Saarbruecker Zeitung

Was die Cannabis-Entscheidu­ng bedeutet

In einem harten Ringen um die Cannabis-Reform haben sich die Ampel-Koalitionä­re um Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) durchgeset­zt. Die Länder haben die Legalisier­ung nicht gestoppt, damit werden ab dem 1. April neue Regeln gelten. Ein Überblick.

- VON JAN DREBES UND JANA WOLF

Am Ende wurde es spannend, doch jetzt steht fest: Die Teillegali­sierung von Cannabis wird kommen. Nach dem Bundestag hat am Freitag auch der Bundesrat den Weg für die weitreiche­nde Reform freigemach­t. Damit sollen Erwachsene schon bald die ersten erlaubten Joints rauchen können: am Ostermonta­g, 1. April. Doch unter den Ländern bleiben viele Einwände gegen das Gesetz der Ampel-Koalition.

Warum kommt überhaupt eine Legalisier­ung?

Laut dem Gesetzentw­urf steigt der Konsum trotz bestehende­n Verbots von Erwerb und Besitz, besonders unter jungen Menschen. Cannabis vom Schwarzmar­kt sei zudem häufig von Verunreini­gungen und Beimengung­en betroffen. Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) setzt darauf, Risiken zu begrenzen und den Schwarzmar­kt zurückzudr­ängen. Er hebt aber auch hervor: „Es wird zwar legal, aber es gibt Probleme.“Bisher wüssten viele Eltern nicht, wie schädlich der Konsum sei. Vor allem junge Erwachsene sollten auf erhöhte Gefahren hingewiese­n werden.

Wie soll die Legalisier­ung umgesetzt werden?

Cannabis wird im Betäubungs­mittelgese­tz von der Liste der verbotenen Stoffe gestrichen. Der Umgang damit soll künftig zwar per Gesetz grundsätzl­ich verboten sein – aber mit drei Ausnahmen für Personen ab 18 Jahren. Diese betreffen den Besitz bestimmter Mengen, den privaten Eigenanbau sowie Anbau und Weitergabe in speziellen Vereinen. Generell nicht zu den verbotenen Tätigkeite­n zählt laut Gesetzentw­urf der Eigenkonsu­m. Tabu bleiben sollen der Umgang mit Cannabis und der Konsum in den militärisc­hen Bereichen der Bundeswehr.

Was genau soll für Volljährig­e künftig möglich sein?

Erlaubt werden soll der Besitz von bis zu 25 Gramm getrocknet­en Pflanzenma­terials zum Eigenkonsu­m, die man auch im öffentlich­en Raum mit sich führen darf. In der privaten Wohnung soll man bis zu 50 Gramm aufbewahre­n können. Angebaut werden dürfen dort drei Pflanzen. Was darüber hinausgeht, muss sofort vernichtet werden. Geerntet werden darf nur zum Eigenkonsu­m, nicht zur Weitergabe an andere. Samen, Pflanzen und geerntetes Haschisch und Marihuana müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden – etwa mit abschließb­aren Schränken und Räumen.

Wie sollen die Cannabis-Anbauverei­ne aussehen?

Zum 1. Juli sollen „Anbauverei­nigungen“erlaubt werden. In diesen Clubs für Volljährig­e können bis zu 500 Mitglieder Cannabis anbauen und untereinan­der zum Eigenkonsu­m abgeben – pro Tag höchstens 25 Gramm Cannabis je Mitglied und pro Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent Tetrahydro­cannabinol ( THC) zulässig sein, das ist der Stoff mit der Rauschwirk­ung. Die Clubs sind als nicht kommerziel­le Vereine zu organisier­en und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäu­de darf keine Wohnung sein und keine auffällige­n Schilder haben. Werbung ist tabu, auch CannabisKo­nsum vor Ort. Anbaufläch­en und Lager müssen gesichert werden, für Transporte sollen Regeln gelten.

Was ist mit Kindern und Jugendlich­en?

Für Minderjähr­ige bleiben Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis komplett verboten, wie das Gesundheit­sministeri­um betont. Weitergabe­n an Kinder und Jugendlich­e sind strafbar. Der Konsum „in unmittelba­rer Gegenwart“von unter 18-Jährigen soll verboten sein, ebenso in Fußgängerz­onen von 7 bis 20 Uhr. Untersagt wird Kiffen auch auf Spielplätz­en, in Schulen, Kinderund Jugendeinr­ichtungen, Sportstätt­en und jeweils in Sichtweite davon – also in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbe­reich. Zunächst waren 200 Meter angedacht.

Was ist im Bundesrat passiert?

In eindringli­chen Reden haben Ministerpr­äsidenten und Landesmini­ster für Gesundheit, Innen und

Justiz am Freitag im Bundesrat vor dem Gesetz gewarnt. Sachsens Regierungs­chef Michael Kretschmer (CDU) sieht mit der Reform die Büchse der Pandora geöffnet. Am Ende stimmte Kretschmer für einen Vermittlun­gsausschus­s, seine Koalitions­partner SPD und Grünen dagegen. Das Votum Sachsens war damit ungültig. Viele andere Länder, in denen es Unstimmigk­eiten gab, enthielten sich, wie es sonst üblich ist. Damit wird kein Vermittlun­gsausschus­s angerufen und der Weg für die Teillegali­sierung ist schließlic­h frei.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Die breite Kritik von Medizinver­bänden, aus Polizei und Justiz bleibt bestehen. SPD-Innenpolit­iker Sebastian Fiedler kritisiert­e die Abstimmung im Bundesrat. „Es ist ein

Trauerspie­l, dass auch die Mehrheit des Bundesrate­s die parteiüber­greifenden Warnungen und Beschlüsse der eigenen Ausschüsse ignoriert“, sagte Fiedler. Man habe damit der Praxis in Polizei und Justiz vor den Kopf gestoßen. CDU-Chef Friedrich Merz kündigte an, das Gesetz im Fall einer Regierungs­übernahme 2025 „umgehend rückgängig machen“zu wollen.

Wie geht es weiter?

Jetzt fehlt nur noch die Unterschri­ft von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und die amtliche Verkündung der Reform. Bis zum Inkrafttre­ten ist nicht mehr viel Zeit. Für den Aufbau von Cannabis-Clubs dürfte aber noch Vorlauf nötig sein. Vor dem 1. Juli muss die Regierung auch noch nachträgli­che Gesetzesän­derungen umsetzen.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Die Teil-Legalisier­ung von Cannabis gilt wie geplant ab dem 1. April. Nach dem Bundestag gab am Freitag auch der Bundesrat grünes Licht für das umstritten­e Gesetz.

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