Wird die Mauritiuskirche zum Präzedenzfall?
Die denkmalgeschützte Mauritiuskirche darf abgerissen werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht in Saarlouis jetzt entschieden – und damit womöglich einen Präzedenzfall geschaffen? Denn marode Denkmäler gibt es viele.
Die katholische Kirchengemeinde St. Jakob kann aufatmen: Sie darf jetzt ihre denkmalgeschützte, ungenutzte Mauritiuskirche in der Moltkestraße in Alt-Saarbrücken, die seit Jahren verfällt, loswerden. Und spart damit viel Geld. Im besten Fall bringt deren Verkauf so viel ein, dass damit das ebenfalls marode Gemeindehaus in der Keplerstraße saniert werden kann. Allein für Versicherungen fallen für St. Mauritius laut Gemeinde jährlich 13 000 Euro an. MillionenBeträge müsste man in den kommenden Jahren nur für die Sicherung des Gebäudes aus den 1950er Jahren aufwenden. Allein der Abriss des frei stehenden Beton-Glockenturmes hätte schon 300 000 Euro gekostet, so Schätzungen von vor drei Jahren (wir berichteten).
Und die Kosten würden steigen.
Deshalb war man froh, dass man 2017 mit dem Projektentwickler IFA einen Investor gefunden hatte, der die Kirche für 600 000 Euro kaufen, abreißen und deren KleintFenster in den Neubau eines Seniorenheimes integrieren wollte. Voraussetzung für den Deal: Eine Abriss-Genehmigung vom Landesdenkmalamt. Doch das bestand auf dem Denkmalschutz für den markanten Kirchenbau. Unzumutbar, fand die Gemeinde, klagte – und verlor Ende 2021 zunächst in erster Instanz. Am 7. März hat das Oberverwaltungsgericht der Kirchengemeinde nun in zweiter Instanz Recht gegeben. Die Kirche darf abgerissen werden (wir berichteten).
Die Urteils-Begründung steht aber noch aus.
Womöglich zählte aber das Argument des grundgesetzlich verbrieften Rechts auf Religionsfreiheit. In Artikel 4.2 heißt es: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“Aber was hat der Denkmalschutz damit zu tun? Die Anwälte
der Gemeinde argumentierten so: Wenn die Gemeinde gezwungen wird, Geld für ein Denkmal auszugeben und deshalb nicht mehr in die genutzten Bauten wie zum Beispiel das eigene Gemeindezentrum investieren kann, gefährde das – ganz praktisch gesehen – die freie Religionsausübung. „Das Ver
waltungsgericht hat (...) bei seiner Entscheidung gänzlich unberücksichtigt gelassen, dass die ungestörte Religionsausübung gemäß Artikel vier Grundgesetz gewährleistet ist“, hatten die Anwälte von St. Jakob deshalb in ihrem Antrag auf Berufung geschrieben. Ihr Argument: Der Denkmalschutz sei dem
Grundgesetz untergeordnet. Und weiter: „Da es zu dieser Thematik bislang keine Rechtsprechung gibt, hat die Rechtssache (...) grundsätzliche Bedeutung.“Ein bundesweiter Präzedenzfall also, der den künftigen Umgang mit (Kirchen-) Denkmälern entscheidend beeinflusst, weil sie künftig einfacher abgerissen werden können? Die Urteilsbegründung, die noch aussteht und laut Auskunft des Gerichts bis zu fünf Monate dauern kann, wird hier Klarheit schaffen.
Außerdem sei „trotz intensiver Bemühungen“eine sinnvolle Nachnutzung der Kirche bisher nicht möglich gewesen, schrieben die Anwälte damals. Eine Nachnutzung könnte es Stand heute aber geben. Denn die Landesarbeitsgemeinschaft Tanz hatte sich Hoffnungen gemacht, die Kirche in ein Tanzzentrum mit großer Bühne für die Freie Szene umbauen zu können (wir berichteten). Und auch die Gemeinde lässt noch offen, was mit ihrer Kirche passiert.
Das Bistum Trier und die Kirchengemeinde St. Jakob schreiben in einer aktuellen Pressemitteilung: „Wir begrüßen es, dass das Gericht die Kirchengemeinde grundsätzlich in ihrem Recht stärkt, selbstbestimmt mit ihrer Immobilie umzugehen. Bistum und Kirchengemeinde sind sich der kulturellen Bedeutung der ehemaligen St. Mauritius-Kirche mit den Fenstern von Boris Kleint bewusst. Daher bedeutet das Urteil des OVG nicht den Abbruch der laufenden Gespräche über eine mögliche alternative Folgenutzung der ehemaligen Kirche.“Nun wolle man die schriftliche Urteilsbegründung des OVG abwarten, bevor man sich zum Stand dieser Gespräche äußere, heißt es.
Ein Investor wollte die Kirche für 600 000 Euro kaufen, abreißen und deren Kleint-Fenster in den Neubau eines Seniorenheimes integrieren.