Forderung nach Waffenruhe in Gaza scheitert im UN-Sicherheitsrat
Seit Monaten ist der Weltsicherheitsrat in der Frage einer Waffenruhe gespalten. Die USA wechseln nun ihren Kurs. Doch zwei andere Vetomächte stellen sich quer.
(dpa) Die Forderung nach einer völkerrechtlich bindenden Waffenruhe im Gazastreifen ist im Weltsicherheitsrat auch fast sechs Monate nach Kriegsbeginn erneut gescheitert. Russland und China blockierten eine von den USA eingebrachte Resolution am Freitag in New York im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen mit einem Veto. Für die USA, Israels engstem Verbündeten, markierte die Resolution eine Kehrtwende: Washington wollte damit erstmals „eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe“im Gaza-Krieg fordern. Angesichts der steigenden Anzahl ziviler Opfer und einer drohenden Hungersnot in Teilen des abgeriegelten Küstenstreifens hatten die USA zuletzt ihren Druck auf Israel verstärkt. Doch die Beschlussvorlage ging Moskau und Peking nicht weit genug – in ihren Augen war der Text unter anderem zu proisraelisch und nicht ausreichend verbindlich.
Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, warb unmittelbar vor der Abstimmung nochmals mit Nachdruck für die Resolution. Der Beschluss würde die islamistische Hamas unter Druck setzen, in den gegenwärtigen Verhandlungen für eine Feuerpause und eine Freilassung der Geiseln einzulenken, argumentierte sie. „Jeder Tag ohne einen Entschluss bedeutet mehr unnötiges Leiden“, betonte sie.
Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja erklärte hingegen, die Beschlussvorlage der US-Regierung sei halbherzig und fordere eine Waffenruhe nicht klar genug. Zudem stelle der Text „effektiv ein grünes Licht“für Israels weiteres militärisches Vorgehen dar, etwa mit Blick auf die geplante Offensive in der Stadt Rafah an der ägyptischen Grenze, kritisierte er. In der Stadt im südlichen Gazastreifen haben Hunderttausende Binnenflüchtlinge
Schutz gesucht. Für die Resolution zu stimmen, wäre eine „Schande“gewesen, sagte er.
Der chinesische UN-Botschafter Zhang Jun bezeichnete die Resolution ebenfalls als nicht weitgehend genug. Es brauche eine sofortige Waffenruhe ohne Vorbedingungen. Falls es den USA mit ihrer Forderung ernst sei, sollten sie für einen stärkeren Resolutionstext stimmen, der derzeit von anderen Staaten vorbereitet werde, sagte er.
Von den 15 Mitgliedern des Weltsicherheitsrats stimmten letztlich nur elf für die US-Resolution. Algerien sowie die ständigen Mitglieder China und Russland stimmten dagegen, Guyana enthielt sich. Zuvor waren die Bemühungen des Gremiums um eine Waffenruhe im Gazastreifen in den vergangenen Monaten mehrfach am Widerstand der USA gescheitert.
Eine Resolution im Weltsicherheitsrat braucht die Stimmen von mindestens neun der 15 Mitgliedstaaten. Zudem darf es kein Veto der ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich oder Großbritannien geben. Resolutionen des Sicherheitsrats sind völkerrechtlich bindend. Wenn ein betroffener Staat sie ignoriert, kann das Gremium Sanktionen verhängen. Es ist aber unklar, wie groß der Einfluss eines Beschlusses auf die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gewesen wäre.
Am Donnerstagabend hatten auch die EU-Staaten ihren Ton gegenüber Israel verschärft und angesichts der dramatischen Notlage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen eine sofortige Feuerpause gefordert. Diese solle zu einem nachhaltigen Waffenstillstand, zur bedingungslosen Freilassung aller im Gazastreifen festgehaltener Geiseln und zur Bereitstellung humanitärer Hilfe führen, hieß es in der bei einem EU-Gipfel verabschiedeten Erklärung der Staats- und Regierungschefs. Israel wurde zudem aufgefordert, in Rafah keine Bodenoffensive zu beginnen.
Der Entwurf der abgelehnten USResolution im Sicherheitsrat betonte die „Notwendigkeit einer sofortigen und dauerhaften Waffenruhe, um die Zivilbevölkerung auf allen Seiten zu schützen und die Bereitstellung unverzichtbarer humanitärer Hilfe zu ermöglichen und menschliches Leid zu lindern“. Der Sicherheitsrat unterstütze vollumfänglich die laufenden internationalen Bemühungen, „eine solche Waffenruhe in Verbindung mit der Freilassung aller verbliebenen Geiseln zu erreichen“, hieß es in dem Text. Der Sicherheitsrat bekräftigte darin zudem den Plan, eine Zweistaatenlösung in Nahost anzustreben, „mit dem Gazastreifen als Teil eines palästinensischen Staats“.