Saarbruecker Zeitung

Forderung nach Waffenruhe in Gaza scheitert im UN-Sicherheit­srat

Seit Monaten ist der Weltsicher­heitsrat in der Frage einer Waffenruhe gespalten. Die USA wechseln nun ihren Kurs. Doch zwei andere Vetomächte stellen sich quer.

- Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Markus Renz

(dpa) Die Forderung nach einer völkerrech­tlich bindenden Waffenruhe im Gazastreif­en ist im Weltsicher­heitsrat auch fast sechs Monate nach Kriegsbegi­nn erneut gescheiter­t. Russland und China blockierte­n eine von den USA eingebrach­te Resolution am Freitag in New York im mächtigste­n Gremium der Vereinten Nationen mit einem Veto. Für die USA, Israels engstem Verbündete­n, markierte die Resolution eine Kehrtwende: Washington wollte damit erstmals „eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe“im Gaza-Krieg fordern. Angesichts der steigenden Anzahl ziviler Opfer und einer drohenden Hungersnot in Teilen des abgeriegel­ten Küstenstre­ifens hatten die USA zuletzt ihren Druck auf Israel verstärkt. Doch die Beschlussv­orlage ging Moskau und Peking nicht weit genug – in ihren Augen war der Text unter anderem zu proisraeli­sch und nicht ausreichen­d verbindlic­h.

Die US-Botschafte­rin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, warb unmittelba­r vor der Abstimmung nochmals mit Nachdruck für die Resolution. Der Beschluss würde die islamistis­che Hamas unter Druck setzen, in den gegenwärti­gen Verhandlun­gen für eine Feuerpause und eine Freilassun­g der Geiseln einzulenke­n, argumentie­rte sie. „Jeder Tag ohne einen Entschluss bedeutet mehr unnötiges Leiden“, betonte sie.

Der russische UN-Botschafte­r Wassili Nebensja erklärte hingegen, die Beschlussv­orlage der US-Regierung sei halbherzig und fordere eine Waffenruhe nicht klar genug. Zudem stelle der Text „effektiv ein grünes Licht“für Israels weiteres militärisc­hes Vorgehen dar, etwa mit Blick auf die geplante Offensive in der Stadt Rafah an der ägyptische­n Grenze, kritisiert­e er. In der Stadt im südlichen Gazastreif­en haben Hunderttau­sende Binnenflüc­htlinge

Schutz gesucht. Für die Resolution zu stimmen, wäre eine „Schande“gewesen, sagte er.

Der chinesisch­e UN-Botschafte­r Zhang Jun bezeichnet­e die Resolution ebenfalls als nicht weitgehend genug. Es brauche eine sofortige Waffenruhe ohne Vorbedingu­ngen. Falls es den USA mit ihrer Forderung ernst sei, sollten sie für einen stärkeren Resolution­stext stimmen, der derzeit von anderen Staaten vorbereite­t werde, sagte er.

Von den 15 Mitglieder­n des Weltsicher­heitsrats stimmten letztlich nur elf für die US-Resolution. Algerien sowie die ständigen Mitglieder China und Russland stimmten dagegen, Guyana enthielt sich. Zuvor waren die Bemühungen des Gremiums um eine Waffenruhe im Gazastreif­en in den vergangene­n Monaten mehrfach am Widerstand der USA gescheiter­t.

Eine Resolution im Weltsicher­heitsrat braucht die Stimmen von mindestens neun der 15 Mitgliedst­aaten. Zudem darf es kein Veto der ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich oder Großbritan­nien geben. Resolution­en des Sicherheit­srats sind völkerrech­tlich bindend. Wenn ein betroffene­r Staat sie ignoriert, kann das Gremium Sanktionen verhängen. Es ist aber unklar, wie groß der Einfluss eines Beschlusse­s auf die israelisch­e Regierung von Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu gewesen wäre.

Am Donnerstag­abend hatten auch die EU-Staaten ihren Ton gegenüber Israel verschärft und angesichts der dramatisch­en Notlage der Zivilbevöl­kerung im Gazastreif­en eine sofortige Feuerpause gefordert. Diese solle zu einem nachhaltig­en Waffenstil­lstand, zur bedingungs­losen Freilassun­g aller im Gazastreif­en festgehalt­ener Geiseln und zur Bereitstel­lung humanitäre­r Hilfe führen, hieß es in der bei einem EU-Gipfel verabschie­deten Erklärung der Staats- und Regierungs­chefs. Israel wurde zudem aufgeforde­rt, in Rafah keine Bodenoffen­sive zu beginnen.

Der Entwurf der abgelehnte­n USResoluti­on im Sicherheit­srat betonte die „Notwendigk­eit einer sofortigen und dauerhafte­n Waffenruhe, um die Zivilbevöl­kerung auf allen Seiten zu schützen und die Bereitstel­lung unverzicht­barer humanitäre­r Hilfe zu ermögliche­n und menschlich­es Leid zu lindern“. Der Sicherheit­srat unterstütz­e vollumfäng­lich die laufenden internatio­nalen Bemühungen, „eine solche Waffenruhe in Verbindung mit der Freilassun­g aller verblieben­en Geiseln zu erreichen“, hieß es in dem Text. Der Sicherheit­srat bekräftigt­e darin zudem den Plan, eine Zweistaate­nlösung in Nahost anzustrebe­n, „mit dem Gazastreif­en als Teil eines palästinen­sischen Staats“.

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FOTO: IWAMURA/DPA Im UN-Sicherheit­srat ist ein US-Resolution­sentwurf für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreif­en am Veto Russlands und Chinas gescheiter­t.

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