Ein Pflegeheim in der eigenen Wohnung
Die Saarländische Pflegegesellschaft hat einige Ideen und Forderungen, um dem Mangel an Pflegekräften gegenzusteuern.
Die Saarländische Pflegegesellschaft (SPG) drängt darauf, das Pflegepersonal in den Pflegeheimen flexibler einsetzen zu dürfen. „Beispielsweise sollte eine vollstationäre Pflegerin bei Bedarf auch in einer benachbarten Einrichtung für betreutes Wohnen arbeiten können“, erklärte Michael Schröder, der neue Vorsitzende der SPG. „Die gesetzlichen Regelungen machen solche flexiblen Einsätze derzeit unmöglich. Angesichts der Engpässe in der Pflege lässt sich die strikte Trennung der verschiedenen Pflegeformen, die zudem noch auf starren Pflegegraden ausgerichtet ist, nicht aufrechterhalten“, betonte Schröder, der als Abteilungsleiter Gesundheit und Pflege beim Caritasverband für die Diözese Trier tätig ist, auf einer Pressekonferenz der SPG am Freitag.
Die SPG sieht im sogenannten Stambulant-Modell, einer Zwischenform von stationärer und ambulanter Pflege, eine Chance, dem Mangel an Pflegekräfte ein Stück weit entgegenzuwirken. Neben der Pflege zu Hause oder der Pflege im Heim sieht das Stambulant-Konzept speziell ausgestattete Wohnungen vor, in denen Menschen jeglichen Pflegegrads angemessen betreut werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat gerade angekündigt, das Stambulant-Modell gesetzlich verankern zu wollen.
Zwei Vorstandsmitglieder der SPG, Ralf Mertins vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste und Torsten Schmittberger, AWO-Direktor für Pflege und Be
treuung im Saarland, erläuterten übereinstimmend, der Mangel an Pflegekräften habe dazu geführt, dass viele Pflegeheime nicht mehr alle Betten belegen könnten. Statt einer Auslastung von 96 Prozent, die den Pflegeheimen ein auskömmliches Wirtschaften erlaube, könnten derzeit nur 90 Prozent der Betten oder noch weniger genutzt werden.
Die gesetzliche Vorgabe, dass mindestens 50 Prozent des Personals in Pflegeheimen eine Ausbildung zur Pflegefachkraft nachweisen müss
ten, habe mit dazu beigetragen, dass nicht mehr alle Betten belegt werden könnten, sagte Schmittberger. Der Vorstand der SPG plädierte dafür, die strenge Fachkraft-Quote zu lockern und mehr Assistenzpfleger und angelernte Hilfspflegekräfte einsetzen zu dürfen. „Das wird zu keinem Verlust an Qualität führen“, sagte Mertins.
Die SPG präsentierte in ihrer Pressekonferenz Hochrechnungen, die einen Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland von
derzeit fünf Millionen auf sechs Millionen im Jahr 2040 vorhersagen. Im Saarland sind aktuell 68 000 Frauen und Männer pflegebedürftig. Die Krankenkasse Barmer prognostiziert für 2030 bereits 77 000 Pflegebedürftige im Saarland und für 2050 sogar 88 000.
Das wird in den nächsten Jahren zu einer steigenden Nachfrage nach Heimpflegeplätzen führen. Eine aktuelle Erhebung der „Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform“hält für die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im Saarland bis ins Jahr 2025 rund 1000 neue Beschäftigte für erforderlich. Bis 2040 ergebe sich ein zusätzlicher Bedarf von rund 2300 Pflegekräften.
SPG-Vorsitzender Schröder forderte Initiativen, um wieder mehr Auszubildende für die generalistische Pflegeausbildung – die für Kranken-, Alten- und Kinderpflege qualifiziert – und die Pflegeassistenzausbildung zu gewinnen und zugleich die hohen Abbrecherquoten, die im Saarland bei 30 Prozent liegen, zu reduzieren. Zudem müssten mit attraktiveren Arbeitsbedingungen Pflegekräfte zurückgewonnen werden, die aus dem Beruf ausgestiegen seien.
Die ausufernde Bürokratisierung macht allen Pflegeeinrichtungen zu schaffen. In den vergangenen Jahren habe trotz gegenteiliger Versprechen der Politik der bürokratische Aufwand noch deutlich zugenommen, sagte Schröder. Eine Entlastung könnten eine stärkere Digitalisierung und Organisationsentwicklung der Einrichtungen bringen. Dafür gebe es derzeit eine Förderung von maximal 12 000 Euro pro Einrichtung. Das werde dem Bedarf jedoch in keiner Weise gerecht.
„Die Pflegeversicherung muss grundlegend reformiert und vereinfacht werden“, forderte Schröder. „Das Ende Mai vergangenen Jahres verabschiedete Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz, das die Leistungen verbessern und die finanzielle Lage der Pflegeversicherung stabilisieren soll, ist den dringendsten Herausforderungen nicht gerecht geworden.“
Die finanzielle Belastung der Pflegeheimbewohner steige weiter an. Im Saarland liege der Eigenanteil an den Heimkosten aktuell bei durchschnittlich 2782 Euro. Daher sei es notwendig, das Risiko extremer monatlicher Kosten sowie einer langen Zahlungsdauer zu beseitigen. „Bis dahin sollten die pflegebedürftigen Menschen schon einmal, wie im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigt, von den Kosten der Pflegeausbildungen entlastet werden“, erklärte Schröder.
Die SPG, die die Interessen von 150 Alten- und Pflegeheimen im Saarland vertritt, kritisierte, dass ständig die Probleme in der Pflege in den Vordergrund gerückt würden. „Die permanente Problembeschreibung darf nicht selbst zum Problem werden“, betonte Schröder. Das lasse den Pflegeberuf als unattraktiv und fremdbestimmt erscheinen. „Die maßgebliche Bedeutung und der positive Einfluss der Pflege für die Gesamtgesellschaft muss mit einer positiven Zukunftsvision verbunden werden.“
Um neues Personal gewinnen und das Image der Pflege verbessern zu können, seien Rahmenbedingungen, die kreative und flexible Versorgungskonzepte ermöglichten, die Grundvoraussetzung.