Saarbruecker Zeitung

Bundesrat beschließt Wachstumsp­aket

Monatelang haben Bund und Länder um ein Wachstumsp­aket für die Wirtschaft gerungen. Direkt nach dem Beschluss kündigt Finanzmini­ster Lindner nun an: Da soll noch mehr kommen.

- VON THERESA MÜNCH UND MARTINA HERZOG Produktion dieser Seite: Markus Renz, Martin Wittenmeie­r

aERLhm (dpa) Das milliarden­schwere Wachstumsp­aket mit Steuerentl­astungen und Bürokratie­abbau für Unternehme­n ist beschlosse­n. Der Bundesrat stimmte dem sogenannte­n Wachstumsc­hancengese­tz am Freitag nach Gesprächen im Vermittlun­gsausschus­s von Bundestag und Bundesrat mehrheitli­ch zu. Die Wirtschaft allerdings zeigte sich enttäuscht und warnte, einen echten Wachstumsi­mpuls brächten die Maßnahmen wohl nicht.

Auch Finanzmini­ster Christian Lindner erklärte nur Minuten später auf der Kurznachri­chtenplatt­form X, das Paket sei zwar ein wichtiges Signal. „Aber sein Volumen ist wesentlich kleiner als ursprüngli­ch von mir geplant.“Es müssten nun weitere Schritte folgen, um die Lage der Wirtschaft zu verbessern. „Wir arbeiten daran“, versprach der FDP-Politiker. Seine Staatssekr­etärin Katja Hessel (FDP) betonte, weitere Schritte für eine „Wirtschaft­swende“mit Bürokratie­abbau, Entlastung­en und strukturel­len Reformen für den Arbeitsmar­kt würden bereits beraten.

Der Industriev­erband BDI zeigte sich angesichts des Hickhacks vor dem Beschluss zwar erleichter­t, warnte aber: „Einen deutlich spürbaren Wachstumsi­mpuls werden diese steuerlich­en Entlastung­en nicht setzen.“Dafür sei das Paket zu stark zusammenge­kürzt worden. Im harten steuerpoli­tischen Standortwe­ttbewerb sei das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Deutsche Industrie- und Handelskam­mer (DIHK) forderte noch vor der Sommerpaus­e „eine konkrete Reformagen­da mit Entlastung­en, die schnell im betrieblic­hen Alltag ankommen.“

Der Immobilien­verband ZIA begrüßte vor allen die steuerlich­en Anreize für mehr Wohnungsba­u als

„wichtiges Signal an die Immobilien­wirtschaft, wieder mehr Investitio­nen anzugehen“. Das könne beim Wohnungsba­u den Schub auslösen, den Mieterinne­n und Mieter dringend brauchten. Mit dem Gesetz kann die Bau- und Immobilien­branche Investitio­nskosten schneller steuerlich abschreibe­n. Das soll dafür sorgen, dass schneller wieder Geld für neue Investitio­nen zur Verfügung steht. Bauministe­rin Klara Geywitz erklärte: „Sechs Jahre lang jeweils fünf Prozent der Investitio­ns

kosten abschreibe­n – das ist richtig großer Impuls für den Wohnungsba­u in Deutschlan­d.“Die neuen Abschreibu­ngsmöglich­keiten gelten demnach auch rückwirken­d für alle Bauprojekt­e, die ab Oktober 2023 begonnen wurden und einen gewissen Klimaschut­zstandard (Effizienzs­tandard 55) erfüllen.

Grünen-Chef Omid Nouripour sprach von wichtigen Impulsen für die Wirtschaft. „Durch die deutliche Erhöhung der steuerlich­en Forschungs­förderung, ganz besonders für kleine und mittlere Unternehme­n, geben wir der Technologi­eführersch­aft des deutschen Mittelstan­ds einen Anschub.“

Ursprüngli­ch sollte das Gesetz ein Rundumschl­ag für alle Branchen sein, der Firmen in der Konjunktur­flaute entlastet und Investitio­nen in den Klimaschut­z anregt. Lindner hatte fast 50 steuerpoli­tische Maßnahmen vorgeschla­gen. Im Bundestag war das Gesetz beschlosse­n worden, doch die Länder stoppten es danach im Bundesrat und schickten es in den Vermittlun­gsausschus­s, weil sie hohe Einnahmeau­sfälle befürchtet­en.

Im Vermittlun­gsverfahre­n, in dem Vertreter von Bundestag und Bundesrat Kompromiss­e suchen, wurde das Volumen des Gesamtpake­ts von einst geplanten sieben Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden pro Jahr zusammenge­strichen. Eine einst geplante staatliche Prämie für Klimaschut­z-Investitio­nen soll es nun doch nicht geben.

Geblieben sind unter anderem die steuerlich­e Forschungs­förderung, eine bessere Anrechenba­rkeit von Verlusten bei der Steuererkl­ärung und der Abbau bürokratis­cher Hürden. Meldeverfa­hren und Buchführun­gspflichte­n sollen vereinfach­t und Daten statt auf Papier elektronis­ch übermittel­t werden.

CDU und CSU hatten ihre Zustimmung davon abhängig gemacht, dass die Bundesregi­erung Landwirtin­nen und Landwirte entlastet. Die Bundesregi­erung hat inzwischen zwar Erleichter­ungen für die Agrarbranc­he in Aussicht gestellt, legte bis zur Abstimmung im Bundesrat aber kein Paket mit konkreten Maßnahmen vor. Man sei „im engen Kontakt mit dem Berufsstan­d“, teilte Agrarminis­ter Cem Özdemir (Grüne) lediglich mit. Vorbereite­t werden demnach Erleichter­ungen bei der Einkommens­teuer und eine Stärkung der Bauern in der Wertschöpf­ungskette. Vor allem gehe es aber um einen Abbau von Bürokratie.

Die Wirtschaft zeigte sich vom Wachstumsc­hancengese­tz enttäuscht.

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FOTO: CHRISTIAN OHDE/IMAGO Das Wachstumsc­hancengese­tz ist beschlosse­n. Doch es kommt laut Finanzmini­ster Christian Lindner „wesentlich kleiner“als geplant.

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