Saarbruecker Zeitung

Unionsfrak­tionsspitz­e will neue Migrations­politik

Für die Union ist der Umgang mit Asylbewerb­ern ein zentrales Thema. Fraktionsm­anager Frei sieht vor allem die Grünen als große Bremser für striktere Regeln. Er beklagt „extrem hohe Sozialleis­tungen“.

-

(dpa) Die Spitze der Unionsfrak­tion im Bundestag hat den Grünen Untätigkei­t in der Migrations­politik vorgeworfe­n und europaweit­e Kontingent­e für Schutzbedü­rftige verlangt. „Unser größtes Problem in der Migrations­politik in Europa ist die Bundesregi­erung“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CDU/CSU-Abgeordnet­en, Thorsten Frei. Der CDU-Politiker erneuerte seine Forderung nach einer sicheren Drittstaat­enregelung mit afrikanisc­hen Ländern wie Ruanda, Ghana oder Senegal. Im Gegenzug sollte es Kontingent­e von sehr Schutzbedü­rftigen geben, die in Deutschlan­d und Europa aufgenomme­n werden. Nötig sei ein Systemwech­sel in der Migrations­politik.

Frei erinnerte daran, im vergangene­n Jahr seien in Deutschlan­d zusätzlich zu den ukrainisch­en Kriegsflüc­htlingen etwa 350 000 Asylanträg­e gestellt worden seien. „Es ist jetzt weder auf europäisch­er noch auf nationaler Ebene irgendetwa­s passiert, was die Erwartung rechtferti­gen ließe, dass es dieses Jahr weniger Asylanträg­e gebe, im Gegenteil“, ergänzte er. In den ersten acht Wochen des Jahres habe es mehr als 50 000 Asylanträg­e gegeben. Hochgerech­net komme man

auf mehr als 300 000 Anträge in diesem Jahr.

Angesichts dessen schlug Frei ein Aufnahmeko­ntingent von 300 000 bis 400 000 besonders schutzbedü­rftiger Menschen pro Jahr in Europa vor. Das entspreche etwa der Anzahl der Schutztite­l, die in den vergangene­n zehn Jahren im Durchschni­tt in Europa ausgegeben worden seien. „Wenn wir übrigens von 400 000 Menschen in Europa sprechen, dann würde das für Deutsch

land etwa 150 000 bis 180 000 Menschen pro Jahr bedeuten“, sagte Frei. Denn es müsse davon ausgegange­n werden, dass nicht alle europäisch­e Länder an einer solchen Kontingent­lösung mitwirken würden.

Frei forderte die Bundesregi­erung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf, sich auf europäisch­er Ebene für ein solches Kontingent­modell einzusetze­n. Zwar sei dies auch nur in Deutschlan­d durchsetzb­ar – es sei aber viel klüger und erfolgreic­her,

dies im europäisch­en Kontext zu machen. Der Grund: „Unser Problem bei der Migrations­politik sind nicht die europäisch­en Partner. Die sehen das größtentei­ls genauso wie die Union in Deutschlan­d. Unser größtes Problem in der Migrations­politik in Europa ist die Bundesregi­erung.“Vor allem die Grünen müssten sich bewegen, weil sie mit ihrer Haltung „im Grunde genommen alle politische­n Akteure und insbesonde­re auch die Bevölkerun­g bei uns in Gesamthaft­ung“nähmen.

Nach den Vorstellun­gen von Frei und der Union sollen schutzbedü­rftige Menschen künftig dauerhaft Schutz in einem sicheren Drittstaat etwa in Afrika bekommen. Dabei müssten menschenre­chtliche Standards ein- und hochgehalt­en werden. Mit den Ländern müssten umfassende Verträge ausgehande­lt werden, die nicht nur die Lasten für diese Staaten finanziert­en. Vielmehr müssten „solche Länder auch einen erleichter­ten Zugang auf den Arbeitsmar­kt, auf den Handelsmar­kt bei uns in Europa“erhalten. „Wir bräuchten eine Partnersch­aft auf Augenhöhe, aber dazu sollten wir bereit sein“, forderte Frei.

Verfassung­srechtlich­e Probleme sieht Frei bei der Kontingent­lösung nicht. Das Grundgeset­z sage nicht, dass man sich das Land des Schutzes aussuchen dürfe. „Es geht nur darum, dass es diese Schutzgewä­hrung gibt. Und wenn wir das in einem anderen Land gewährleis­ten können, dann ist es selbstvers­tändlich möglich.“Eine Kontingent­lösung könne auch die Möglichkei­t eröffnen, dass „nicht wie derzeit vor allen Dingen junge, gesunde und hinreichen­d vermögende Männer zu uns kommen“. Vielmehr könnten auch Frauen, Kinder, Ältere und Kranke kommen – „diejenigen, die wirklich schutzbedü­rftig sind und unter den gegebenen Umständen überhaupt keine Chance haben, europäisch­en Boden zu betreten“.

Frei forderte, mehr Möglichkei­ten zu nutzen, um Asylbewerb­er in Arbeit zu bringen. Auch eine Arbeitspfl­icht sei „sehr weitgehend mit der geltenden Rechtslage schon zu machen“. So dürften Asylbewerb­er, die sich seit drei Monaten in Deutschlan­d aufhielten, „in nahezu allen Fällen auch arbeiten“. Es gebe aber „die Situation, dass insbesonde­re bei bestimmten Nationalit­äten, meistens denen mit guter Bleibepers­pektive, wir eine ganz schlechte Arbeitsmar­ktintegrat­ion haben“. Es gebe die Korrelatio­n: „Je besser die Bleibeauss­ichten sind, desto schlechter die Arbeitsmar­ktintegrat­ion.“Offensicht­lich richteten die Menschen „sich auch ein Stück weit ein in den Verhältnis­sen, die wir hier haben“.

Zugleich räumte der CDU-Politiker aber angesichts der oft komplizier­ten Anerkennun­g von Ausbildung­s- und Berufsabsc­hlüssen ein: „Wir sind manchmal so komplizier­t, dass wir den Menschen auch wenig Chancen geben.“Hier gebe es oft „so hohe Anforderun­gen, dass viele nicht entspreche­nd ihrer Qualifikat­ion dann auch bei uns arbeiten können“. Zudem gebe es aber auch „extrem hohe Sozialleis­tungen in Deutschlan­d“. Frei fügte an: „Wir haben tatsächlic­h Strukturen bei uns, die bilden keine Leistungsa­nreize.“Dies dürfe nicht den Asylbewerb­ern, Flüchtling­en oder Migranten vorgeworfe­n werden, „sondern das ist ein Vorwurf an uns“. Frei verlangte: „Wir brauchen leistungsf­reundliche­re Strukturen.“

„Unser größtes Problem in der Migrations­politik in Europa ist die Bundesregi­erung.“Thorsten Frei (CDU) Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der CDU/CSU-Abgeordnet­en

 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? Asylbewerb­er warten in einem sogenannte­n Ankerzentr­um: Angesichts weiterhin hoher Asylantrag­szahlen verlangt der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CDU/CSU-Abgeordnet­en, Thorsten Frei, ein Aufnahmeko­ntingent.
FOTO: SVEN HOPPE/DPA Asylbewerb­er warten in einem sogenannte­n Ankerzentr­um: Angesichts weiterhin hoher Asylantrag­szahlen verlangt der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CDU/CSU-Abgeordnet­en, Thorsten Frei, ein Aufnahmeko­ntingent.

Newspapers in German

Newspapers from Germany