrank, danach hält Cremer eine Jeans hoch. Sie sieht aus wie neu, genau wie das Kleid. „Einmal mit 60 Grad gewaschen, jetzt passt sie nicht mehr.“Anschließend faltet sie die Jeans ordentlich zusammen und verstaut sie ebenfalls. Fast jeden Tag komme sie zur kunterbunten Verschenkhütte an der Jugendkirche Eli.ja, meist hat sie irgendetwas dabei, um die Schränke und Regale zu bestücken.
Dinge, die sie selbst nicht mehr gebrauchen kann – andere aber vielleicht schon. Jeden Tag landen in Deutschland tonnenweise ungetragene Kleider und Schuhe, Kinderspielzeuge und -Bücher, Gläser und Geschirr und vieles mehr ohne einen Makel auf dem Müll. Nachhaltig ist das nicht. Um dieser Verschwendung Einhalt zu gebieten, eröffnete der kleine Verein „Transition Saarbrücken“deshalb Ende September 2021 die Verschenkhütte – als Platz für alles, was zu gut zum Wegwerfen ist. Die Jugendkirche Eli.ja (Hellwigstraße) stellte einen ungenutzten Unterstand vor dem Gotteshaus zur Verfügung, dieser wurde von den Ehrenamtlichen mit Schränken und Regalen ausgestattet und liebevoll dekoriert. Doch rund zweieinhalb Jahre später müssen sie eingestehen: Die schöne Idee ist gescheitert – die Verschenkhütte schließt schon diesen Samstag.
Dabei begann das Projekt ganz hoffnungsvoll. Möglichst niederschwellig sollte das Angebot sein. „Hier muss niemand erst seine Bedürftigkeit nachweisen, bevor er etwas mitnehmen darf“, betont Ekkehart Schmidt von Transition, der sich mit drei Vereinsmitgliedern und rund einem halben Dutzend weiterer ehrenamtlicher Helfer um die Hütte gekümmert hat. Außerdem käme es darauf überhaupt nicht an: Jeder, egal ob arm oder reich, konnte sich an den Sachen in der Verschenkhütte bedienen – Hauptsache, sie „bleiben im Kreislauf“. Aber natürlich nutzten auch Menschen mit wenig Geld das Angebot. Diese sollten sich nicht dafür genie
ren müssen, erklärt Schmidt. Deshalb gab es bei der Verschenkhütte keinen Türsteher, keine Registrierung oder Öffnungszeiten – sie war rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr zugänglich.
Niederschwellig halt. Doch genau das wurde der Hütte letztendlich zum Verhängnis. Müll wurde in und außerhalb der Hütte einfach hingeworfen, Zigarettenstummel, leere Bierflaschen, auch Spritzen tauchten auf. Unbekannte hinterließen hinter der Hütte ihren Dreck. Auch Sperrmüll wurde abgeladen – eine benutzte Matratze, eine kaputte
Bank, zersplitterte Holzbretter, Dinge also, die beim besten Willen nicht mehr zu gebrauchen waren.
Dabei liegt das Saarbrücker Wertstoffzentrum nur zwei Autominuten weg. Besonders ärgerlich: Der Verein musste den Sperrmüll auf eigene Kosten entsorgen lassen. „Wäre er auf der Straße abgeladen worden, hätten wir das melden können und die ZKE hätte alles abgeholt“, schildert Schmidt. „Aber weil die Hütte auf dem Gelände der Kirche steht, geht das nicht.“
Täglich schauten die Ehrenamtlichen nach dem Rechten, räumten
auf, machten sauber. Doch irgendwann wurde es einfach zu viel, gibt Schmidt zu. Anwohner beschwerten sich über die Zustände vor Ort – auch bei der Kirche selbst, berichtet Gemeindereferentin Rebecca Benahmed. Dabei habe Eli. ja das Projekt gern von Anfang an unterstützt. Ihnen sei Nachhaltigkeit ein großes Anliegen: Vor Corona fanden regelmäßig Verschenkbörsen in der Kirche statt, die Idee mit der Verschenkhütte entstand auch deshalb, weil das während der Pandemie nicht mehr ging. „Es ist auch super angelaufen“, sagt Benahmed. Aber irgendwann habe sich das Problem mit dem Müll eingeschlichen. Außerdem sei es mehrmals vorgekommen, dass Leute in der Hütte übernachtet hätten. Die Kirche sei auf die Obdachlosen zugegangen und habe sich um eine andere Schlafmöglichkeit gekümmert, schildert die Gemeindereferentin. Aber auf Dauer ginge das einfach nicht, zumal zwei Kindergärten direkt neben der Kirche liegen. „Die Kinder bekommen einfach Angst, wenn sie morgens kommen und sehen, dass in der Hütte jemand liegt“, sagt Benahmed. Und die Eltern und Großeltern hätten dabei natürlich Bedenken.
Monika Graf findet es dennoch schade, dass die Verschenkhütte verschwindet. Sie bringt ihren Enkel mehrmals wöchentlich zum Kindergarten. „Ich habe immer, wenn ich hier vorbei gekommen bin, Menschen gesehen“, sagt sie. „Das war ein wunderbares Projekt, das von vielen gerne genutzt wurde.“Sie selbst sei auch fündig geworden: Blumentöpfe habe sie mitgenommen, eine Kinderjacke, immer mal wieder Spielzeug. Wenn ihr Enkel nach ein paar Wochen nicht mehr damit spielen wollte, habe sie die Sachen zurückgelegt. „Eigentlich ideal“, kommentiert Ekkehart Schmidt. Leider sind nicht alle Nutzer so umsichtig wie Graf. Manche brachten ungewaschene Kleider oder luden kistenweise Zeug ab, ohne sich die Mühe zu machen, es einzuräumen. Auch diese Aufgabe blieb letztendlich an den Ehrenamtlichen hängen.
Viele Menschen, die an diesem Vormittag vorbei kommen, sind enttäuscht. „Selber Schuld, wenn immer alles zerstört wird“, hat jemand auf ein Blatt neben das Schild geschrieben, das vom Ende des Projekts kündet. Der Beschluss, das Projekt aufzugeben, habe die Kirche schweren Herzens gemeinsam mit Transition getroffen, erklärt Benahmed. Auch die Hütte selbst soll abgerissen werden: Stattdessen möchte die Kirche den Platz völlig neu gestalten.
Ganz aufgeben will Transition die Idee aber nicht. Bei der Verschenkhütte sei es nicht nur um den Austausch von Gebrauchtwaren gegangen, sagt Schmidt: Sie sei auch zu einem Anlaufpunkt und einer Begegnungsstätte für die Menschen aus der Umgebung geworden. Eigentlich müsste es so etwas in jedem Viertel geben, sagt Schmidt. „Wir sind auf der Suche nach einem neuen Raum. Wer eine Idee hat, kann sich gerne bei uns melden!“
Wird es also eine Fortsetzung geben? Transition Saarbrücken lädt am Samstag, 23. März, zwischen 10 und 13 Uhr zu einer „Abrissparty mit Kaffee und Kuchen“ein. Vielleicht wird dort der Grundstein für ein neues Projekt gelegt.
„Wir sind auf der Suche nach einem neuen Raum. Wer eine Idee hat, kann sich gerne bei uns melden!“Ekkehart Schmidt Transition Saarbrücken